Portrait
Henrik Stenson: So tickt Europas neuer Captain
16. März 2022 , Thomas Kirmaier
Der Mann fährt gut Ski, entwirft coole Brillen, taucht gern, liebt schnelle Autos und hat Humor. Vor allem aber ist Henrik Stenson Papa und Ehemann. Aber auch Europas neuer Ryder-Cup-Kapitän. Ein Portrait.
Geboren wird Henrik Stenson am 5. April 1976 in Göteborg. Als kleiner Junge spielt er Fußball und Badminton. Er wächst bei seinen Eltern Mona und Ingemar sowie mit der zehn Jahre jüngeren Schwester Ulrika in Südschweden auf. Zum Golf kommt er durch seinen Jugend-Freund Pontus, der ihn zum Gullbringa Golf & Country Club im Städtchen Kungälv schleift, wo Henrik, eigentlich Linkshänder, das Golfspielen so richtig im Alter von zwölf Jahren wie ein Rechtshänder erlernt.
1991 zieht er mit seiner Familie nach Bjärred außerhalb von Malmö und wird Mitglied des Barsebäck Golf & Country Club. Mit 15 erreicht er ein Handicap von fünf, mit 18 null und spielt in seinen Teenager-Jahren bei Junioren- und Amateurturnieren in Schweden. „Als Kind habe ich immer zu Mats Lanner aufgeschaut. Grund war, dass er so eine coole Spalding-Tasche hatte“, verrät Stenson auf seiner Website über sein Idol. Damals habe er gedacht, je größer die Tasche, desto besser. „Auch wenn ich sie gar nicht hätte tragen können.“
Drei Kinder mit Gattin Emma
Im schwedischen Fernsehen gibt es damals nur wenige Golf-Übertragungen. Einige Majors kann der junge Stenson aber schauen – und wird von ihnen inspiriert. Allen voran die Open Championship 1991 im Royal Birkdale GC im englischen Southport. Auch den Ryder Cup 1989, 1991 und 1993 sieht er im TV. Henrik Stenson saugt das auf, wächst zu einem der besten Golfer Schwedens und später Europas heran und findet auch privat sein Glück.
An der University of South Carolina lernt Stenson Emma Löfgren kennen, die dort Public Relations studiert. Sie stammt aus einer sportlichen Familie in Nordschweden, ist eine sehr talentierte Alpin-Skifahrerin, entscheidet sich aber ebenfalls für eine Golf-Karriere. Beide teilen ihre Hobby und verlieben sich. Im Dezember 2006 heiratet Stenson seine Emma in Dubai, wo sie bis 2012 leben und eine Familie gründen. Tochter Lisa kommt im Juli 2007 zu Welt, Bruder Karl im März 2010 und Alice im Oktober 2014.
Familie und Traditionen werden groß geschrieben im Hause Stenson. Die Familie wohnt zwar seit zehn Jahren wieder in den USA, wann immer es ihre Zeit aber zulässt, besuchen sie Verwandte und Freunde in ihrem Heimatland Schweden. Wenn für längere Zeit kein Turnier ansteht, gehen die Stensons gerne zum Skifahren. Und wenn es keinen Schnee gibt? Dann geht’s auf die Jet-Ski auf den Seen rund um Orlando oder zum Schnorcheln. Auch schnelle Autos haben es Henrik Stenson angetan.
Sportlich geht es in seiner Karriere als Profi häufiger rauf und runter. Nach seinem Gesamtsieg auf der Challenge Tour (schon damals gibt ihm ein Sky-Reporter den Spitznamen Iceman) steigt Henrik Stenson 2001 auf die European Tour auf, wo er in seinem Premierenjahr gleich ein Event gewinnt. 2006 gibt er sein Debüt im Ryder Cup, 2007 siegt er erstmals auf der PGA Tour, 2008 holt er mit Robert Karlsson den World Cup nach Schweden. Nach seinem Triumph bei der Players Championship 2009 rückt er bis auf Rang fünf der Weltrangliste vor, fällt anschließend aber in ein sportliches Loch und aus den Top 200 der Welt. Aber er kämpft sich zurück.
2012 gewinnt er wieder auf der European Tour, 2013 wieder in Nordamerika. Lange Zeit wird Henrik Stenson, der häufiger mit dem Holz 3 abschlägt als mit dem Driver, in der Liste der besten Golfer geführt, die nie ein Major gewonnen haben. Bis zum Sommer 2016, als er sich ein episches Duell mit Phil Mickelson liefert und die Trophäe bei der Open Championship holt. Stenson ist der erste Schwede, der ein Major gewinnt. Wenig später holt er die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Rio.
Und jetzt? Jetzt ist Henrik Stenson Europas neuer Hoffnungsträger. Er soll das Team wieder stark machen. Die historische 9:19-Pleite 2021 in Whistling Straits ist noch nicht vergessen. Was es für eine Revanche braucht? Motivation, Leidenschaft, Biss und einen kühlen Kopf. Da kommt der Iceman gerade recht. Cool, ruhig und nordisch – so ist der neue Skipper, der eine eigene Brillenkollektion entwirft und sich mit seiner Stiftung unter anderem für behinderte Kinder einsetzt. Die Entscheidung pro Stenson ist auch eine Art Botschaft an die USA: Der Schwede ist mehr Team Attacke als die anderen Kandidaten.
Als jüngst in Florida verkündet wird, dass Stenson Europas Captain für das Duell 2023 in Rom (29. Sepember bis 1. Oktober) sein wird, sagt der neue Mann am Ruder genau das, was alle europäischen Golffans hören wollen: „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun und nichts unversucht lassen, um den Ryder Cup wieder in europäische Hände zu bekommen.“ Das ist mal eine Ansage. Stenson ist nach Ballesteros (1997), Langer (2004), Olazábal (2012) und Bjørn (2018) erst der fünfte Kontinentaleuropäer als Kapitän. Jedes Mal, wenn das so war, gewann Europa. Na dann...