LET/LETAS
Helen Briem wechselt ins Profilager
24. Juli 2024 , Stefan Bluemer
Sie mag die Schwäbische Küche, insbesondere Spätzle in jeder Art der Zubereitung. Sie ist ohnehin ein bodenständiger Mensch und kann sich in einem sehr familiären Umfeld Schritt für Schritt weiterentwickeln. Nun steht für Helen Briem der nächste große Schritt an.
Nürtingen - Kurz nach den großen Erfolgen, die Helen Briem noch als Amateurin erzielt hat und die ihr im World Amateur Golf Ranking die Führung eingebracht haben, kommt nun der nächste, logische Schritt: Helen Briem wird ab dem 24. Juli 2024 ihre Karriere als Profi fortsetzen.
Dieser wichtige Schritt in der noch jungen Karriere der Spielerin des Stuttgarter GC Solitude ist Anlass für die Redaktion der golf.de, mit der 18-Jährigen zu sprechen. Vater Jochen, der zuletzt als Caddie bei etlichen Siegen von Helen Briem sehr aktiv dabei war und auch sonst behutsam berät und mitwirkt, wenn es um wichtige Entscheidungen seiner Tochter geht, war auch bei diesem Gespräch dabei.
Frage: Am Mittwoch vollziehst Du also den Wechsel ins Profilager. Wie fühlt sich diese Übergangszeit für Dich an?
Antwort: Ich mache mir nicht viele Gedanken über den Wechsel. Ich konzentriere mich auf meine sportlichen Dinge. Die habe ich in der Hand.
F: Was erwartest Du als wesentliche Änderung für Deine Art, Turniere zu spielen und die nächsten Wochen zu planen?
A: Ich erwarte gar keine wesentliche Änderung. Es war der Plan, die Team-EM mitzunehmen und danach zu wechseln. An diesem Plan hat sich nichts geändert.
F: Wie wird sich das Team um Dich herum verändern?
A: Wir beabsichtigen, in Zukunft mit U.COM Player zusammenzuarbeiten. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Das Thema gibt es für uns gar nicht!
F: Deine Schulzeit hast Du jüngst mit dem Abitur beendet. Wie lief es nach den vielen Fehlzeiten, die Du wegen des Golfsports hattest?
A: Dass ich jetzt nicht mehr zur Schule muss, ist ganz praktisch. Das Abi habe ich mit der Gesamtnote von 1,9 geschafft. Mein Ziel war es, bei der Note eine eins vor dem Komma zu haben. Das habe ich geschafft. Ende April war ich zum letzten Mal in der Schule. Ich bin mit den Noten sehr zufrieden. In der schriftlichen Prüfung hatte ich in Mathe 13 Punkte, in Deutsch habe ich in der mündlichen Prüfung 12 Punkte bekommen.
F: Bisher war ja oft Deine Familie bei Turnieren dabei - mindestens Vater oder Mutter. Wird dies auch in Zukunft so sein?
A: Diese Frage stellt sich für uns gar nicht! Never change a running system! Es wird so bleiben, wie es bisher war.
F: Wie wird sich Deine Präsenz beim Stuttgarter GC Solitude verändern? Sowohl hinsichtlich Training, aber auch für DGL und Spieltage?
A: Das hängt vom Kalender auf der Tour ab. Wenn ich es in den Kalender einbauen kann, bin ich sehr gerne mit Solitude unterwegs. Wenn es gut passt, werde ich auch weiterhin dort auftauchen. Dieses Jahr war ich bei drei von fünf Spieltagen der DGL dabei. Es wird auch dabei bleiben, dass ich gerne bei dem einen oder anderen Bundesliga-Spieltag meine Mannschaft unterstützen möchte. Ich habe in diesem Jahr aber gelernt, dass sechs Wochen am Stück mit Wettkämpfen doch sehr anstrengend waren. Das würde ich so wahrscheinlich nicht nochmal machen.
F: Was bedeutet es Dir, als Nummer eins des WAGR diesen Wechsel ins Profilager zu vollziehen?
A: Das Ende der Karriere als Amateurin hätte nicht perfekter laufen können. Mit der Mannschaft den Titel bei der Team-EM zu gewinnen und dann auch noch die Nummer eins zu werden, ist einfach nur der perfekte Abschluss meiner Amateur-Karriere. Das ist mehr als nur die Kirsche auf der Sahne der Torte. Da sind auch noch Streusel zur Kirsche mit oben auf der Torte.
F: Welche Pläne hast Du für die kommenden Wochen? Welche Turniere stehen fest bei Dir für die nächste Zeit im Plan?
