Team-EM

Das Junior Team Germany besteht in Sturm und Regen seine Reifeprüfung


6. Juli 2022 , Matthias Lettenbichler


Sie trotzen Wind und Wetter und kämpfen sich über den Platz in Island: Die Mitglieder des Junior Team Germany. Foto: EGA
Sie trotzen Wind und Wetter und kämpfen sich über den Platz in Island: Die Mitglieder des Junior Team Germany. Foto: EGA

Am späten Mittwochabend, als Damen, Herren und Jungen des Deutschen Golf Verbands schon lange den jeweils erfolgreichen Einzug in die Matchplays der EMM 2022 feierten, zogen dann auch die Mädchen nach: Als Fünftplatzierte der Zählspiel-Qualifikation lösen die Spielerinnen von Bundestrainer Sebastian Rühl auf dem Platz des Oddur Golf Club in Island das Viertelfinal-Ticket und bekommen es nun in der ersten Matchplay-Runde mit den Spanierinnen zu tun.

Gewissermaßen ist es ein Duell zweier Titelverteidiger: Wenn am Donnerstag ab 8:20 Uhr die weiblichen Nachwuchs-Teams des Deutschen Golf Verbands und der Real Federación Española de Golf im Viertelfinale der Team-Europameisterschaft 2022 aufeinandertreffen, dann stehen sich die Europameisterinnen des Jahres 2021 (Spanien) und des Jahres 2020 (Deutschland) gegenüber. Und weil das Team Germany letztes Jahr wegen Corona auf den Start in Portugal verzichtet und den Titel kampflos abgegeben hatte, ist dies durchaus auch ein Prestigeduell.

Das Leaderboard nach der 2. Zählspielrunde >>>


„Streng von der Papierform her“, sagt Bundestrainer Sebastian Rühl, „ist Deutschland schon ein bisschen weniger Favorit als Spanien.“ Was daran liegt, dass die Spanierinnen zuletzt bei einigen Turnieren groß aufspielten, die deutschen Mädchen zum Beispiel bei der vielbeachteten German Boys & Girls Open im GC St. Leon-Rot nicht so sehr, und dass Spanien mit Cayetana Fernández Garcia-Poggio und Andrea Revuelta Goicoechea unter anderem gleich zwei Spielerinnen des Junior Solheim Cup-Teams in seinen Reihen hat, das 2021 – mit Vize-Kapitän Sebastian Rühl – die Amerikanerinnen in deren Heimat geschlagen hat. Die Favoritenbürde auf diese Weise auf die iberische Halbinsel zu schieben, ist klug, allzu sehr tiefzustapeln, dazu hat Rühl allerdings auch keinen Grund. Denn zum einen hat er mit der Stuttgarterin Helen Briem ebenfalls ein Mitglied des siegreichen Junior-Solheim-Cup-Teams 2021 am Start, zum anderen haben sich seine Schützlinge in den letzten zwei Tagen so dermaßen bravourös in das Turnier in Island hineingekämpft, dass der Coach „superstolz“ ist auf seine Mädchen und auf die Leistung des Team Germany.

Völlig zurecht. Denn die Umstände, unter denen Schwarz-Rot-Gold die Reise in den hohen Norden Europas antrat, waren denkbar ungünstig. Mit der an Corona erkrankten Charlotte Back fiel kurzfristig nicht nur eine der stärksten deutschen Spielerinnen aus, sondern auch die Kapitänin des Team Germany, oder wie Rühl formulierte: „Das Herzstück unseres Teams.“ Umso größer ist seine Hochachtung vor seinen Spielerinnen, die sich auf dem Parcours des Oddur Golf Club schon fast trotzig den Widrigkeiten entgegenstemmen. Und das zumeist auch im wörtlichen Sinne, denn der Wind fegt dieser Tage mit sechs bis acht Beaufort über die Fairways des vielleicht schönsten, mit Sicherheit aber anspruchsvollsten der mehr als 60 Golfplätze Islands.

