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The Open: Mobilität bleibt ein Problem für Großevents


23. Juli 2024 , Petra Himmel


Bei einer Open Championship kommen mehr als 250.000 Zuschauer in der Turnierwoche auf die Golfanlage
Bei einer Open Championship kommen mehr als 250.000 Zuschauer in der Turnierwoche auf die Golfanlage | © Golf Sustainable

Golf-Sustainable-Gründerin Petra Himmel schreibt in ihrem Beitrag über Mobilität bei Großevents wie der Open Championship auf golfsustainable.com über die Geschichte von zwei Welten.

Die eine Welt ist die von Jessica, die am ersten Turniertag der 152. Open Championship in einem Zug von ScotRail sitzt und zu dem Großevent zum Royal Troon Golf Club fährt. Der R&A als Ausrichter des Major-Turniers hat für Zuschauer die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel empfohlen, "um Staus auf den Straßen zu vermeiden und den CO2-Abdruck des Turniers zu verringern".

Die zweite Welt spielt sich hoch über den Wolken ab. Es ist die Welt der Spitzengolfer, der Privatjetbesitzer und der NetJets-Nutzer. Laut Angaben von NetJets reisen allein acht der letzten zehn Open-Champions mit den Flugzeugen des Unternehmens, mehr als 50 Golfprofis nutzen den Dienstleister pro Jahr. NetJets ist bis 2028 offizieller Sponsor der PGA Tour und der Champions Tour sowie seit diesem Jahr auch offizieller Sponsor der Open Championship.

Veranstalter veröffentlichen kaum Daten

Die Frage der Anreise von Sportlern und Zuschauern zu einem Sportevent ist im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit generell ein heikler Punkt. Daten zu dieser Thematik sind nur schwer zu finden, da sie von wenigen Turnierveranstaltern veröffentlicht werden.  Der Sustainability Bericht der Waste Management Open aus dem Jahr 2022  gibt einen CO2-Wert von 74,955 tC02e für Fantravel  und von 135,6 tCO2 für Spieler-Reisen an.

Das Nachhaltigkeits-Team des R&A misst seit einigen Jahren den CO2-Fußabdruck der Open Championship, hat die Resultate allerdings bis dato noch nicht veröffentlicht. Die European Tour Group gibt in ihrem Sustainability Report für das Jahr 2023 ebenfalls einen Einblick in die Thematik. Bei zehn Turnieren wurde der CO2-Fußabdruck ermittelt, der Bereich Advanced Travel and Accommodation umfasst 80,72 % des Gesamtwertes von 8077 Tonnen CO2e. Enthalten sind darin "Anreise und Unterbringung von Medien, Gästen, VIP und Sponsoren, Spielern, ihren Teams und Zuschauern".

Fans sollen Reisen kompensieren

Mobilität ist der Elefant im Raum, wenn es um das Thema nachhaltige Events im Sport geht. Die DP World Tour hat aus diesem Grund 2024 zusammen mit der Hamburger Firma AG GreenTeC ein Tool entwickelt, bei dem die Ticketbesitzer von zwölf Turnieren der DP World Tour die Möglichkeit erhalten, den CO2-Fuaßbdruck der Reise auszugleichen, in dem sie Carbon Credits mit Gold Standard kaufen.

"Es wird immer Emissionen geben, die unvermeidbar sind, wenn man Golfturniere veranstaltet, die tausende Fans über mehrere Tage anziehen", erklärte Maria Grandinetti-Milton, Head of Sustainability der European Tour Group im Rahmen der Bekanntgabe des Programms. Mit dieser Aussage vertritt sie die Mehrheitsmeinung im Sport. Zwar können Turnierkalender und damit Anreisen optimiert werden, Sportler und ihre Fans werden – ebenso wie Konzertbesucher, Musiker  oder Kunstfans – immer auf Reisen gehen, um ihrem Beruf nachzugehen bzw. ihren Lieblingskünstler zu bewundern.

Was ist nachhaltiges Sponsoring?

Anders wird in der Golfszene allerdings die Frage der Nutzung von Privatfliegern oder des Sponsorings von Firmen beurteilt, die zu den sogenannten CO2-Treibern gehören. In die Gruppe der Letzteren fallen zum Beispiel Ölfirmen wie Saudi Aramco oder eben auch Flugunternehmen wie Netjets. „Ich glaube nicht, dass es vermessen ist anzunehmen, dass wir ungesunden Produkten verbieten sollten, im Rahmen von Sport zu werben“, erklärt die kanadische Wissenschaftlerin Madeleine Orr in ihrem 2024 veröffentlichtem Buch „Warming Up“.