A: Ich werde mit Stuttgart das Final Four in München spielen. Ansonsten steht ein Mix aus LET und LETAS an. Oberste Priorität ist es, die Karte der LET für 2025 zu sichern. Den Kampf in der Order of Merit der LETAS werden wir nicht brach liegen lassen. Wenn ich nochmal zwei Nägel reinhauen kann, können wir vielleicht auch noch andere Dinge machen. Ansonsten ist ganz klar die erste Priorität die LETAS.
F: Gibt es noch weitere Einladungen und wie wichtig waren Einladungen auf der LET und der LETAS bisher?
A: Ich hatte bisher unglaubliches Glück mit den Einladungen. Ohne einen Status ist es auch in der LETAS schwierig, ins Feld zu rutschen. Da hing alles an einem seidenen Faden. Daher bin ich Bruno Rebeuh sehr, sehr dankbar. Er hat mir den Start bei der Montauban Ladies Open ermöglicht. Durch den Sieg dort hat sich dann einiges bestens für mich gefügt. Ohne diese Einladung hätte es nicht den Lauf mit Sieg auf Sieg gegeben. Bruno Rebeuh hat mir auch einen Start bei der Lacoste Ladies Open de France im September in Aussicht gestellt. Egal, wie die Saison ansonsten weiter laufen wird, kann man eine solche Einladung natürlich praktisch gar nicht ausschlagen.
Das Gleiche gilt für das Tour-Finale der Santander Golf Tour. Iñigo Aramburu hatte mir den Start bei seinem Turnier in Naturavila Golf ermöglicht und hat uns auch schon zum Saisonfinale im Dezember nach Malaga eingeladen.
Anfang Oktober gibt es zudem auch das Saisonfinale der LETAS, wo in der Regel die Tourkarten überreicht werden. Ob es dann notwendig ist, dort zu spielen, wissen wir noch nicht. Aber eigentlich ist es notwendig, dann auch dort vor Ort zu sein.
Es gibt also einige Termine, die mehr oder weniger gesetzt sind und um die herum werden wir meinen Kalender bauen. Ich möchte und werde natürlich meine Dankbarkeit zeigen, weil das eben alles nicht selbstverständlich ist.
Auch die Einladungen durch U.COM Player zu den LET-Turnieren waren für mich sehr wertvoll und auch dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
F: Welche Wünsche und Ziele hast Du hinsichtlich LET und LPGA Tour?
A: Erstmal habe ich keine konkreten Ziele. Ich würde mich gerne auf der LET etablieren und habe durchaus die Ambition, nächstes Jahr ein LET-Turnier zu gewinnen. Die LPGA Tour sehe ich selbst im Moment als noch eine Nummer zu groß an.
F: Solheim Cup und Olympische Spiele sind Deine größten sportlichen Ziele?
A: Das sind einfach meine Traumziele. Für Olympia gibt es ein recht klares Ziel. Für Paris hat es noch nicht gereicht. 2028 bin ich um einiges weiter und das wäre schon ein Meilenstein, ein Ziel, auf das sich konkret hinzuarbeiten lohnt. Beim Solheim Cup kann mit Glück oder einem Capitain´s Pick schneller die Tür aufgehen, aber da der öfter stattfindet, habe ich dafür kein so konkretes Ziel.
F: Welche Wünsche hast Du für die nächste Zeit neben dem Golfplatz? Was möchtest Du gerne sehen, kennenlernen, besuchen und erleben?
A: Ich hoffe, dass ich ohne Schule jetzt bei noch ein paar anderen Sportarten mehr zuschauen kann, vor allem im Winter. Ich werde nebenher Pharmatechnik an der Hochschule Albstadt/Sigmaringen studieren. Bei diesem Studium bin ich sehr frei in meiner Zeiteinteilung. Man legt selbst fest, was man im Semester machen will und kann. Wichtig ist, dass es neben dem Golfsport eine zweite ernsthafte Beschäftigung gibt. Das wird mir dabei helfen, den Kopf frei zu haben. Wechselseitig, um sowohl für Golf, wie auch für das Studium immer einen freien Kopf zu haben. Es gibt ja auch noch ein Leben nach der Karriere als Playing Pro und da passt ein naturwissenschaftliches Studium für mich ganz gut.
