Menschen
„Stärke ist mehr als nur Muskeln“
20. Oktober 2023 , Thomas Kirmaier
Stefanie Merchel ist Direktorin von WINSTONgolf, wo es vor wenigen Wochen eine Premiere in Sachen deutsche Tour-Events gab. Golf.de hat sich mit ihr über Führung, Flexibilität, Frauenquoten und mehr unterhalten.
- Frau Merchel, wie sind die Senior Open 2023 aus Sicht des Gastgebers WINSTONgolf verlaufen?
Wir hatten dieses Jahr herrliche WINSTONgolf Senior Open. Wir waren nach ein paar Jahren endlich mal wieder auf dem WINSTONlinks-Course, was für Profis und Amateure eine Challenge und Freude zugleich ist. Somit gab unser Inlands-Linksplatz die Grundlage für viel Gesprächsstoff nach den Runden. Das absolute Highlight für uns alle war die erste weibliche Teilnahme auf Profi-Niveau. Ein gemischtes Profi-Format gab es in Deutschland bisher noch nicht. Zudem konnten wir bei herrlichem Sonnenschein die Atmosphäre genießen. Das WINSTONgolf-Team freut es immer sehr, wenn es so richtig aufdrehen kann und viele Menschen umsorgen darf, die seit vielen Jahren treue Helfer, Unterstützer und Gäste der WINSTONgolf Senior Open sind. Wenn nach Monaten der Vorbereitung am Ende alle zufrieden die Heimreise antreten, macht uns das glücklich und es tritt nach einer guten Mütze voll Schlaf direkt die Vorfreude auf die WINSTONgolf Senior Open im kommenden Jahr ein.
- In diesem Jahr waren erstmals die besten LET-Frauen der Altersklasse Ü45 im Feld. Quasi ein Duell Männer gegen Frauen. Wie kam der neue Modus bei Zuschauern und Spielern/Innen an?
Ich kann hier stolz berichten, dass ich nur positives Feedback zu dem neu aufgestellten Spielerfeld wahrgenommen habe. Profis, Amateure und Zuschauer haben es als Bereicherung für das Turnier empfunden. Wir möchten in jedem Fall daran arbeiten, diese Version beizubehalten bzw. auszubauen. Auch die Damen selbst haben nach dem Turnier mit uns gesprochen und ihr Interesse bekundet, im nächsten Jahr wieder dabei sein zu wollen. Das Fazit meinerseits lautet definitiv: mehr davon!
- Sie sind Direktorin einer der bekanntesten Golfanlagen in Deutschland. Wie ist bei WINSTONgolf das Verhältnis zwischen Frauen und Männern bei den Mitarbeitern?
Das Verhältnis ist absolut ausgeglichen. Es gibt Bereiche, wo es klassischerweise mehr Männer gibt, dazu gehört z.B. das Greenkeeping-Team. Hier steckt aber in keinem der Bereiche eine Strategie dahinter. In meinem zehnköpfigen Führungsteam haben aktuell die Frauen aber doch die Nase vorn. Inklusive mir sind es sieben Frauen und drei Männer. Ich liebe es, Menschen auf ihrer Entwicklungsreise zu begleiten und bin sehr stolz, was diese Frauen in den letzten Jahren für sich erreichen konnten. Grundsätzlich halte ich sehr heterogene Teams sowohl im Geschlecht als auch in den Altersklassen für sehr sinnvoll, da sie sich in allen Belangen gut ergänzen können und voneinander lernen können. Da der Arbeitnehmermarkt in unserer Branche seit Jahren sehr angespannt ist, muss man es ja oft so nehmen, wie es ist. Derzeit ist dadurch die viel größere Herausforderung, dass wir sehr internationale Mitarbeiter bei WINSTONgolf haben aus aktuell zwölf Ländern. Sprachen, Fachwissen, Religionen etc. fordern im Bereich Onboarding, Kommunikation und Ausbildung viel Zeit und Kreativität von uns.
WINSTONgolf
- Was machen Frauen auf Führungsebene - wenn überhaupt - anders als Männer?
