Regelfest
Schauffele und der Ameisenhügel
2. August 2024 , Daniel Dillenburg
In Runde zwei des olympischen Wettbewerbs in Paris macht Xander Schauffele Bekanntschaft mit einem Ameisenhaufen und hält Rücksprache mit den Referees. Eine straflose Erleichterung fordert er dabei aber nicht ein.
Bei keinem anderen Golfer läuft es aktuell so gut wie beim doppelten Major-Sieger Xander Schauffele. Der amtierende Goldmedaillengewinner aus den USA spielte auch bei den Olympischen Spielen in Paris von Anfang an vorne mit. Am Freitag in Runde zwei im Le Golf National erschwerten ihm dann aber ein paar Ameisen die Arbeit. Auf Loch 13 landete Schauffeles Drive links im dichten Rough. Nicht nur das Gras, in dem sein Ball verschwand, stellte den Weltranglistenzweiten vor eine Aufgabe. Auch ein Ameisenhügel hinter Schauffeles Ball brachte den gebürtigen Kalifornier ins Grübeln.
„Ich ging runter und sah einen Haufen, also rief ich einen Official. Es waren nur Ameisen“, sagte Schauffele nach seiner zweiten Runde zum Vorfall. „Es war ein Ameisenhaufen oder wie immer man es nennen will, und ihr Zuhause; also wollte ich mich nicht damit anlegen. Ich konnte mir keine Erleichterung verschaffen. Es ist ein loser hinderlicher Naturstoff.“ Schauffele wurde keine Erleichterung gewährt. Technisch gesehen hätte er eine Erleichterung nach Regel 16.1 anfordern können, die den Spielern einen straflosen Drop bei ungewöhnlichen Platzbedingungen, einschließlich gefährlicher Tiere, gewährt.
Ameisen keine Bedrohung
Die Ameisen jedoch schätzte Schauffele als harmlos ein: „Ich habe mich von den Ameisen nicht allzu sehr bedroht gefühlt. Ich glaube nicht, dass es dort Feuerameisen gibt. Um ganz ehrlich zu sein, bin ich mir da nicht so sicher.“ Dennoch holte Schauffele eine zweite Meinung ein, da er sich fragte, ob er mit seinem Schläger den losen Sand hinter dem Ball wegkratzen könne. Die erste Offizielle sagte, dass er das könne, aber Schauffele war sich da nicht so sicher. „Ich holte eine zweite Meinung ein, und die sagten, ich dürfe das Gras nicht entfernen, aber mein Tee benutzen, um die Ameisen zu entfernen.
Nachdem er sein Tee benutzt hatte, um den Sand zu entfernen, spielte Schauffele den Ball zurück auf das Fairway. Das führte zu einem von zwei Bogeys an diesem Tag für den formstarken Topstar. Die Führung hatte er nach zwei Runden trotzdem inne. Es läuft zurzeit einfach bei Xander Schauffele. Daran können auch einige Ameisen wenig ändern.
Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:
Dieser Text ist ein schönes Beispiel dafür, wie immer nur das geschrieben wird, was jemand zu sehen oder zu hören glaubt. Sucht man nach weiteren Texten zu dem Fall aus anderen Quellen, werden einmal die Ameisen entfernt, einmal der Sand und das dritte Mal spielt Schauffele den Ball, wie er liegt. Also nehmen wir uns alle Möglichkeiten vor:
a) Der Ball wird gespielt, wie er liegt.
Das ist sicher nicht gut für die Ameisen, aber niemand von uns kann auch nur durch seinen Garten gehen, ohne dabei auf eine Vielzahl von Kleinlebewesen aller Art zu treten. Da die Ameisen nicht in dem Sandhaufen leben, sondern dieser nur aus dem Boden an die Oberfläche gebrachter Sand ist, um unter der Erde für den Ameisenbau Platz zu haben, geht es bei dem Sand nicht um die eigentliche „Behausung“ der Ameisen. Wären die Ameisen einer besonders geschützten Art zuzurechnen gewesen (wie z. B. in Deutschland dir rote Waldameise, die Haufen aus Nadeln von Bäumen anhäuft), hätte es dazu eine Platzregel gegeben. Mangels Nadelbäume kommt diese Sorte Ameisen auf dem Platz aber nicht vor.
b) Die Ameisen werden entfernt.
Das ist sicher im Interesse der Ameisen eine freundliche Idee, aber es werden immer neue aus dem Boden kommen, wenn man an der Oberfläche Ameisen entfernt und diejenigen, die man zur Seite setzt, werden sich bemühen, so schnell wie möglich zurückzukehren, um den Eingang zu ihrem Bau zu verteidigen. Diese Aktion könnte also länger dauern. Allein der Gedanke, dass der Spieler dann endlich mit dem Schläger am Ball steht und es kommt doch noch eine Ameise irgendwo her macht diese Variante des Falls unpraktisch. Aber immerhin wäre es erlaubt.
c) Der Sand wird entfernt.
Es ist kein Wunder, dass hier Durcheinander herrscht. Unter der Definition „Lose hinderliche Naturstoffe“ in den Regeln heißt es erst:
„Würmer, Insekten und ähnliche Tiere, die leicht entfernt werden können und die Hügel oder Netze, die sie bauen (zum Beispiel Aufgeworfenes von Würmern und Ameisenhügel), sowie...“, aber ein Ameisenhügel ist der zitierte Hügel aus Baumnadeln und nicht der „Abraum“, den die Ameisen aus dem Boden gefördert haben.
Dann geht es unter den Ausnahmen in der Definition weiter:
„Sand und loses Erdreich sind keine losen hinderlichen Naturstoffe (es sei denn, es handelt sich um einen Hügel, der von einem Wurm, Insekt oder ähnlichen Tier
gemacht wurde).“
Also darf der Sand doch entfernt werden?
Ja, beide Referees hatten recht, wobei der zweite in seiner Entscheidung berücksichtigt hatte, dass beim Entfernen des Sands auch die Lage des Balls durch dabei gleichzeitig bewegtes Gras verändert würde.
d) Gibt es einen Freedrop wegen „gefährlicher Tiere“ (Regel 16.2)?
Das ist eine Variante, die hier tatsächlich ausgeschlossen werden kann. Als gefährliche Tiere zählen Tiere, die einen Menschen unmittelbar verletzen können. Klassische Beispiele sind Löwen und Krokodile, aber auch südamerikanische Feuerameisen, oder, um ein näherliegendes Beispiel zu verwenden, ein Wespennest. Unsere heimischen europäischen Ameisen sind im Vergleich zu den vorgenannten Tieren ungefährlich. Auch das potenzielle Vorkommen von Wildschweinen, Wölfen oder Zecken im Wald gilt nicht als eine solche unmittelbare Bedrohung, dass ein Freedrop auf dem Fairway zulässig wäre. Sind erstere (Wildschweine / Wölfe) in Sicht, wäre das auch eher ein Anlass, das Spiel zu unterbrechen, denn in welcher Entfernung soll man hier droppen um sich sicher zu fühlen?
Es ist schwer feststellbar, was in Paris wirklich geschehen ist. Alle Lösungen wären (unter dem Vorbehalt des Veränderns der Balllage beim Entfernen des Sands) zulässig gewesen.
Das ist der Grund, warum sich kein Referee wirklich darum reißt, einen Regelfall zu Ameisen beantworten zu müssen.