Gesagt...
Stimmen zum historischen Erfolg
24. Juni 2024 , Stefan Bluemer
Helen Briem landet als Amateurin das fünfte Top-Ergebnis im Kreise der Profis in Folge, davon den dritten Sieg in der LET Access Series hintereinander. Damit ist die Spielerin des Stuttgarter GC Solitude die erste Athletin überhaupt, der diese Erfolgsserie gelingt.
Helen Briem hat Golf-Geschichte geschrieben. Nach Runden mit 70, 62 und 70 Schlägen gewann die 18-Jährige das Santander Golf Tour-Avila und holte sich damit den dritten Titel in Folge auf der LET Access Series. Das hatte vor ihr noch niemand geschafft.
Die fabelhafte 62 (-10) am zweiten Tag war nicht nur ein neuer Platzrekord, eine neue persönliche Bestleistung, sondern auch die Einstellung des niedrigsten Scores auf der LETAS überhaupt. Und dies alles, obwohl Helen Briem noch als Amateurin am Anfang ihrer Karriere steht.
Unfassbar toll
Neben den beeindruckenden Schläge überzeugte die Spielerin des SGC Solitude in Spanien erneut mit einer überragenden mentalen Stärke. Ihre historischen Sieg kommentierte die Stuttgarterin sehr gelöst: „Die letzten Wochen waren schon unfassbar toll, angefangen mit dem elften Platz in Berlin. Mit ausschlaggebend für die drei LETAS-Siege war die Woche in Helsingborg. Zum einen hat sie mir gezeigt, dass ich in der Lage bin, auch auf der LET zu gewinnen. Das gab natürlich enormes Selbstvertrauen. Zum anderen war auch mein Spiel auf einem sehr ordentlichen Niveau. Das habe ich nach Montauban mitgenommen. Und von da aus dann eben nochmal weiter. Dass ich jetzt nach der kurzen Zeit mit 1.500 Punkten in der Rangliste der LET Access Series mit Abstand ganz vorne stehe, ist natürlich für den weiteren Verlauf der Saison sehr wertvoll, da ich so etwas variieren kann. Die tiefen Runden mit 62 und 64 Schlägen waren natürlich auch definitiv Highlights der letzten Wochen. Jetzt freue ich mich auch auf ein paar Tage Pause und dann vor allem auf die Team-Europameisterschaften.“
Helen Briem wird mit der Nationalmannschaft vom 9. bis 13. Juli wieder einige Kilometer nördlich der spanischen Hauptstadt Madrid antreten – wie schon bei ihrem historischen Sieg, den sie wenige Kilometer weiter westlich feiern durfte.
Mit Spannung geht der Blick auf das World Amateur Golf Ranking. In der Weltrangliste der Amateure hatte es noch nie Schwarz-Rot-Gold ganz an der Spitze gegeben. Vor ihrem dritten Sieg bei den Profis wurde Helen Briem in dem Ranking, bei dem College-Golferinnen mehr Chancen haben, wertvolle Punkte zu sammeln, auf Rang vier geführt. Ob die Plätze elf und zwei auf der LET und dann drei Siege auf der LETAS reichen, um nach ganz vorne zu klettern, wird bei der nächsten Aktualisierung in diesen Tagen sichtbar.
Erwachsene Spielerin
Bundestrainer Stephan Morales sieht den Prozess, eine komplette Spielerin zu werden, bei Helen Briem von Woche zu Woche voranschreiten: „Ich habe jetzt schon ein paar mal gesagt, dass mich ihr Erfolg nicht sonderlich überrascht, weil sie auf mich einen sehr, sehr aufgeräumten Eindruck macht. Sie weiß sehr gut, wie stark sie ist. Sie weiß aber auch genauso gut, was momentan noch verbesserungsfähig ist und entsprechend spielt sie auch. Sie spielt mittlerweile durch ihre Erfahrung, die sie auch in Amerika auf sehr, sehr schwierigen Plätzen gemacht hat, taktisch und strategisch mit Sicherheit besser als das noch vor ein, zwei Jahren der Fall war. Helen zeigt eine wirklich solide mentale Stärke. Sie ist sich schon darüber bewusst, dass der dritte Sieg in Folge auf der LETAS was ganz Besonderes war und dass sie damit ein Stück weit Historie schreiben konnte. Wenn man dann auf der Finalrunde nach neun Löchern auf der 10 einen Doppelbogey spielt und die Verfolger kommen dann doch recht nahe, dann gibt es durchaus schon mal den einen oder anderen Spieler, der in der Schlussrunde anfängt, nachzudenken. Das hat sie mit Sicherheit auch, aber sie zeigt, dass sie damit umgehen kann und hat ja auch direkt mit einem weiteren Birdie gekontert. Helen bekommt dann keine zittrigen Hände, sondern sie kann dann noch weiter das abrufen, was momentan bei ihr möglich ist. Sie hat danach noch zwei Birdies gespielt und hat es dann recht ruhig, wissend, dass da halt auch ein Bogey am Ende reicht, um zu gewinnen, recht sicher nach Hause gespielt. Helen macht das alles nicht nur gut, sondern sie macht auch einen sehr fortgeschrittenen Erwachsenen-Eindruck und deswegen bin ich mir auch sicher, dass sie mit einem Tal irgendwann auch ganz gut umgehen kann.“
Weg vorgezeichnet
Marcus Neumann hat als Vater der Vision Gold großen Anteil daran, dass in den letzten Jahren mehr und mehr Talente aus Deutschland auf die Touren kommen und dort auch Siege landen. Somit ist auch der dritte Sieg von Helen Briem auf der LETAS ein weiterer Schritt in der Karriere des großen Talents, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: „Dieser Hattrick bedeutet zwar noch nicht, dass Helen die Spielberechtigung für die LET im nächsten Jahr sicher erreicht hat. Verdient hätte sie sich das allerdings mit diesem historischen Mega-Erfolg schon jetzt. Aber mal ehrlich, wer will ihr das jetzt noch streitig machen? Ich rechne fest mit der notwendigen Top-Platzierung, die dazu führt, dass wir Helen nächstes Jahr auf der First-Level-Tour in Europa spielen sehen werden. Und nach allem Dafürhalten wird sie auch auf der LET nicht lange verweilen“, sieht der ehemalige Damen-Bundestrainer und heutige Vorstand Sport im DGV den Weg auf die LPGA Tour für Helen Briem klar vorgezeichnet.
