R&A Boys&Girls

Beeindruckend komplex


12. August 2024 , Stefan Bluemer


R&A-Setup am Tee (© DGV)
R&A-Setup am Tee (© DGV)

In England finden in dieser Woche zum dritten Mal die beiden wohl bedeutendsten Turniere für Jugendliche in Europa am gleichen Ort statt. Zuvor war bei den traditionsreichsten Jugendturnieren der Welt die Austragungsorte getrennt. 2024 sind bei der R&A Girls' Amateur Championship neun Deutsche am Start, bei der R&A Boys' Amateur Championship kommen sieben Teilnehmer aus Deutschland. Damit sind 2024 erheblich weniger Talente aus Deutschland am Start als noch im Vorjahr.

Leeds/England – Tradition. Geschichte. Ehrfurcht. Respekt. Sport. R&A Boys and Girls Amateur Championship. Immer, wenn der R&A die Jugend der Welt ruft, um im sportlichen Wettkampf zunächst im Zählspiel, später dann im Matchplay die besten der Altersklasse zu ermitteln, sind irgendwelche historischen Superlative des Golfsports im Spiel. So auch im Jahr 2024.

Eigentlich fünf Jahre zu früh, denn der Moortown GC, einer von zwei Venues, auf dem in diesem Jahr die R&A Boys und R&A Girls ausgetragen wird, war 1929 der erste Gastgeber des Ryder Cups auf britischem Boden und so hätte man auf diesem Platz das große Jubiläum feiern können. Damals triumphierte das Heimteam mit 7:5 über die Mannschaft von Walter Hagen aus den USA. Zum fünften Mal ist Moortown Gastgeber der R&A Boys' Amateur Championship. Das Layout ist jüngst Renovierungsarbeiten unterzogen worden und der Platz ist daher auf dem aktuellen Stand der Technik.

Alwoodley, der zweite Platz, auf dem in dieser Woche gespielt wird, gilt als einer der besten Golfplätze Großbritanniens, der nicht direkt an der Küste liegt. Das Design stammt aus der Feder von Alister MacKenzie, der einige der bekanntesten Plätze der Welt entworfen hat, darunter Augusta National, Cypress Point und Royal Melbourne. Mehr Herausforderung ist also kaum möglich.

1919/1921

Die R&A Boys' Amateur Championship wird seit 1921 ausgetragen. Hier stehen in der Siegerliste so große Namen, wie Michael Bonallack, José María Olazábal, Sergio Garcia, Matthew Fitzpatrick, Adrián Otaegui, Tom Lewis und David Howell.
Schon seit 1919 wird das Turnier für Mädchen ausgetragen. Zu den bisherigen Gewinnerinnen gehören Major-Champions und Solheim-Cup-Spielerinnen wie Anna Nordqvist, Suzann Pettersen, Azahara Munoz und Georgia Hall.
Die Spanierin Martina Navarro, die vor einem Jahr in Ganton den zweiten Platz hinter Helen Briem belegte, wird in diesem Jahr einen neuen Anlauf unternehmen, sich diesen so begehrten Titel zu sichern. Sara Brentcheneff aus Frankreich ist die aktuell bestplatzierte Spielerin des Feldes und liegt nur knapp über der 100er-Marke des World Amateur Golf Ranking.
In diesen Tagen eine besondere Randnotiz: Die Französin Perrine Delacour, die 2009 das Turnier gewonnen hat, hatte bei den Olympischen Spielen in Paris die Ehre, mit dem ersten Abschlag das Turnier der Frauen zu eröffnen.

Deutsche Erfolge

Die Erfolge deutscher Teilnehmer bei diesem so traditionsreichen Turnier halten sich bisher in Grenzen. Bei den Mädchen gab es erst 2023 den ersten deutschen Sieg, als sich Helen Briem vom Stuttgarter GC im Finale durchsetzen konnte. Briem ist inzwischen als Nummer eins im World Amateur Golf Ranking ins Profilager gewechselt und kann daher ihren Titel nicht verteidigen. Zuvor war es 2014 Chiara Mertens vom GC Hubbelrath gelungen, Miriam Nagl nachzueifern, die von 1997 bis 1999 dreimal in Folge das Finale erreichte, dort aber jeweils den Kürzeren zog.
Bei den Jungen sucht man bis ins Jahr 2005 vergeblich nach einem Finalteilnehmer aus Deutschland. Bernhard Neumann vom GC St. Eurach gelang es in Hunstanton, das Turnier zu gewinnen und sich damit einen Platz im Team der Oklahoma State University in Stillwater zu sichern, weil der damalige College-Coach den Auftritt des Bayern miterlebt hatte.
Falko Hanisch vom Berliner GC Stolper Heide ist bis heute der zweite und letzte Deutsche, der den zweiten Vornamen „British Boys Champion“ tragen darf. Der Berliner gewann 2016 und zog 2017 zudem noch ein zweites Mal ins Finale ein. Zuvor waren Max Rottluff 2010 und Michael Hirmer 2013 jeweils im Finale ihren Kontrahenten unterlegen.

Anreiz

Wenn das Prestige noch nicht als Anreiz ausreicht, bei diesem Turnier alles in die Waagschale zu werden, gibt es für den Sieger noch „Zückerchen“ on top. Der Youngster, der am Samstag den Siegerpokal entgegen nicht, darf bei der nächsten Amateur Championship mitspielen und steigt für eine Teilnahme an The Open im Final Qualifying ein.
Die Siegerin der Mädchen bekommt für 2025 eine Einladung zum Augusta National Women's Amateur.

