Interview

„In Europa sind wir aktuell die ganz große Nummer“


22. Dezember 2022 , Thomas Fischbacher


Starke Ausbeute: Aline Krauter, Polly Mack, Alexandra Försterling und Sophie Hausmann setzen sich bei der Q-School durch
Starke Ausbeute: Aline Krauter, Polly Mack, Alexandra Försterling und Sophie Hausmann setzen sich bei der Q-School durch | © Tristan Jones/LET

Die erfolgreichen Q-Schools im Dezember beweisen einmal mehr, dass sich das deutsche Damengolf aktuell auf einem Top-Niveau befindet. Bundestrainer Stephan Morales verrät im Interview, wie er die Lage einschätzt.

Polly Mack, Aline Krauter und Isi Gabsa haben sich bei der Q-School in Alabama für die LPGA Tour qualifiziert. Was bedeutet: Aktuell haben sechs deutsche Damen eine Spielberechtigung für die stärkste Golfliga weltweit. Das Duo Mack/Krauter, beide erst seit diesem Sommer Profis, machte in La Manga bei der Final Stage der LET Q-School gar den doppelten Aufstieg perfekt. Auch Sophie Hausmann und Alexandra Försterling schafften es in Spanien, sich eine Spielerlaubnis für die höchste europäische Liga zu sichern. Fest steht: Sowohl in Europa als auch über dem großen Teich wird das schwarz-rot-goldene Aufgebot stärker in Breite und Spitze. Einen großen Anteil daran hat Damen-Bundestrainer Stephan Morales. 

Herr Morales, der Dezember war der Monat der Q-Schools und die deutsche Ausbeute kann sich sehen lassen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Sehr intensiv. Ich war fünf Wochen am Stück in den USA und habe die Spielerinnen für die zweite und letzte Stufe der Q-School zur LPGA betreut. Es war eine sehr intensive Phase und ist nicht immer einfach zu moderieren über so einen langen Zeitraum. Aber wir haben die Zeit zwischen den beiden Stages genutzt, um einen Lehrgang in Orlando durchzuführen und auch dafür gesorgt, dass nicht zu viel Reibung entsteht. Insgesamt muss ich sagen: Diese Zeit war eine Kür. 

Was ist wichtig für die Spielerinnen in der Vorbereitung auf so ein spezielles Turnier?

Uns war es wichtig, den Spielerinnen einerseits ihren Freiraum zu lassen, aber dass sie andererseits immer die Möglichkeit haben, auf uns zuzukommen, wenn sie im schwungtechnischen oder auch im physiotherapeutischen Bereich Hilfe benötigen. Wir hatten fast vier Wochen lang auch ein Physio-Team mit vor Ort. Was vor allem für die Spielerinnen wichtig war, die sich bereits durch die Vor-Qualifikationen durchkämpfen mussten oder sich im Anschluss noch in La Manga für die LET qualifizieren wollten. 
 

Im Interview: Damen-Bundestrainer Stephan Morales
Im Interview: Damen-Bundestrainer Stephan Morales | © Stebl/DGV


Zwei Q-School-Aufstiege in so kurzer Zeit zu schaffen, wie es Polly Mack und Aline Krauter gelungen ist, ist schon eine besondere Leistung.

Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung. Sicher ist es schön, wenn mit Alexandra Försterling und Polly Mack zwei Deutsche die Final Stage zur Q-School zur LET gewinnen und zeigt auch ganz gut, wo wir aktuell stehen, aber ich habe auch allerhöchsten Respekt vor Aline Krauter, die es mit einem Birdie auf dem letzten Loch noch geschafft hat. Oder Sophie Hausmann, die ihr Spiel trotz Rückenproblemen sehr eindrucksvoll zusammengehalten hat. 

Aline Krauter musste zuvor durch alle drei Stufen der LPGA Q-School und hat sich durchgekämpft. Wie schätzen Sie diese Leistung ein?

Das ist eine physische und psychische Meisterleistung. Aline hat wirklich bewiesen, wie belastbar sie ist. Sie hatte zuvor ein unglaubliches Jahr, hat mit ihrem Team im College einen großen Titel gefeiert, dann der Wechsel ins Profilager und das Debüt auf der LPGA Tour. Am Ende stand noch der kräftezehrende Weg zu den Tour-Karten an. Sie hatte 2022 sehr viele Drucksituationen und konnte alles meistern. Das war schon irre. 

Der Weg zum Klassenerhalt 2023 wird wahrscheinlich nicht einfacher werden als der Aufstieg. Was erwartet die Spielerinnen vor allem auf der LPGA Tour in der kommenden Saison? 

Man muss sich auf einer Tour wie der LPGA erstmal etablieren. Da spielen die 100 besten Spielerinnen der Welt. Es gibt weltweit keine besseren Felder. Ich denke, es kommt viel auf den Start in die Saison an. Man muss das Gefühl kennenlernen, fünf oder sechs Schläge unter Par nach zwei Runden liegen zu müssen, um den Cut zu schaffen. Das ist schon ein Druck für die Mädchen, weil alle richtig gut spielen können. Polly und Aline sind jetzt jung dabei und bisher ist alles glatt gelaufen. Wollen wir hoffen, dass es auch auf der LPGA Tour weiter so läuft. Und mit Alexandra Försterling und Sophie Hausmann haben wir zwei Mädels, die ihren Weg auf der Epson Tour gehen und es vielleicht auf diese Weise auf die LPGA schaffen wollen. 

Was macht das deutsche Damengolf im Moment so stark?

Wir haben sechs deutsche Damen auf der LPGA Tour, wenn ich Caroline Masson mit dazu nehme. Das zeugt schon von Qualität. Im weiblichen Bereich arbeiten wir übergreifend von den Mädchen bis zu den Tour-Spielerinnen sehr gut zusammen. Wir haben eine Wand nach der anderen eingerissen. Aline Krauter und Leonie Harm haben große Amateurtitel gewonnen, Caro Masson ihren ersten Sieg auf der LPGA Tour gefeiert, Sophia Popov bei der Women’s Open triumphiert. Diese Spielerinnen kennen sich alle und spielen miteinander. Bei einem Lehrgang haben wir dann auch Amateure dabei, die vielleicht mal einer Tour-Spielerin fünf Euro beim Zocken abnehmen. Das vermittelt das Gefühl, dass die Lücke nicht so groß ist und dass man selbst vielleicht nicht so weit von diesem Niveau entfernt ist, wie man denkt. Diese Verzahnung, und dass wir die ganze Gruppe oft zusammenbringen, macht es greifbarer und gibt einen Push. In den Trainingsgruppen haben wir zudem ein extrem hohes Niveau. Wir wären im August beinahe Weltmeister geworden. Am Ende hat nur ein Schlag gefehlt. Man kann schon sagen: In Europa sind wir aktuell die ganz große Nummer im Damenbereich.

Vielen Dank für das Gespräch!