Eine spannende Frage. Grundsätzlich haben Männer immer auch weibliche Anteile und Frauen männliche. Ich denke evolutionär bedingt gehen Frauen die Dinge manchmal auf eine andere Weise an als Männer und nehmen Dinge aus anderen Perspektiven wahr. Hierbei sind mir die verschiedenen Perspektiven wichtiger als das Geschlecht. Aktuell arbeiten wir gerade in einer Zeit, in der das Thema „Wie möchten wir Zusammenarbeit und Arbeit in der Zukunft gestalten?“ entscheidend ist, um das Überleben von Unternehmen zu sichern. Es zählt also nicht nur IQ, sondern zusätzlich auch EQ. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass agile Unternehmensführung die Mitarbeiter auf eine neue Art und Weise fordert. Hierfür braucht es auch neue Denk- und Herangehensweisen. Über Gefühle wird heutzutage auch im Business gesprochen. Und das ist gut so. Wie dürfen wir sein und uns wahrnehmen und somit unsere Arbeit gestalten. Auch psychische Erkrankungen sind kein Tabu mehr im Job, sondern werden integriert. Das freut mich besonders, denn so viele Menschen können dadurch mit einem Gefühl von Sicherheit zur Arbeit gehen. Agil sein heißt aber auch, dass die eigene Disziplin, Struktur und Kommunikationsfähigkeit sehr entscheidende Skills sind. In meinem Führungsteam sind Frauen, die das wirklich richtig großartig umsetzen. Aber keine Sorge, die Männer sind längst dabei, aufzuholen. Sie legen ältere Führungsansätze ins Regal und probieren es mal auf eine neue Art. Stärke hat also nicht mehr nur etwas mit Muskeln zu tun, sondern auch mit Umgang mit Emotionen. Männer und Frauen zusammen wird immer die beste Lösung bleiben und ohne Männer wäre es doch auch echt nicht schön (lacht).
- Fällt Ihnen eine Situation aus Ihrem Berufsleben ein, in der man Sie hat spüren lassen, dass Sie eine Frau sind?
Ja absolut. Das bringt mich direkt zum Schmunzeln. Darüber könnte ich Bücher schreiben. Zudem bin ich seit nun bald 14 Jahren Führungskraft in einer traditionell eher männlich geprägten Branche, die sich gern über Handicaps miteinander misst. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass sich hier aktuell viel verändert. Jungs und Mädchen werden nicht mehr ganz so klischeehaft erzogen, wie es vielleicht früher der Fall war. Somit tragen die jüngeren Menschen andere Themen ins Business als den Vergleich zwischen den Geschlechtern. Wenn mich eine neue weibliche Führungskraft fragen würde, was mein Tipp wäre, um damit umzugehen, würde ich sagen: „Hör dir trotzdem gut an, was die Männer sagen und nimm dir das davon raus, was dein persönliches Wachstum fördert. Umgekehrt natürlich genauso. Jeder kann immer von jedem lernen. Wenn jemand dich auf eine negative Art und Weise etwas spüren lässt, lächle verständnisvoll und geh weiter, es ist sein Thema und nicht deines!“ Grundsätzlich sind die Situationen, in denen man Entscheidungen treffen muss, so unterschiedlich, dass eine Bandbreite an möglichen weichen oder harten, alten oder neuen Herangehensweisen zu haben, sehr nützlich sein kann. Denn selten funktioniert in der heutigen Komplexität alles gleich mit Plan A.
- Nehmen Sie eine Veränderung wahr, dass mehr Frauen in die Golfbranche drängen?
Ob es generell mehr sind, ist schwierig einzuschätzen. Mein Gefühl ist, sie sind tatsächlich häufiger auch im Management anzutreffen. Auf den großen Golf-Branchentreffen ist aber die Männerquote definitiv noch deutlich höher.
- Sie sind nicht nur für Golf, sondern auch für das angeschlossene Gut Vorbeck verantwortlich. Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick, in einen „normalen“ Arbeitstag.
Ein normaler Arbeitsalltag… hmm. Ist nicht existent. Seit März 2017 darf ich WINSTONgolf führen und leiten, seit diesem Jahr nun auch Gut Vorbeck. Ich habe eine sehr klare Vision von Unternehmensführung. Kurz und knapp gesagt lebe ich einen sehr philanthropischen Ansatz im Bereich Personalstrategie. Dazu liebe ich Zahlen und Wirtschaftlichkeit und das i-Tüpfelchen für mich ist, auch vom Look & Feel einen Ort zu schaffen, an dem alle Interessengruppen (Gäste, Mitarbeiter, Partner, die Natur etc.) es lieben zusammenzukommen. Die Komplexität, die hohen Ziele, die wir uns setzen, die Herausforderungen des Marktes und das geopolitische Geschehen sind seit ein paar Jahren so volatil, dass wir stetig neu priorisieren und unser Denken und Tun anpassen müssen. Das fordert von mir, dass ich stets sehr anpassungsfähig bleibe und gleichzeitig die große Vision nie aus den Augen zu verliere. Meinen Kalender sortiere ich mehrmals pro Woche um, um zum einen alle To dos und Termine zu schaffen und gleichzeitig Zeit zum Denken, Rechnen, für eigene Weiterbildung und für Kreatives habe.
