Mental
Das Gehirn auf Erfolg programmieren
27. April 2024 , Felix Grewe
Der Mensch hat rund 60.000 Gedanken am Tag. Wie Ihnen das Wissen über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns dabei helfen kann, besser Golf zu spielen.
Vielleicht kennen Sie die Geschichte von Roger Bannister. Der Brite lief im Mai 1954 als erster Mensch der Welt die englische Meile (1.609 Meter) unter vier Minuten. Eine Sensation, für die er zum Helden geadelt wurde. Es galt bis dato als unmöglich, eine solche Zeit aufzustellen. So viele Athleten waren gescheitert, Experten erklärten damals sogar, warum es aus physiologischen Gründen niemals möglich sein werde, die Vier-Minuten-Marke zu knacken. Dann kam Bannister und kurz darauf geschah das, was noch viel faszinierender war als seine Meisterleistung: Gerade einmal sechs Wochen nach Bannisters 3:59,4 Minuten-Lauf wurde der Rekord erneut gebrochen. Am Ende des Jahres blieben sogar 36 Läufer unter jener Marke, die zuvor als unerreichbar galt. Der plausibelste Grund für diese Entwicklung: Bannister hatte mit seinem Traumlauf eine Bremse im Kopf gelöst – und zwar auch bei seinen Kollegen. Das, was lange Zeit als utopisch halt, war plötzlich erwiesenermaßen möglich. Und damit war es vorstellbar.
Kein Unterschied zwischen Realität und Phantasie
Kjell Enhager, ein Sportpsychologe und Autor aus Schweden, der bereits viele Golfprofis als Mentalcoach begleitet hat, erklärt: „Ob wir eine reale Erfahrung machen oder uns ein Erlebnis bloß bildlich vorstellen, macht für unser Gehirn keinen Unterschied. Es speichert in beiden Fällen die Erfahrung entweder als positiv oder negativ ab.“ Neurowissenschaftler konnten diese These, so Enhager, bereits vor mehr als 35 Jahren belegen. Der Schwede ist auch Botschafter einer Hirnstiftung in seiner Heimat, die sich der Erforschung von Hirnerkrankungen, Verletzungen und Behinderungen widmet und sich auch dafür einsetzt, erforschtes Wissen über die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns zu vermitteln.
Erfolgserlebnisse als Chancen im Kopf
Genau darüber spricht Enhager in einem Video auf dem YouTube-Kanal von Golflegende Nick Faldo. Beide kennen sich von der Tour, haben sich bei der British Open 1998 zum ersten Mal getroffen. Was Enhager in gerade einmal fünf Minuten erläutert, ist die Essenz dessen, wie und warum mentales Training funktioniert – und wie sich das Gehirn auf Erfolg programmieren lässt.
Die Zusammenfassung geht so: Wir Menschen speichern in den verschiedenen Teilen unseres Gehirns – einem kleineren bewussten und einem größeren unbewussten Areal – sowohl positive als auch negative Erfahrungen ab. Diese dienen uns als eine Art Brennglas, durch das wir schauen, wenn wir vor einer ähnlichen Herausforderung stehen, die wir entsprechend unserer verankerten Erinnerungen dann entweder als Chance oder als Problem betrachten. Beispiel: Sie pfeffern Ihren Drive an Loch eins Ihres Heimatclubs regelmäßig so weit auf das Fairway, dass Sie grundsätzlich mit dem zweiten Schlag das Grün erreichen und zum Birdie putten. Durch die Erfolgserlebnisse aus der Vergangenheit verknüpft Ihr Gehirn die Auftaktbahn mit der Chance auf einen guten Score. Sie schwingen in der Folge lockerer, weil Sie weniger Angst vor einem Fehlschlag haben als beispielsweise an Loch drei. Dort landen Sie nämlich mit größter Vorliebe erst im Gewässer und anschließend im Bunker. Sie haben hier in den letzten Jahren schon mehr Schläge verloren als Bernhard Langer Titel gewonnen hat. Die Folge: Loch drei ist in Ihrem Gehirn als Problem verankert.
Der Sinn und Zweck des Trainings
„Wir schauen durch unsere persönliche Brille auf die Realität“, erklärt Enhager. Bedeutet: Unsere gespeicherten Erfahrungen entscheiden darüber, ob wir bei einer Rose eher die Dornen oder die Blüten betrachten. „Nichts mag das Gehirn weniger als das Unbekannte“, erklärt der Experte weiter. Wenn Sie also auf eine Runde gehen, die Sie noch nie gespielt haben, bekommt das Gehirn Schwierigkeiten, Ihnen zu sagen, was zu tun ist. Es sei denn, Sie entwickeln durch mentales Training in Ihrer Phantasie funktionierende Bilder, die als positive Erfahrungen quasi hinterlegt werden. „Das ist Sinn und Zweck des Trainings an sich“, erklärt Enhager. Es geht also darum, in einer Übungseinheit so viele positive Erfahrungen wie möglich zu machen, damit diese im Gehirn als solche verankert werden. So fällt es dann leichter, sich vorzustellen, dass diese Leistung wiederholbar ist. Roger Bannisters Traumlauf hat das bereits 1954 eindrucksvoll belegt...
Die Funktionsweise des Gehirns in fünf Minuten erklärt...