Sie bezieht sich damit nicht nur auf das Verbot von Tabakwerbung, das auch im Golfsport dazu führte, dass zahlreiche Tabakunternehmen als Großsponsoren von Turnieren ausfielen, sondern auch auf das aktuelle Sponsoring von Sportevents durch die Ölindustrie und andere Unternehmenssegmente wie „Airlines und die Autoindustrie“.

Die Frage inwieweit dieses Sponsoring dem Image des Golfsports zuträglich ist, bewegt die Branche bereits seit längerem. "Ich glaube, dass Sportligen und Teams, die wirkliche Leadership beim Klimathema zeigen wollen, an ihre Sponsoren einen deutlich höheren Standard anlegen müssen", wird der Gründer des Green Sports Blog und der Athletenvereinigung Eco Athletes, Lewis Blaustein, zu diesem Thema zitiert.

Reduzierung geht vor Kompensation

Der neue Sponsoring-Vertrag der Open Championship mit NetJets fällt in diesen Bereich, auch wenn der R&A die Kooperation so erklärt, dass NetJets sich 2008 zur CO2-Neutralität verpflichtet habe und diese 2012 erreicht habe. Diese Neutralität basiert allerdings auf einem Programm des Unternehmens zum Ausgleich des CO2-Fußabdrucks. Damit kommt sie der gängigen Forderung von Klimawissenschaftlerrn, dass Sportevents zuerst an der Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks arbeiten müssen, bevor sie unvermeidliche Emissionen ausgleichen, nicht entgegen. Dass nahezu jeder der Zuschauer oder der Spieler, die dieser Tage komfortabel mit dem Helikopter oder Privatflieger zur Open Championship einfliegen, genauso gut mit einem normalen Linienflugzeug oder womöglich mit einem PKW anreisen könnte, ist unbestritten.

Einigen der Profis ist diese Tatsache auch bewusst: "Ich weiß auch, dass ich jetzt während des Jahres nicht CO2-neutral bin“, erklärte der deutsche Profi Marcel Siem, diese Woche ebenfalls in Royal Troon am Start, 2023 in einem Gespräch mit Golf Sustainable. "Aber ich zahle am Ende des Jahres für meinen CO2-Fußabdruck und versuche das Thema anzugehen. Ich finde es superwichtig, und ich will auch für meine Kinder ein Vorbild sein." Die nämlich, seien beim Thema Flüge durchaus kritisch. "Mich sprechen sie zum Beispiel an, wenn Spieler einen Privatflieger benutzen. Dann sagen sie mir schon, dass es einfach einen Riesenunterschied macht, ob eine Person oder 300 in einem Flieger sitzen."

Am Ende dürfte es für den Golfsport und seine Außendarstellung auch eine Rolle spielen, wie glaubwürdig seine Nachhaltigkeitsbemühungen nach Außen sind. Martin Slumbers, der noch bis Ende des Jahres 2024 amtierende CEO des R&A,  hat im Rahmen der Diskussion des erneut gestiegenen Preisgeldes bei der Open Championship über die Nachhaltigkeit des Events philosophiert und die kritische Frage anklingen lassen, welche Auswirkungen die ständige Erhöhung des Preisgeldes "auf die Wahrnehmung des Sports und seine langfristige Nachhaltigkeit haben dürfte".

Angleichung von Basis und Top-Segment

Dieser Punkt gilt nicht nur für das Thema Preisgeld, sondern auch für alle anderen Bereiche des weiten Feldes Nachhaltigkeit. Insbesondere eben auch für die Mobilität bei Turnieren als größtem CO2-Treiber. Warum sollte sich die golfbegeisterte Zuschauerin Lieschen Müller mühsam auf eine 60minütige Radtour Richtung Troon machen oder einen vollen Zug besteigen, wenn gleichzeitig an anderer Stelle die bequeme Anreise mit Privatfliegern gefördert wird. „Wenn man Golf als eine Pyramide betrachtet, dann kann die Pyramide an der Spitze noch so stark sein, sie kann nur bestehen, wenn sie an der Basis auf Dauer an der Basis genauso stark ist,“ hat Martin Slumbers erklärt. Er sprach an dieser Stelle über die Bereitstellung von Finanzmitteln nicht nur für den Profi- sondern auch für den Amateurbereich.

Übertragen auf andere Nachhaltigkeitsbereiche bedeutet dies aber auch: Die Maßstäbe, die an den Normalgolfer und durchschnittlichen Zuschauer angelegt werden, sind auch für das Top-Segment, also Spieler und VIPS relevant. Die Welt der Privatflugzeuge und Helikopter und jene der Fahrräder und Züge klaffen im Moment weit auseinander.

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