Vater und Caddie
Vater Jochen Briem, der als Caddie seit 14 Turnieren ohne Unterbrechung die Erfolge von Helen Briem so direkt wie sonst niemand, nämlich am Bag, miterlebt hat, kann man mit dem Lachen gar nicht mehr aufhören: „Es ist beeindruckend. Helen wird kaum noch nervös, wenn es eng wird. Sie hat inzwischen genug Erfahrung. Und wenn es einmal läuft, kommst Du in einen Flow. Bei der 62 haben wir gar nicht mehr mitgezählt. Auf den beiden anderen Runden war das Spiel nicht viel schlechter, aber manchmal springen die Bälle optimal und manchmal fallen die Putts nicht. Helen hätte schon in der ersten Runde gut fünf oder sechs unter Par spielen können. Die zweite Runde war natürlich super, bei den anderen Runden war der Score etwas unter Wert. Insgesamt hat Helen ganz viel Sicherheit im Spiel, denn sie hat ja auch den Vergleich zu den anderen Spielerinnen aus dem Ping Junior Solheim Cup und dem Junior Ryder Cup. Die bekommen ja auch Einladungen zu Profi-Turnieren und spielen dann oft auch vorne mit. Helen hat mit 16 schon gut auf der LETAS mitgehalten. Es war also jetzt nicht utopisch, Turniere zu gewinnen. Mit der Erwartung fährt Helen zu einem Turnier. Sie fährt hin, um zu gewinnen, ist sich aber auch im Klaren, dass beim nächsten Turnier für alle der Zähler wieder bei Null steht. Jeder Platz hat seine Challenge. Helen kann sich aber gut auf jede neue Situation einstellen, diese annehmen und das Beste daraus machen. In Spanien ist ihr wieder gut gelungen, ihre Länge auszuspielen. Dadurch hat sie taktisch clever Hindernisse rausgenommen und fast alle Par 5 mit Birdie gespielt. Auch bei den Par 4 hat sie eine top Quote, weil sie fast immer durch hohe und gerade Schläge ihrer Taktik treu bleiben kann: Immer voll auf die Fahne zu gehen.“
Als Amateurin im Feld von Profiturnieren zu stehen, bringt nicht immer sofort nur Spaß. Gerade wenn etablierte Stars die Talente zunächst im besten Fall ignorieren, ist dies für die Stimmung im Flight manchmal nicht nur zuträglich. Hier siegt Jochen Briem einen großen Vorteil, wenn er am Bag ist: „Ich bin froh, dass wir zu zweit bei den Turnieren sind. Ich fange vieles auf und fungiere immer auch als Schutzschild. Je öfter Helen dann tolle Schläge macht, desto eher tauen auch die großen Namen auf. Inzwischen bekommt Helen für ihre Erfolge viel Anerkennung und Nachrichten von Spielerinnen, mit denen sie Runden gespielt hat. Mit diesem Rückenwind wächst auch das Standing bei den Profis. Auf der LETAS wird Helen sehr respektiert und hat mit allen Konkurrentinnen aus der Top Ten gespielt. Schon schön, dass ihr nach dem Sieg alle sehr herzlich gratulieren.“
Einen großen Vorteil hat die Vater-Caddie-Konstellation: Helen und Caddie Jochen ticken in vielen Situationen gleich. Da reicht oft die nonverbale Kommunikation, um mit großem Vertrauen den nächsten Schlag anzugehen. Daher gibt es aktuell auch keine Gedanken daran, diese Kombination zu verändern: „Wir nehmen eine Stufe nacheinander. Wir machen uns über vieles Gedanken, aber noch nicht darüber, einen Profi-Caddie zu suchen. Das wären drei Stufen auf einmal. Ich kann ihre Körperhaltung lesen und habe dann schnell eine Antwort, wenn sie mal eine Frage zur Taktik hat. Da geht es immer um ihre Sicherheit. Wenn Helen will, werde ich sie weiter unterstützen. Aktuell ist es wichtig, für sie alles rund zu machen. Auch im Rahmenprogramm. Wir unternehmen oft etwas, um auf andere Gedanken zu kommen. Für den Kopf ist die Abwechselung wichtig, um am nächsten Tag wieder frisch auf den Platz zu kommen. Ich schaue immer darauf, dass es Helen gut geht. Wir machen immer, was sie will, wenn wir alleine reisen.“
Da die Hauptaufgabe des Caddies nicht darin besteht, die Puttlinie zu lesen, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass die Athletin erfolgreich spielt, ist die Kombination Vater Jochen und Tochter Helen derzeit ganz offensichtlich fast unschlagbar. Wobei auch Jochen Briem völlig klar ist: „Golf und Demut spielen miteinander.“ Auch eine Helen Briem wird nicht jedes Turnier gewinnen können. Aber die Voraussetzungen dafür, noch etliche Siege zu sehen, stehen sehr gut.
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