Golf & Darts

Ryder Cup ist fast wie Ally Pally


20. Dezember 2024 , Thomas Kirmaier


Golf und Darts sind sich in manchen Bereichen ähnlich: Links Fans beim Ryder Cup, rechts bei der Darts-WM im Londoner Alexandra Palace. Super Mario ist doch überall. © Getty Images
Golf und Darts sind sich in manchen Bereichen ähnlich: Links Fans beim Ryder Cup, rechts bei der Darts-WM im Londoner Alexandra Palace. Super Mario ist doch überall. © Getty Images

Die Touren lassen es zu Weihnachten und zum Jahreswechsel etwas ruhiger angehen. In London steigt derweil mit der Darts-WM das Highlight einer Trendsportart, die gar nicht so weit weg ist von Golf.

Der Wentworth Golf Club liegt etwas südwestlich von London und ist Hauptsitz der PGA European Tour. Also ist das Anwesen im Örtchen Virginia Water quasi eine Art Zentrum des europäischen Golfsports. Rund eine Autostunde weiter östlich liegt der Alexandra Palace, Spitzname Ally Pally. Das Gebäude ist jährlich Austragungsort der Darts-WM. Was das mit Golf zu tun hat? Eine Menge, denn die beiden Sportarten sind sich tatsächlich ähnlicher als mancher glaubt und im Park rund um den Palace wird im Frühjahr sogar gegolft (Pitch & Putt).

„Ich habe Darts für mich entdeckt und spiele aktuell ziemlich viel. Da geht auch mal ein Match via Facetime gegen einen Pro-Kollegen wie Marc Hammer“, erzählt Nick Bachem. Der deutsche Nationalspieler ist aktuell wegen einer Schulter-OP außer Gefecht gesetzt und nutzt die freie Zeit, um Pfeile zu werfen. Bei der Darts-WM 2023 war er sogar live vor Ort. Nun geht es bei so einem Big Event für Dartspieler vielleicht vor allem etikettetechnisch etwas anders zu als auf dem Golfplatz, aber es gibt auch einige Parallelen zwischen Golf und Darts.

  • Die Präzision – Beim Golf muss der Ball ins Loch, und das mit möglichst wenigen Schlägen. Beim Darten braucht es ebenfalls viel Präzision, um – wie bei der WM – die 501 mit möglichst wenigen Pfeilen herunterzuspielen. Beide Disziplinen erfordern eine sehr gute Hand-Auge-Koordination. Das heißt, die visuelle Wahrnehmung und die Ausführung der Hand, in der ein Sportgerät liegt, arbeiten kognitiv zusammen. Sowohl Darts als auch Golf sind hochkomplex und sehr filigran. Mit Gewalt oder roher Kraft geht wenig, es kommt viel auf Genauigkeit, Wiederholbarkeit und permanentes Üben an.
  • Das Mentale: Beim Golf wie beim Dart sind die Spieler/-innen meist völlig auf sich allein gestellt. Sie treffen Entscheidungen, bei denen Millimeter entscheidend sein können (siehe Präzision). Beides ist ein Kampf mit sich selbst, bei dem es vor allem darum geht, mit eigenen Fehlern umzugehen, sie sofort vergessen zu machen und sich wieder auf das Ziel zu konzentrieren. Stichwort Eigenverantwortung. Der Darter stellt sich vor dem Abwurf vor, wie und wohin der Pfeil fliegt. Diese Visualisierung ist ebenso Teil des Golf-Pros, der Flugbahn und Bounce vorausdenkt und dieses Programm umzusetzen versucht. Und das permanent in Drucksituationen. Bei beiden Sportarten werden Fehler knallhart bestraft und lassen die Athleten/-innen schnell ins Hintertreffen geraten.
  • Die Regeln und die Etikette: Beide Sportarten verlangen von den Spielern, dass sie bestimmte Regeln oder Etikette befolgen, was bisweilen von den Verbänden auch als Fairplay propagiert und als Respekt vor Gegner und anderen Beteiligten (Caller, Referee) vermittelt wird. Im Dart- wie im Golfsport gilt eine Art Demuts-Codex. Es werden gewisse Verhaltensregeln aufgestellt, um den Sport an sich und die zuständigen Verbände in einem ehrenhaften Licht erscheinen zu lassen, zumal beide nach wie vor eine Art Schattendasein im Licht von König Fußball genießen.
  • Der Partyfaktor: Hier kann Golf noch einiges von beispielsweise einer Darts-WM lernen. Im Ally Pally feiern Fans in Oktoberfeststimmung jede 180 (dreimal 20) ausgelassen. Okay, es muss vielleicht nicht derart in Bierlaune sein, aber wenn man sich Verkleidungen und Stimmungen beim Ryder Cup oder bei der WM Phoenix Open anschaut – so weit sind Darts und Golf dann in Sachen Party gar nicht entfernt. In England wird Darts häufig als „Golf der Arbeiterklasse“ bezeichnet.
  • Die Fachbegriffe: Laien kennen das nur zu gut. Wenn sie sich mit Golfern oder Dartspielern unterhalten, kommen ihnen die in diesen Sportarten verwendeten Begrifflichkeiten wie Fach-Chinesisch vor. Bogey, Birdie, Break, Dimples, Hole-in-One – im Golf gibt es unzählige solcher Wörter, mit denen sich Zahlen und Gefühle ausdrücken lassen. Ebenso im Darts, wobei die Begriffe ebenso meist englisch sind und teilweise sogar ähnlich klingen: Bouncer, Bulls Eye, Checkout, Double und so weiter. Dabei kommen manche Bezeichnungen in beiden Sportarten vor: Score, Finish, Triple usw.

