Regelfest

Einen Versuch war es wert


9. Oktober 2024 , Daniel Dillenburg


Hinter einem Baum, aber mit einer Idee: Beau Hossler.
Hinter einem Baum, aber mit einer Idee: Beau Hossler. | © x.com/jamescolgan26

Beau Hossler versucht sich in der entscheidenden Phase des Titelkampfs mithilfe einer Musterplatzregel aus einer misslichen Lage zu befreien. Sein Antrag auf einen Free Drop wird jedoch abgelehnt.

Es wird immer wieder betont, dass Golfregeln da sind, um dem Spieler auf dem Platz zu helfen. Im Fall von Beau Hossler in der Finalrunde der Sanderson Farms Championship konnte aber selbst das Regelwerk nicht unterstützen. Dabei versuchte der US-Amerikaner alles, um die Rules Officials davon zu überzeugen, dass ihm doch vielleicht ein Free Drop zustünde. Vielleicht war es die angespannte Situation, die Hossler auf die Idee brachte. Immerhin lag er auf dem letzten Loch, in Führung liegend, hinter einem Baum und musste um den Sieg bangen. Seine Situation ließ jedoch keine Hilfe seitens des Regelwerks zu. Wir klären auf:

Hossler spielte bei der Sanderson Farms Championship in Mississippi um seinen ersten PGA-Tour-Titel. Nach einem Birdie auf der 17 lag er in alleiniger Führung. Ein Loch musste er also noch überstehen. Seinen Drive auf der 18 verzog er jedoch nach links. Die Lage seines Balls: unglücklich. Direkt hinter einem Baum blieb Hossler eigentlich keine andere Option, als seinen Ball zurück aufs Fairway zu pitchen – eigentlich. Denn der 29-Jährige hatte eine Idee: Vielleicht würden ihm die Tribünen und Scoreboards entlang der linken Seite des Fairways eine Möglichkeit geben, mit einem Free Drop davonzukommen.


Und so rief Hossler einen Rules Official herbei. Bei der Anfrage versuchte er, die Tribünen und Scoreboards als TIO (Temporary Immovable Obstructions), also als zeitweiliges unbewegliches Hemmnis zu deklarieren. „Was wäre, wenn ich Ihnen einfach sagen würde, dass ich genau auf das [linke] Zelt ziele?“ fragte Hossler den Rules Official. Seine Hoffnung: Der TIO-Antrag nach Musterplatzregel F-23 wird durchgewunken und er erhält eine straflose Erleichterung, um sich eine freie Linie zum Grün zu „erdroppen“. Fast sofort war klar, dass Hosslers Bemühungen umsonst waren. Doch er ließ nicht locker und holte sich die Meinung eines zweiten Referees ein.

Hosslers Chancen auf einen Free Drop standen jedoch von Beginn an schlecht. Dies lag schlicht daran, dass sein theoretisches Vorhaben, seinen Ball links um den Baum herumzuslicen, nicht „angemessen“ war. Und so ging auch der zweite Referee nicht wirklich auf Hosslers Idee ein. „Es ist nicht angemessen, dass du in diese Richtung spielst“, sagte er und deutete auf die Tribüne.

Angemessenheit ist zwar manchmal Auslegungssache, doch in diesem Fall wusste wohl auch Hossler, dass er sich von einem Free Drop verabschieden muss. Der Punch zurück aufs Fairway war und blieb die einzig sinnvolle Option. Hossler verlor wenig später im Playoff und muss so weiter auf seinen ersten Sieg warten. In seinem Fall konnten selbst die Golfregeln nicht ausreichend helfen.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Es ist immer gut, wenn Spieler die Regeln kennen, denn es stehen nicht nur Dinge darin, die verboten sind, sondern auch erlaubte Handlungen. Das Problem ist nur, dass die Regeln sehr exakt formuliert sind, was dem Spieler in diesem Fall seinen Freedrop verhindert hat:

Die Regel über „TIO“ (Zeitweilige unbewegliche Hemmnisse = Tribünen und andere Turnierinstallationen) erlaubt „line of sight – relief“, also Erleichterung für die Sichtlinie und nicht für die Spiellinie. Die Sichtlinie ist der gerade Blick vom Ball zum Loch. Dort stand jedoch ein Baum, der diesen geraden Schlag unmöglich machte. Ist ein Schlag aus einem anderen Grund nicht durchführbar, wird kein Freedrop gewährt.

Der vom Spieler angesprochene Slice um den Baum herum war ebenfalls technisch nicht nur nicht möglich (das Regelbuch spricht hier sogar von „unvernünftig“ und nicht nur von „nicht angemessen“), sondern selbst wenn er den Schlag hätte spielen können, wäre dies kein Anlass für einen Freedrop gewesen.

Wir können wohl davon ausgehen, dass der Spieler dies wusste und in seiner Notlage darauf gehofft hatte, der Referee würde etwas durcheinanderbringen. Nicht umsonst gibt es auf der Tour den Spruch „There is no penalty for asking“.

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