F: Wie wirst Du Paris 2024 verfolgen? Immerhin hast Du an gleicher Stelle bei der WM 2022 schlaggleich mit Rose Zhang den tiefsten Einzelscore gespielt und Alexandra Försterling, mit der Du 2022 dort Bronze geholt hast, spielt jetzt bei den Olympischen Spielen für Deutschland…
A: Ich werde mit allen Geräten, die ich finden kann, alle Livestreams anschauen und außer Golf noch ganz viele andere Sachen schauen. Ich kenne Alex Försterling und den Platz ja sehr gut, von daher gibt es eine sehr direkte Verbindung. Ich freue mich aber auch auf andere Sportarten, wie Leichtathletik. Klettern soll ganz toll sein, Tennis und Tischtennis. Für mich ist es einfach spannend, Sportarten anzuschauen, zu denen man gar keinen persönlichen Bezug hat. Bei den Winterspielen habe ich mehr Hintergrundinformationen und persönliche Beziehungen, aber ich freue mich auf die Sommerspiele, auf all die verschiedenen Sportarten!
F: Was ist Dir in diesem Moment des Wechsels noch besonders wichtig?
A: Ich möchte ganz vielen Leuten danken. Um da zu stehen, wo ich heute bin, braucht es wirklich viel Hilfe. Das fängt bei den Clubs an, die für Jugendturniere ihre Plätze zur Verfügung stellen. In den Zeiten können die älteren Mitglieder dann nicht spielen, aber das ist für die Jugend total wichtig. Dann alle Trainer, die mich mit ihrem Engagement immer weiter gebracht haben. Wichtig waren und sind auch der Baden-Württembergische Golfverband und der Deutsche Golf Verband mit allen Gremien, die die Bedingungen dafür schaffen, dass all dies möglich wird.
Angefangen hat alles im Kindertraining beim Golf Club Hammetweil. Mit drei oder vier Jahren wurde dort im Kindertraining soviel Spaß am Golfspiel verbreitet, dass es für mich immer weiter ging. Als Kindergartenkind habe ich in den Sommerferien die Platzreife abgelegt und der DGV hat erstmal nachgefragt, wie das denn geht, ohne lesen zu können. Der GC Hammetweil hat das Thema Regeln aber so kindgerecht abgearbeitet und besprochen, dass die Platzreife kein Problem mehr war.
Das Bambinitraining in Hammetweil war sehr gut, leider ging es danach nicht weiter, aber die Mitglieder kommen teilweise heute noch zu Turnieren, um zuzuschauen. Die Verbindung besteht bis heute und es kommen aus Hammetweil auch immer Glückwünsche. Das Kindertraining in diesem Club war der Anfang von allem. Die Talentiade hat auch einen großen Schub gegeben. In mehreren Stufen ging es immer weiter und am Ende stand der zweite Platz. Dafür gab es damals als Preis einige Trainerstunden. Für ein Kind in Schwaben gibt es das normalerweise nicht, da gibt niemand soviel Geld für eine Trainerstunde eines kleinen Kindes aus. Aber bei diesen Trainerstunden hat man den Wert gesehen. Man hat gesehen, dass es sich lohnt, in Trainerstunden zu investieren. Von daher war die Talentiade eine ganz tolle Veranstaltung, deren Bedeutung für mich sehr groß war.
Und dann kam der Wunsch, in einer Jugendmannschaft zu spielen. Die gab es in Hammetweil nicht, aber in Solitude. Mit neun Jahren bin ich somit zum Stuttgarter GC gewechselt und feiere dort bald mein 10-jähriges Jubiläum.
F: Was möchtest Du noch in einem Satz zum jetzt vollzogenen Wechsel ins Proflager sagen?
A: Einen besseren Abschluss meiner Zeit als Amateurin konnte es nicht geben. Vom Kindertraining mit drei oder vier Jahren in Hammetweil angefangen bis hin zum Sieg mit der deutschen Mannschaft bei der Team-EM, war es ein riesen Spaß. Ich hatte zuletzt wirklich ganz tolle Wochen!
Und ich möchte allen denen, die ich nicht gesondert genannt habe, trotzdem herzlichen dafür danken, dass ich den Weg bis hierhin so gehen konnte. Wir werden weiter geradeaus laufen. Das bestehende System wird weiter laufen und wir werden Verbesserungen gerne annehmen.
Vielen Dank für das sehr offene und intensive Gespräch!
Worte des Bundestrainers
„Helen ist nicht nur eine außergewöhnliche Golfspielerin, sie ist auch eine großartige Sportlerin“, sagt Bundestrainer Stephan Morales. „Mich beeindruckt, dass sie für ihr Alter eine unglaubliche mentale Stärke besitzt. Neben der enormen Länge ihrer Schläge ist sie zudem in der Lage, die Bälle auch bei kniffligen Ausgangslagen präzise zu platzieren. Dass sie nun als Nummer eins zu den Profis wechselt, ist eine super Visitenkarte und zeigt eindrucksvoll, wie stark sie ist. Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass sie den Sprung jetzt wagt.“
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