Zählspielqualifikation

An den beiden ersten Wettkampftagen spielen jeweils 144 Teilnehmer eine Runde Zählspiel. Nach der zweiten Runde gibt es einen Cut und nur die besten 64 steigen in die Matchplays auf. Ab Mittwoch wird es dann in direkten Duellen Junge gegen Junge respektive Mädchen gegen Mädchen weiter gehen, bis am Ende die Sieger feststehen.

Am ersten Wettkampftag gab es eine Gewitterunterbrechung, die dafür sorgte, dass bis in die Dunkelheit gespielt wurde.
Bei den Jungen ist Leon Herb vom GC St. Leon-Rot solide gestartet. Der Kurpfälzer, der gerade eben seinen 18. Geburtstag gefeiert hat, lag nach Birdies auf den Löchern 1 und 3 schnell zwei unter Par, konnte anschließend aber keine weiteren Birdies unterbringen, kassierte dafür aber auf dem Par 71 Course noch fünf Bogeys. Mit +3 geht Herb vom 40. Platz in die zweite Runde.
Auch Clubkamerad Florentin Meller startete mit einem Birdie und brachte auf Loch 16 noch ein zweites Birdie unter, musste aber insgesamt sechs Bogeys auf die Scorekarte nehmen und ist mit +4 auf Platz 54 zunächst der zweitbeste Deutsche.
Die übrigen Youngster aus Deutschland müssen sich am zweiten Tag steigern, um den Cut der besten 64 zu machen.

Volles Programm

Benjamin Schlichting, der als Co-Trainer in England Bundestrainer Christoph Herrmann vertritt, hatte einen sehr herausfordernden Tag erlebt: „Wir haben hier einen Golfplatz, der nichts verzeiht. Sehr harte Grüns, links und rechts der Fairways blüht die Heide oder ist schweres Rough. Wir hatten heute drehenden Wind und eine Gewitterunterbrechung, also schon so ziemlich das volle Programm an Herausforderungen. Alle Athleten haben sich mit unterschiedlichen Bereichen schwer getan. Sei es mit dem Wind, mit dem harten Bounce, den engen Fairways oder mit den auch relativ schnellen Greens. Jeder hat hier so seine individuellen Schwierigkeiten, an denen wir auf jeden Fall jetzt arbeiten werden. Wir sind da guter Dinge, dass morgen noch Schritte gemacht werden können, um ins Lochspiel zu kommen. Es ist wirklich ein mega Golfplatz mit einem top Setup, beste Bedingungen, wie man es auch kennt. Es ist einfach ein großer Test für die Jungs, der zeigt, dass noch einiges gelernt werden darf, aber auch, dass schon viele Dinge gut sind.“

Chance, zu lernen

Bei den Mädchen, die auf The Alwoodley bei Par 72 gespielt haben, war Sophie Bingel am besten unterwegs. Die Athletin des G&LC Berlin-Wannsee brachte drei Birdies unter, hatte aber auch sechsmal nicht geschafft, ihr Par zu halten. Mit +3 geht die Berlinerin von Platz 40 als beste Deutsche in den zweiten Tag.
Auch dieser Platz hat es in sich. Bundestrainer Sebastian Rühl ist jedenfalls sehr dankbar, mit seinen Mädels dort spielen zu dürfen: „Es ist vermutlich mit der beeindruckendste Golfplatz, den ich in meinem Leben jemals gesehen habe. Dieser Platz war das allererstes Design von Alister MacKenzie. Insofern kann man sich ganz gut vorstellen, dass wir hier auf einem taktisch und strategisch wahnsinnig anspruchsvollen Golfplatz unterwegs sind. Mein Fazit vom Tag ist zwei geteilt. Auf der einen Seite, wenn man jetzt nur die Ergebnisse betrachtet, müssen wir morgen auf jeden Fall nochmal einen Gang hoch schalten. Wir müssen an vielen Stellen eine Ecke aggressiver spielen und an den richtigen Stellen defensiv. Aber generell müssen wir versuchen, auf jeden Fall mehr in Richtung Birdie zu gehen und eben halt nicht nur stabil defensiv, sondern das muss bei den meisten ein bisschen aggressiver werden. Das ist der Gameplan für morgen. Man muss hier aber genauso gut im richtigen Moment in die maximale Defensive schalten. Rechts und links neben der Spielbahn ist in der Regel Heidekraut. Das macht was mit dir, wenn du wirklich 14 Abschläge lang rechts und links Heidekraut mit dir trägst. Tiefe Fairway-Bunker, wirklich komplexe Situationen und teilweise kein Schuss in Richtung Fahne. Es ist hier wirklich knackig, gut ins Spiel zu kommen. Wichtig ist, morgen auch bei den Schüssen ins Grün etwas aggressiver zu sein, aber trotzdem defensiv im richtigen Moment. Wenn die Ergebnisse nicht sensationell gut sind, dann sind natürlich die Lernchancen umso höher und darüber bin ich ja grundsätzlich immer sehr glücklich. Hier hat heute jeder echt ein paar gute Hinweise bekommen, in welchen Bereich noch gearbeitet werden kann, damit wir im Junior Team Germany auf solch´ komplexen Golfplätzen noch ein bisschen besser werden. Wir haben heute die Runde noch individuell nachbereitet und dann greifen wir morgen nochmal an.“