- Welche Vor- und Nachteile bringt der Job im Golf-Management mit sich? Haben Sie Ihren Traumjob gefunden?
Ein Vorteil ist auf jeden Fall, mitten in der Natur zu arbeiten. WINSTONgolf liegt im Herzen Mecklenburgs. Allein mein Weg zur Arbeit ist gesäumt von Seen, Wäldern und Feldern. Über alle Jahreszeiten hinweg liebe ich es, die Natur zu beobachten und die Schönheit von WINSTONgolf genießen zu können. Sobald ich in einer Großstadt bin, merke ich schnell, dass ich mir das gar nicht mehr für meinen Alltag vorstellen kann. Ich würde sagen, mein Traumjob hat mich gefunden. Ich kann mich immer für Neues begeistern und als ich damals 2010 plante, für ca. ein Jahr bei WINSTONgolf zu arbeiten, habe ich mich schlichtweg verliebt. Meine Grundsteine sind Betriebswirtschaft und Tourismus und hier in unserem Golfresort kann ich das absolut ausleben. Zudem wird mir viel Vertrauen geschenkt, es auf meine Art und Weise tun zu dürfen. Dafür bin ich extrem dankbar.
Alle News & Infos zum Projekt Traumjob Golfplatz > > >
- Vor welchen großen Herausforderungen steht der deutsche Golfmarkt aus Ihrer Sicht und wie können bzw. müssen sich die Clubs und Anlagen zukunftssicher aufstellen?
Wir stehen vor vielen Herausforderungen, das ist sehr klar. Digitalisierung und KI, Wirtschaftlichkeit, Personal, Klimaschutz, Wassermanagement, Transformierungsthemen… Die Liste ist tatsächlich sehr lang. Um so mehr brauchen wir diverse Teams mit sich ergänzenden Skills, die sich diesen Themen annehmen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Zusätzlich müssen sie bereit sein, diese Lösungen aber auch schnell wieder neu zu denken, wenn die nächste Krise da ist. Bei all dem die Leidenschaft und den Spaß beizubehalten aufgrund der vielen Herausforderungen ist auch ein Thema auf der Liste, womit wir uns beschäftigen müssen.
- Wann und wo war Ihre letzte Golfrunde und wie überzeugen Sie nicht golfende Freunde und Bekannte, dass sie es unbedingt einmal ausprobieren sollten?
Das ist tatsächlich eine Frage, die mir nie Frauen stellen, aber gern die Männer. Spannend, oder? Ich finde Golf ist ein fantastischer Sport bzw. eine wunderbare Art, seine Freizeit zu verbringen. In der Natur sein, sich bewegen, mit einem netten Flightpartner dabei zu reden. Und das promote ich auch aus innerer Überzeugung an Bekannte und Freunde. Ausprobieren auf dem Platz und nicht nur auf der Range ist dabei mein Tipp an jeden. Handicaps und Turniere interessieren mich persönlich gar nicht. Ich mag es locker und entspannt auf dem Platz angehen, da ich genug Challenges in meinem Arbeitsalltag habe. Golf ist für mich Entspannung. Meine letzte Runde? Eine kleine After-Work-Runde auf unserem Par 3-Course WINSTONkranich. Ich liebe unseren 9-Loch-Platz, er vereint die sportlichen Elemente beider unserer großen Plätze und ich bekomme ihn besser in meinem Terminkalender unter.
- Welche Fragen stellen Ihnen denn gerne Frauen und nie Männer?
Business-Ladies sind in ihren Fragen immer sehr schnell auf operativer Ebene. Sie fragen ganz direkt: „Wie machst du das? Welche Software nutzt ihr für das? Wie organisierst du das?“ etc. Männer fragen nach Handicap und der letzten Golfrunde, Frauen möchten jede Minute Wissen und Netzwerke für ihr eigenes Business erfahren und nutzen. Auch hier liegt wahrscheinlich einer der Gründe darin, dass traditionell Frauen in den Familien vieles unter einen Hut bringen möchten und somit Multitasking und Zeitmanagement anders leben. Das ist jetzt natürlich Spekulation und meine persönliche Erfahrung. Männer erzählen sich diese operativen Dinge dann ja vielleicht auf der gemeinsamen Golfrunde (schmunzelt).
Vielen Dank für das Interview!