TEAM-EM

Die Adler-Damen sind Europameister!


13. Juli 2024 , Christopher Tiess


Europameister! Die siegreichen deutschen Damen mitsamt Coach Esther Poburski und Kapitänin Susanne Junge. Nicht mit auf dem Bild ist Mental-Coach Justin Walsh.
Europameister! Die siegreichen deutschen Damen mitsamt Coach Esther Poburski und Kapitänin Susanne Junge. Nicht mit auf dem Bild ist Mental-Coach Justin Walsh. | © DGV

In einem packenden und lange ausgeglichenen Finale gegen Frankreich hat die deutsche Damenmannschaft den längeren Atem und siegt am Ende verdient mit 4,5:2,5.

Eines kann man auf jeden Fall mit guten Gewissen sagen: Es war von Beginn an ein äußerst hochklassigen Match auf des Messers Schneide. Und auch an diesem letzten Spieltag der Mannschafts-Europameisterschaften wurden viele Löcher mit Birdie nicht gewonnen, sondern gerade einmal geteilt. Doch die deutschen Damen schlugen sich geradezu vorbildlich. Zunächst gelang es beiden deutschen Vierern, in Führung zu gehen. 

Knappe Vierer

Helen Briem (Stuttgarter GC Solitude) und Celina Sattelkau (GC St. Leon-Rot) lagen gegen Constance Fouillet und Valentine Delon (FRA) nach fünf Bahnen sogar 3auf. Zum Ende der Front Nine jedoch hatten sich die Französinnen zurückgekämpft und das Match lag all square. Früh auf den Back Nine gerieten Briem und Sattelkau dann 1down in Rückstand. 

Sie kamen zwar an Bahn 12 nochmal zum all square zurück, doch der Ausgleich hielt nur für eine Bahn, denn die 13 ging erneut an Fouillet und Delon. Und diesen Spielstand hielten die Le Bleues auch bis zum Schluss. Briem und Sattelkau, die bislang jeden Vierer gewannen, müssen nun am 18. Grün eine Niederlage per 1down hinnehmen, nachdem sie das letzte Grün abermals per Birdie teilen mussten.

Mit mehr Glück waren da Paula Schulz-Hanßen (GC St. Leon-Rot) und Charlotte Back (GC St. Leon-Rot) unterwegs. Der St.-Leon-Rot-Vierer trat gegen Gala Dumez und Louise Reau (FRA) an. Wie schon erwähnt, gelang es den beiden Heidelbergerinnen, eine frühe Führung per 2auf zu erkämpfen. An Bahn 11 lag das deutsche Dream-Team sogar 3auf. An den Bahnen 14 und 15 kamen dann aber auch hier die Französinnen zurück und plötzlich stand es nach Bahn 16 sogar all square.

Und mit genau diesem all square ging es dann auch in die Verlängerung. Mit knappen Entscheidungen spielte der Vierer erneut unter sonnig heißem Wetter ganze drei Extralöcher, bis die Französinnen dann an Bahn 3 einen Putt aus 1,30 Metern vorbeischoben und Charlie Back ihrerseits einen kurzen Putt versenken konnte. Der erste Punkt für die Deutschen! Und 45 Minuten Verspätung in den Einzeln aufgrund des Stechens.

Der RSHECC im Norden von Madrid: Eine wahre Augenweide und zudem ein sportlich anspruchsvoller Golfplatz.
Der RSHECC im Norden von Madrid: Eine wahre Augenweide und zudem ein sportlich anspruchsvoller Golfplatz. | © DGV

Eisenbeiß hält ihr Spiel offen

Mit ausgeglichenem Spielstand ging es nun in die Einzel. Und immer wieder haben auch hier viele der Birdies nur zum Teilen der Löcher gereicht. Golfsport auf höchstem Niveau und mit höchster Spannung - dem Finale einer Mannschafts-Europameisterschaft auf jeden Fall mehr als würdig. Damit in diesen fünf Duellen eine der Kontrahentinnen eine Bahn erkämpfen konnte, musste schon viel passieren.

Die Front Nine der Einzel war von vielen All Squares geprägt. Eine Ausnahme und dennoch das wohl bezeichnendste Match war das Duell zwischen Christin Eisenbeiß (Hamburger GC) und Constance Fouillet (FRA). Die Falkensteiner Bundesliga-Spielerin gelang nämlich schon früh in Rückstand, konnte sich aber immer wieder mal von 2down auf 1down zurückkämpfen. Fouillet hatte allerdings bereits in der Zählspielphase gezeigt, dass mit ihr jederzeit zu rechen ist und die Französin ließ auch partout nicht locker. 

