Regelfest
Der Ball muss nicht ruhen
23. November 2023 , Daniel Dillenburg
Wir warten bis der Ball sich nicht mehr bewegt und schlagen dann zu – nicht immer. Denn in bestimmten Situationen greift eine Ausnahme. So wie im Fall von Emiliano Grillo, dessen Ball im Wasserstrom landet.
Ende Mai ereignete sich ein kleines Wasser-Drama auf der 18. Bahn des Colonial Country Clubs in Fort Worth, Texas – und ein äußerst interessanter Regelfall hinzu. In der finalen Runde der Charles Schwab Challenge ging der Argentinier Emiliano Grillo als Führender auf die letzte Bahn. Es fehlte nicht mehr viel zu seinem ersten PGA-Tour-Titel nach mehr als sieben Jahren Durststrecke. Doch der 30-jährige Profi aus Resistencia traf eine Entscheidung mit Folgen, als er auf dem abschließenden Par 4 zum Driver griff. Der Abschlag von Grillo bog nach rechts ab und landete in der Penalty Area, genauer gesagt in einem Wasserstrom.
Die Strömung des Wasserlaufs verlief in Richtung des Abschlags, wodurch Grillos Ball langsam, aber stetig immer weiter vom Loch weggetragen wurde. Dem Titelanwärter war die Situation schon bekannt. Beim ersten Mal, als er im Hindernis landete, rollte sein Ball mehr als 100 Meter zurück. „Das wird ein sehr langes Loch“, wusste Grillo also. Ein Referee musste hinzugezogen werden. Denn hierbei handelte es sich um eine besondere Situation.
Laut dem PGA-Tour-Regelexperten Mark Dusbabek hatte Grillo zwei Optionen: Entweder konnte er einen Drop an der Stelle nehmen, an der sein Ball zuletzt die Grenze des Wasserhindernisses überquert hatte - verbunden mit einem Strafschlag. Oder, und hier kam eine selten angewandte Regel zum Tragen: Grillo hätte auch seinen sich bewegenden Ball aus dem Wasserstrom herausspielen dürfen - ohne Strafschlag. Normalerweise ist es untersagt, einen sich bewegenden Ball zu spielen. Es gibt jedoch drei Ausnahmen, und eine davon war im Fall von Grillo gegeben.
In Regel 10.1d heißt es: „Bewegt sich ein Ball in zeitweiligem Wasser oder im Wasser in einer Penalty Area, darf der Spieler straflos einen Schlag nach dem sich bewegenden Ball ausführen.“ Dennoch darf der Spieler das Spiel in diesem Fall nicht unangemessen verzögern und so lange warten, bis der Ball zur Ruhe kommt. Man nehme an, der Wasserstrom verläuft in die andere Richtung, also zum Loch hin, darf der Spieler natürlich auch nicht auf Zeit spielen, um Meter gutzumachen.
Drop mit Happy End
Nach etwa sieben Minuten Überlegungszeit musste auch in Grillos Fall eine Entscheidung getroffen werden. Er entschied sich schließlich für den Drop mit Strafschlag, den er auf dem Cartweg durchführte. Sein dritter Schlag landete 40 Meter vor dem Grün, und somit stand ihm ein anspruchsvolles Up-and-Down zum Bogey bevor. Es wurde das Doppel-Bogey, das immerhin noch zum Einzug ins Playoff reichte. Dieses konnte Grillo für sich entscheiden und so holte er endlich wieder einen Titel auf der PGA Tour – mit einem bewegenden Ende.
Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:
„Dumm gelaufen” könnte man zu dem Ball sagen. Zuerst fließt das Wasser zurück in Richtung Abschlag, dann hält der Ball lange Zeit nirgendwo an. Und selbst wenn der Spieler sich an eine bestimmte Stelle gestellt hätte, um dort den Ball zu erwarten und in Bewegung zu schlagen, wäre es fraglich gewesen, ob man in diesem Moment die Zuschauer dazu hätte bringen können, genau dort Platz für den Schlag zu machen.
Insofern ist das Spielen eines sich bewegenden Balls hier nur eine theoretische Option gewesen, die auch mit jedem Meter Richtung Abschlag weniger attraktiv wurde. Zum Glück gibt es hier immer die Anwendung der Regel 17 (Penalty Area).
Im Übrigen ist dieser Fall der einzige, in dem man straflos einen falschen Ball spielen darf: Da der Ball sich bewegt, darf er nicht zum Identifizieren markiert und aufgehoben werden, denn dabei würde die Bewegung in Folge des letzten Schlags unterbrochen.
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