Mit 71 und 72 Schlägen sorgte Helen Briem in beiden Zählspielrunden für das jeweils beste deutsche Resultat, im zweiten Durchgang kamen außerdem die Runden von Tessa Kremser (73), Philipa Gollan (74), Katharina Anglett (75) und Emilie von Finckenstein (78) in die Wertung; den Streicher übernahm diesmal Marie-Agnes Fischer mit einer 80er-Runde, insbesondere auf den Back Nine hagelte es für die Münchnerin Bogeys, ein Doppelbogey und ein Triple-Bogey. Mit gesamt 37 über Par rangiert das Team Germany damit auf Platz 5, unmittelbar hinter den Spanierinnen (+31). An der Spitze haben bisher Frankreich (+16), England (+21) und Schweden (+22) überzeugt.

„Heute ist jede besser geworden!“

Dass die Dienstreise nach Island aber auch für Deutschland schon jetzt ein voller Erfolg ist, ganz unabhängig davon, wie die Duelle der Top-Teams in den kommenden Tagen verlaufen und ob das Junior Team Germany letztlich mit Blech, Bronze, Silber, Gold oder leeren Händen nach Hause fliegt, daraus macht Sebastian Rühl keinen Hehl: „Hier ist heute jede besser geworden“, stellt er fest, und mein damit die gesamte Reise, insbesondere aber die zweite Runde der Zählspielqualifikation der Team EM 2022 in Island. Weil der Wind die Fahnen knattern ließ und die Bälle kaum fliegen. Weil seine sechs Spielerinnen auch bei diesen wahrlich heftigen Wetterbedingungen, auch unter dem Druck einer Europameisterschaft, bei der zuhause Oma, Opa, Papa, Mama und sämtliche Freunde und Freundinnen am Live Scoring mitfiebern, bei einem Turnier, so wichtig wie sie noch keines zuvor gespielt haben, auf einem Platz, der von Lava umzingelt ist und teilweise so enge Landezonen hat, dass Clubmeister sie nicht mal bei Schönwetter treffen würden, weil sie trotz alledem performt haben. Den Score zusammengehalten und sich durchgebissen bis ins Clubhaus, wo sie die klammen Finger an einer heißen Tasse Tee aufwärmen konnten bis das Gefühl langsam zurückkroch in die Spitzen. Rühl: „Wir lernen hier Dinge, die die Mädchen immer wieder brauchen werden während ihrer Karriere. Und genau darum geht es für uns im Junior Team Germany, viel mehr noch als um einen Titel wie den bei dieser EM: Dies ist ein Ausbildungskader. Und wir möchten die jungen Spielerinnen bestmöglich auf das vorbereiten, was sie im Laufe ihrer Karriere als Golf- und vielleicht einmal Tourspielerinnen erwartet. Dafür ist dieses Turnier hier in Island ein großes Geschenk. Auf genau so etwas habe ich lange gehofft und gewartet.“

Weil aber neben der Herausforderung auch der Erfolg eine recht motivierende Sache sein kann, und etwas, woran sich seine Spielerinnen durchaus auch gewöhnen sollen, schickt Rühl das Team Germany am Donnerstag mit der klaren Ansage ins Viertelfinale, die Spanierinnen vom Platz zu fegen – mit Wind oder ohne. In zumindest einem der beiden Vierer schon mal einen ersten Punkt zu holen, könnte diesem Vorhaben recht zuträglich sein – diesbezüglich setzt Rühl auf die Duos Helen Briem/Katharina Anglett (Startzeit: 8:20 Uhr) und Philipa Gollan/Marie-Agnes Fischer (8:30 Uhr). Am Nachmittag stehen dann die fünf Einzel mit diesen Startzeiten auf dem Programm:

13:40 Uhr: Tessa Kremser
13:48 Uhr: Emilie von Finckenstein
13:56 Uhr: Helen Briem
14:04 Uhr: Philipa Gollan
14:12 Uhr: Katharina Anglett

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