Christin Eisenbeiß hingegen hat eine besondere Stärke, nämlich ihre Willenskraft. Und genau damit kämpfte sie sich immer wieder zurück und nutzte die Chancen, die Fouillet ihr gab: an Bahn 14 musste die Französin einen zweiten Schlag vom Tee in Anspruch nehmen und Eisenbeiß gewann das Loch direkt zum all square. Bahn 15 dann der Konter von Fouillet mit Birdie und der abermaligen französischen Führung. 

An Bahn 16 der erneute mutige Konter von Eisenbeiß und der Ausgleich zum All Square. Auch Bahn 17 teilten die Beiden. An Bahn 18 hatte die Norddeutsche dann tatsächlich die Chance, einen knapp vier Meter langen Putt zum Sieg zu machen - das wurde allerdings nichts. Doch das Wichtigste war: die Partie mit der wohl größten Siegchance für Frankreich war am Ende komplett offen und ging ins Stechen.

Immer wieder die 14!

Wie stark gespielt wurde, zeigt sich allein auch an diesem Fakt: Frankreich hatte allein in den Einzeln zur Halbzeit drei Chip Ins! Doch wie schon angedeutet, drehte sich der Vorteil der Équipe Tricolore zu einem Ausgleich. Und dann wanderte das Momentum tatsächlich in Richtung Schwarz-Rot-Gold. Immer wieder war es - wie schon bei Christin Eisenbeiß - die 14. Spielbahn, die die Wendung brachte. Beinahe schon absurd, dass es genau diese Bahn war, die der deutschen Jungen-Nationalmannschaft im fernen Diamond Country Club so ungut im Gedächtnis blieb.

In jedem Fall sollte auch auf die so unfassbar starke und bislang stets liefernde Paula Schulz-Hanßen (GC St. Leon-Rot) wieder Verlaß sein. In ihrem Spiel gegen Inès Archer (FRA) ging Schulz-Hanßen zunächst früh in Führung, lag nach sechs Bahnen jedoch wieder all square. Dann wieder 1auf. Dann Archer an Bahn 9 mit einem der Chip In zum Birdie und plötzlich liegt das Match wieder all square. Es war zum Haare raufen knapp und spannend. 

Und es blieb ausgeglichen bis zur besagten Bahn 14. Erneut konnte Schulz-Hanßen in Führung gehen, teilte die 15 und während die Welt gespannt auf das weiter vorne laufende Duell zwischen Eisenbeiß und Fouillet schaut, macht die St. Leon-Roter Spielerin plötzlich den Sack zu und holt den zweiten deutschen Punkt per 2&1. Paula Schulz-Hanßen schafft damit das seltene Kunststück, in allen sechs Matchplay-Duellen dieser Europameisterschaft zu siegen!

Den dritten Punkt steuerte dann Helen Briem (Stuttgarter GC Solitude) gegen Gala Dumez (FRA) bei. Lange war das Match ausgeglichen. Doch auch hier war es um Bahn 14 herum, als das Momentum griff. Briem, die Weltranglisten-Zweite, erhöhte genau hier zum 2auf und legte an der 15 zum 3auf nach. Und weil sie es gerne deutlich mag, folgte für die Jüngste im deutschen Team auf Bahn 16 ein weiterer Lochsieg und der Endstand lautete 4&2. 

Da ist das Ding! Endlich können die deutschen Damen den Pokal in der Hand halten.
Da ist das Ding! Endlich können die deutschen Damen den Pokal in der Hand halten. | © DGV

Horder mit dem wichtigsten Punkt

Erstmals führten nun die deutschen Damen. Und sie hatten noch heiße Eisen im Feuer. Zwar musste Charly Back ihren Punkt nach langem Fight gegen Louise Reau (FRA) per 1down am letzten Grün abgeben. Doch das war verschmerzbar, denn die Gegenspielerin von Christin Eisenbeiß hatte ihren Ball gerade ins Wasser geschlagen und damit das Tor zum deutschen Sieg weit geöffnet.

Doch die Entscheidung fiel woanders. Nämlich im Duell von Chiara Horder (GC München Valley) gegen Valentine Delon (FRA). Auch Horder geriet früh unter Druck, holte sich jedoch Loch 4 mit einem großartigen Putt und kämpfte sich bis Bahn 5 zum all square zurück. An Bahn 7 dann wieder 1down. Dann wieder all square. Das alte Spiel. Die Klügere gibt nach? No Way! An Bahn 9 ein großartiges Par-Save mit eingelipptem Ball - und weiter all square. Unfassbare Spannung. 

