Chiara Noja
Das Jahr der Noja
23. Dezember 2022 , Stefan Bluemer
Das Jahr 2022 läuft für eines der ganz großen Talente im Welt-Damengolf nahezu perfekt. Es gibt nur eine Richtung für Chiara Noja: immer weiter nach oben.
Sie ist zwar erst 16 Jahre alt, hat in 2022 aber dennoch alle Ziele erreicht, die sie sich selbst gesteckt hatte. Und diese waren alles andere als niedrig angesetzt.
Drei oder vier
Früh ging es für Chiara Noja an den Golfschläger. So ganz genau kann sich die Sportlerin nicht daran erinnern, aber es war wohl im zarten Alter von drei oder vier Jahren, als sie in Berlin ihre ersten Golfschläge machte.
Nur die ersten sieben Jahre ihres Lebens verbrachte Noja in Deutschland. Von Berlin aus ging es mit der Familie zunächst nach England.
Den ersten großen Turniersieg gab es 2018, als sie die Scottish Girls' U12 Open Championship gewann. Mit 13 übernahm Noja die Führung der europäischen Rangliste der Mädchen bis 14 Jahren.
2020 erfolgte ein weiterer, großer Umzug. Es ging mit der Familie nach Dubai. Dennoch war Chiara Noja die jüngste Teilnehmerin der ebenso traditionsreichen wie prestigeträchtigen Women's Amateur Championship und verschaffte sich in dem hochklassigen Feld mit Platz neun viel Respekt.
Mit 14 Jahren wurde Chiara Noja in die englische Mädchen-Auswahl berufen und kam bei der Omega Dubai Moonlight Classic zu ihrer ersten Teilnahme an einem Turnier der LET.
Booster
Die Pandemie erwies sich für den Verlauf der Karriere der jungen Athletin als Booster. Im Amateurgolf ruhte lange Zeit der Spielbetrieb und so kamen die Einladungen zu Turnieren der LET Access Series gerade recht: „Da habe ich die Entscheidung getroffen, als Profi zu spielen und habe dann ehrlicher Weise auch nicht mehr zurückgeschaut.“
Dazu hätte es auch auch keinen Grund gegeben, denn auch ohne Erfahrung auf diesem Niveau setzte Chiara Noja sofort Ausrufezeichen. Der zweite Platz bei der Golf Flanders LETAS Trophy im belgischen Antwerpen war die erste Top-Ten-Platzierung im Profizirkus.
„Nachdem ich drei Einladungen von Sponsoren erhalten hatte, beschloss ich, mit einem Handicap von +7,4, die Dubai Moonlight Classic, die Saudi Ladies International und die Aramco Team Series in Jeddah als Profi zu spielen und nicht mehr in den Amateurbereich zurückzukehren“, erinnert sich Noja an die frühe und weitreichende Entscheidung, im Oktober 2021 ins Profilager zu wechseln. Lange dauerte es nicht bis zum ersten Sieg im Kreise der Profis. 81 Tage nach ihrem 16. Geburtstag gewann die ehrgeizige Athletin die Amundi Czech Ladies Challenge mit neun Schlägen Vorsprung.
Stechen gegen Weltstar
Nur weitere 160 Tage dauerte es dann noch bis zum ersten Sieg auf der 1st-Level-Tour. In Jeddah reichte es bei der Aramco Team Series zum ersten Titel auf der LET. Chiara Noja avancierte dadurch zur jüngsten Deutschen, die je ein Turnier der LET gewinnen konnte. Durch zahlreiche Spitzenplatzierungen in der LET Access Series hatte das Ausnahmetalent zu dem Zeitpunkt den Aufstieg in die Beletage des europäischen Damengolfs schon sicher in der Tasche.
Mit einer Einladung war Noja in Jeddah ins Feld gerutscht und sicherte sich im Stechen gegen die zweimalige LPGA-Siegerin Charley Hull auf dem zweiten Extraloch den großen Titel.
Das Ausnahmetalent strahlte nach dem großen Triumph gegen die Solheim-Cup-Spielerin, aber der Erfolgshunger der Nachwuchshoffnung ist damit noch lange nicht gestillt. Erklärtes Ziel ist es, irgendwann die Nummer eins in der Welt zu sein. „Davor habe ich aber noch viel Arbeit“, blieb die junge Championesse im Augenblick des Sieges ganz bodenständig.
Bundestrainer Stephan Morales freute sich damals mit der 16-Jährigen: „Das war beeindruckend! Erst eine so starke Finalrunde zu spielen und dann gegen eine absolute Weltklassespielerin wie Charley Hull das Stechen zu gewinnen, nötigt mir größten Respekt ab! Große Klasse, und dies mit erst 16 Jahren!“
Ziele
Als Nahziel für die ersten Monate des neuen Jahres gibt die 183cm große Spielerin an, in die Top 100 der Weltrangliste aufzusteigen. Die Zuversicht wird nicht zuletzt durch das Programm gespeist, das auf den Shooting-Star wartet: „Ich werde nächstes Jahr zwei Majors und auch einige Turniere auf der LPGA Tour spielen. Da gibt es viele Punkte zu holen.“
Das Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr, denn zuletzt hat die in Dubai lebende Athletin 25 Cuts in Serie gemacht. Lohn ist ein gewaltiger Sprung im Rolex Ranking. Von Position 598 ging es in das Jahr und am Ende des Spielgeschehens 2022 findet sich Chiara Noja schon auf dem 130. Platz. Damit ist sie zweitbeste Deutsche hinter Caroline Masson.
Eine große Stärke der Schülerin, die 2025 ihren englischen Schulabschluss machen möchte, der in Deutschland dem Abitur entspräche, sind die Drives.
Die LET-Statistik weist Noja in der Driving Distance mit 288,80 Yards, also über 264 Metern als längste Spielerin des Jahres aus – noch vor der eh schon sehr beeindruckenden Niederländerin Anne van Dam.
Als Schwungtrainer hat von Anfang an Vater Tom die Athletin geformt. Nach und nach kamen aber auch noch Physiocoaches und Trainer für das Putting und das kurze Spiel hinzu, so dass Chiara Noja heute ein starkes Team um sich gebildet hat. Mit Phil Kenyon und James Ridyard sind darunter Fachleute, die mit großen Namen auf den Touren arbeiten.
Doppelbelastung
Trotz der sehr außergewöhnlichen Entwicklung in jungen Jahren bleibt Noja sympathisch und bescheiden. In Interviews macht sie einen sehr reifen und mental starken Eindruck, gerade wenn sie über den Umgang mit Druck spricht: „Bei großen Turnieren hat man Druck. Aber Druck ist nichts, was von außen kommt, denn wenn es nicht von Dir selbst käme, würdest Du es nicht fühlen. Damit muß aber jeder umgehen und ich habe immer viel dazugelernt.“
Die Gedanken sind nicht mehr beim Turnierergebnis mit der Hoffnung, mit möglichst tiefem Score zu gewinnen, sondern immer nur beim nächsten Schlag. Gutes Golf sieht Noja als Folge eines guten Mindset und daran arbeitet sie viel.
Die Doppelbelastung, sowohl in der Schule zu bestehen, wie auch erfolgreich an der Golfkarriere zu arbeiten, sieht Noja eher als Ausgleich und bringt sie dazu, sich jeweils sehr gut fokussieren zu können.
In der anstehenden Saison will die junge Athletin, die vor Energie und Freude auf kommende Aufgaben nur so strotzt, möglichst viele Turniere spielen, freut sich aber ganz besonders auf die Majors.
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