Natürlich gibt es auch eine Menge Unterschiede zwischen Darts und Golf. So einige Mathematik-Spezialisten haben versucht, die Wahrscheinlichkeiten eines Nine-Darters (perfektes Leg mit neun Pfeilen von 501 auf Null) und eines Hole-in-Ones zu vergleichen. Kaum möglich, denn: Beim Dart steht der Spieler in immer gleichem Abstand zum Board in einer Halle. Kein Wind, keine unterschiedlichen Grassorten, keine Hindernisse. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit für ein Ass beim Golf ist, hängt extrem von der Bahn ab (Länge, Hindernisse, äußere Bedingungen, Breaks, Schlägerwahl). Das macht den wohl größten Unterschied aus – Indoor gegen Outdoor.

Die großen, aufblasbaren Dartscheiben für den Golfplatz gibt es auch bei der German Challenge im Wittelsbacher GC.
Die großen, aufblasbaren Dartscheiben für den Golfplatz gibt es auch bei der German Challenge im Wittelsbacher GC. | © DGV/Kirmaier


Und genau darin liegen auch schon wieder Gemeinsamkeiten, denn Golf wird immer öfter auch Indoor gespielt, wie beispielsweise bei der DGV Indoor Trophy und bei der im Januar beginnenden neuen Liga TGL in Florida, die der Dart-WM auch in Sachen Partystimmung sehr nahe kommen dürfte. Und auch bei deutschen Tour-Events sind immer häufiger die großen, aufblasbaren Verleih-Dartscheiben zu sehen, auf die sich Klettbälle per Wedge schlagen lassen.

Golf und Darts sind also gar nicht so weit voneinander entfernt, wie manchen denken. Vor allem, wenn es um Leidenschaft und Suchtfaktor geht. Zudem denken die Verantwortlichen der PDC (Professional Darts Corporation) ernsthaft darüber nach, die WM von London nach Saudi-Arabien umzuziehen. „Ich habe mit den Saudis gesprochen und sie waren sehr begeistert“, wird PDC-Chef Barry Hearn im Spiegel zitiert. Also LIV nur mit Pfeilen.