Doch dieses Mal reichte es Kiki Horder. Nach der demütigenden 7&5 Niederlage gegen Andrea Revuelta im Viertelfinale und dem entrissenen Punkt per 3&2 im Halbfinale gegen Beth Coulter, war es einfach genug. Und als wenn es in einem Drehbuch stehen würde, war es auch hier Bahn 14, die von der Münchnerin gewonnen wurde. Bahn 15 verteidigte sie erfolgreich und ging dann an Bahn 16 2auf. 

An Bahn 17 wollte Delon es nochmal ganz genau wissen. Mit einem Hail-Mary-Schlag brachte sie ihr Holz bis auf zwei Meter Entfernung an den Flaggenstock. Für sie zählte jetzt jede kleine Chance. Horder blieb Pin high links vom Grün. Doch Delon konnte ihren Vorteil nicht nutzen und Chiara Horder teilte das Loch zum Punktsieg gegen Delon sowie zum Sieg zur Europameisterschaft. Als ob sich die Sieger der The Women´s Amateur Championship 2023 ihren Trumpf für die wichtigste Szene der gesamten Team-EM aufgehoben hat. Der Thriller, das Happy End, einfach perfekt!

Die Match Winnerin zieht ein Fazit, das Mannschafts-dienlicher nicht sein könnte: „Es war ein Mega-Tag!!! Es war natürlich unser Ziel, hier zu siegen. Wir haben alle dafür gekämpft und dass es jetzt geklappt hat ist super! Celina Sattelkau hat im Rahmen der Siegerehrung eine bewegende Rede gehalten und sagt nun: „Der Sieg ist einfach unglaublich! Wir sind mit dem Ziel hierher gefahren, Europameister zu werden. Dass es jetzt geklappt hat, ist einfach der Wahnsinn. 

Obwohl wir im Zählspiel nicht dominiert haben, haben wir uns im Matchplay solide gezeigt und am Ende den Titel gewonnen. Die Matches waren schon hart aber sehr fair, und am Ende haben wir gezeigt - jede einzelne - wie gut wir sind und dass wir es zurecht verdient haben, Europameister zu werden. Ich war eigentlich die ganze Zeit relativ entspannt, denn wir können uns aufeinander verlassen. Vom letzten Jahr noch mal einen drauf setzen zu können, ist einfach der Wahnsinn und wir sind überglücklich!“

Ein Sieg für das große Ganze

Coach Esther Poburski ringt in ihrem Fazit förmlich nach Worten: „Ich kann’s kaum beschreiben. Das war ein unglaublich gutes Golf der Mädels. Und ich muss auch Frankreich ein riesiges Kompliment machen - das war heute von beiden Teams Golfsport auf einem unfassbaren Niveau. Das Ganze ist noch gar nicht richtig bei uns angekommen. Wir sind als Team gewachsen. Wir sind breiter aufgestellt und einfach nochmal deutlich besser geworden. Die Mädels sind mit uns gewachsen - und wir mit den Mädels.

Wir haben uns letztes Jahr in die Hand versprochen: wir kommen zurück und holen das Ding. Denn Ende des Jahres werden sicherlich ein oder zwei aus dem Team Profis und das war die letzte Möglichkeit, in dieser Konstellation etwas zu schaffen. Die Mädels sind miteinander groß geworden, mit dem Betreuerteam vom NK1 bis zu den Damen. Ein sehr gewachsenes Team und ein bisschen wie Familie. Insofern war das ein toller Abschluss für einige von uns und einfach eine tolle Geschichte. 

Ich freue mich wahnsinnig für die Girls. Und ich muss sagen: Sie haben das beeindruckend gemacht. Das ist hier ein wahnsinnig schwerer Golfplatz. Aber hier hat einfach alles sehr gut funktioniert - alle Räder haben ineinander gegriffen. Auch das Betreuer-Team - sei es unser Stab hier vor Ort mit Kapitänin und Physio-Coach Susanne Junge oder unserem Mental-Coach Justin Walsh. 

Aber auch die gesamte Vorbereitung und Betreuung durch die Bundestrainer Sebastian Rühl und Stephan Morales, durch Chris Marysko und die vielen anderen. Durch Marcus Neumann über Katja Bayer, Kathrin Vignogna und ich habe bestimmt noch viele vergessen, die es verdient haben, erwähnt zu werden. Wir haben heute etwas erreicht, worauf ganz viele Menschen ganz lange Zeit intensiv drauf hin gearbeitet haben.“

Und um das Podest in Gänze darzustellen: Im Spiel um Platz drei siegt England gegen Irland deutlich mit 5:2.

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Finale!

12. Juli 2024