Team-EM

Spiel mit dem Wind und ein Amphitheater aus Lava


4. Juli 2022 , Matthias Lettenbichler


Anspruchsvoller Platz in malerischer Lavalandschaft: Der Par-71-Parcours des Oddur Golf Club. Foto: OGC
Anspruchsvoller Platz in malerischer Lavalandschaft: Der Par-71-Parcours des Oddur Golf Club. Foto: OGC

Eröffnet 1997, als Par 71 ausgewiesene 18 Spielbahnen, für die Mädchen sind es in dieser Woche 5432 Meter von den Champions-Tees; alles unter 70 Schlägen ist definitiv ein sehr gutes Resultat. Soweit die blanken Zahlen des Platzes Urriðavöllur auf Island, mit dem es die Spielerinnen des Junior Team Germany in dieser Woche bei der Team-Europameisterschaft zu tun bekommen.

„Summer golfing can be busy. Book your tee time in advance“, steht auf der Website des Golfklúbburinn Oddur geschrieben, und das ist zweifellos ein guter Ratschlag. Über 60 Golfplätze gibt es auf Island, sie zählen insgesamt rund 16.000 Mitglieder, sind gewöhnlich aber nur von Mitte Mai bis Mitte Oktober bespielbar – im Rest des Jahres beherrschen Frost und Schnee die Fairways. Entsprechend groß ist der Andrang in den wenigen Wochen, in denen die Witterung Golfrunden ohne klamme Finger erlaubt, was in besonderem Maß für den Oddur Golf Club gilt, zählt der doch zu den anerkannt besten Plätzen des Landes und ist binnen gerade mal 20 Minuten mit dem Auto von Reykjavík aus erreichbar. In der isländischen Hauptstadt leben 220.000 der 370.000 Isländerinnen und Isländer – entsprechend konzentrieren sich hier auch die meistern Golferinnen und Golfer. 1997 eröffnet, zählt der Club in der Gemeinde Garðabær, rund 15 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Reykjavík, heute 1300 Mitglieder, die ihren Parcours der exzellenten Pflege und der großen Grüns wegen schätzen, und wegen der malerischen Lavalandschaft, durch die sich seine Bahnen ziehen. Und auch deshalb, weil sich der Parcours Urriðavöllur, so der Name des Meisterschaftsplatzes, jeden Tag ein bisschen anders spielt, je nachdem, wie heftig und aus welcher Richtung der Wind gerade bläst.

Golf ist bei den Isländerinnen überaus beliebt, und Hulda Bjarnadóttir, Präsidentin der Golf Union of Iceland, hat ein ehrgeiziges Ziel, und auch deshalb die Europameisterschaft nach Island geholt: Bis spätestens 2027 sollen Damen und Mädchen 40 Prozent der aktiven Clubmitglieder stellen. Die EMM 2022, da ist sich Hulda Bjarnadóttir ganz sicher, kann dazu ganz entscheidend beitragen und dem Frauen-Golf in ihrer Heimat einen echten Schub verleihen.

Für die Teilnehmerinnen der European Girls‘ Team Championship 2022 ist der Championship-Platz des Oddur Golf Club in dieser Woche in erster Linie einmal eine sportliche Par-71-Herausforderung, die den besten Nachwuchsgolferinnen Europas auf 5432 Metern alles abverlangen wird. Um die Buchung von Startzeiten müssen sich dabei auch die Mädchen des Junior Team Germany keine Gedanken machen – die sind schon reserviert: Am Dienstag schlagen die sechs Spielerinnen des deutschen Bundestrainers Sebastian Rühl um 8:11 Uhr, 8:44 Uhr, 9:17 Uhr, 11:51 Uhr, 12:24 Uhr und 12:57 Uhr zur ersten Zählspielrunde ab, jeweils in Gesellschaft einer Schwedin und einer Dänin.

Die Startzeiten der Team-EM der Mädchen in Island >>>


Dabei geht es sehr schnell an Eingemachte: Vier Spielbahnen sind als Par 3 ausgewiesen, zwischen 97 Meter (Loch 15) und 136 Meter lang (Bahn 4), elf Par-4s gibt es und drei Par-5s. Wobei diese Zahlen spätestens dann Makulatur sind, wenn der Wind über die Lavafelder und Fairways fegt. Den Abschlag von Bahn 14, ein 480 Meter langes Par 5, werde man während der Europameisterschaft voraussichtlich generell „ein wenig nach vorne verlegen“, heißt es vorsorglich schon im Programmheft des Turniers; auch auf andere Löcher könne das zutreffen, je nachdem, wie heftig es bläst. Und es bläst oftmals heftig auf dem Platz Urriðavöllur.

„Dieser Platz ist völlig anders als alles andere, was wir jemals gespielt haben“, weiß der deutsche Bundestrainer Sebastian Rühl. Im Mai war er mit dem gesamten Team da zwecks Besichtigung und Proberunden, und der Erkenntnisgewinn war enorm: „Auf vielen Löchern spielt man in eine alte Lava-Landschaft hinein, die Lava geht teilweise zwei, drei Meter bis ans Grün heran, und wenn der Ball auf dieser Lava aufkommt, dann wird es sehr sehr schwierig, von dort aus weiterzumachen. Wenn wir die Lava vermeiden, dann setzten die Mädchen schon mal die wichtigste taktische Ansage meinerseits zumindest für die Zählspielrunden um!“ Zum Beispiel an Bahn 7, deren Grün fast wie ein natürliches Amphitheater von einem meterhohen Lavakranz umgeben ist. Die Spielbahnen 2 und 5 teilen sich ein gewaltiges Doppelgrün, an der 3, einem 373 Meter langen Par 4, verteidigen zwei Bunker effektiv die Fahne. Ein Golfplatz wie kein anderer!

Mut bitte erst in den Matchplay-Runden

Im Zählspiel ist deshalb generell Zurückhaltung angesagt und kein unnötiges Risiko, vor allem auf den ersten neun Löchern. Zu leicht fängt man sich dort einen Ball ins Aus ein oder eine unspielbare Lage auf oder zwischen Lavafelsen. Risiko wird frühestens auf dem Weg zurück ins Clubhaus belohnt, wie an Bahn 10 mit ihrem Plateau-Grün, aber auch da will Rühl allzu großen Mut erst in den Matchplay-Runden sehen, denn groß ist der Respekt vor hohen Zahlen im Zählspiel, die ganz schnell den Marsch in Flight B und damit das Aus jeglicher Medaillenträume bedeuten können.

So ungewöhnlich der Golfplatz ist, für deutsche Spielerinnen ist Urriðavöllur tatsächlich kein Unbekannter: Im Sommer 2016 fand auf der Anlage die Team-EM der Damen statt, und die deutsche Abordnung belegte Rang 3, holte sensationell Bronze. Die beste Runde des gesamten Turniers gelang damals Antonia Eberhard, die im zweiten Zählspiel-Durchgang mit überragenden 68 Schlägen vom Platz ging und damit den Grundstein für den hervorragenden 4. Rang nach den beiden Zählspiel-Runden für das Team Germany legte. Außerdem damals für Deutschland am Start: Esther Henseleit, Lena Schäffner, Laura Fünfstück, Sophie Hausmann und Leonie Harm.

Rang 4 nach 36 Löchern: Damit wäre Sebastian Rühl am Abend des 6. Juli 2022 zweifellos sehr zufrieden. Danach nämlich wäre zweifellos alles drin für die Mädchen des Junior Team Germany, Bronze wie 2016 beim Auftritt der deutschen Damen im Oddur Golf Club, oder auch ein anderes Edelmetall.

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