The Am

Schiergen steigt auf


20. Juni 2024 , Stefan Bluemer


Laurenz Schiergen vom GC Hösel (© DGV/stebl)
Laurenz Schiergen vom GC Hösel (© DGV/stebl)

Am Vormittag geht es für die beiden Deutschen im Kreis der Top 32 sehr mit gemischten Gefühlen weiter. Bei dieser 129. Auflage der Amateur Championship zeigt Laurenz Schiergen gegen den Sieger der Zählspielqualifikation eine grandiose Leistung und schafft den Sprung ins Achtelfinale, während Tim Wiedemeyer weder mit Fortuna, noch mit der Schwerkraft im Bunde ist und trotz fast fehlerfreien Spiels unglücklich auf dem 18. Grün ausscheidet.

Donegal/Irland – Somit steht für Tim Wiedemeyer ein 17. Platz bei diesem so prestigeträchtigen Turnier in den Büchern. Angesichts der Größe und Qualität des Teilnehmerfeldes ist diese Platzierung mehr als ehrenwert. Noch besser ging es für Laurenz Schiergen. Durch die guten Leistungen der ersten Tage hat Laurenz Schiergen viel Selbstvertrauen getankt. Sogar das Duell gegen den Sieger der Zählspielqualifikation sorgte bei dem Rheinländer, der in der 1. Bundesliga der Deutschen Golf Liga presented by All4Golf für den GC Hösel spielt, nicht für großes Kopfzerbrechen.Der Schotte Connor Graham, der 2022 die R&A Junior Open und 2023 die Scottish Men´s Open gewonnen hat, gehört zu den Top-Talenten des Kontinents und hat Europa auch schon beim triumphalen Sieg im Junior Ryder Cup vertreten.
Früh am Morgen gingen die beiden Kontrahenten um 7.30 Uhr auf den nördlichsten Golfplatz Irlands, hatten aber keinen Blick für die wild-raue Dünenlandschaft direkt an der Küste des Atlantiks. Nach drei geteilten Löchern ging der Deutsche mit einem Birdie in Führung, doch Graham glich postwendend mit einem ersten Birdie wieder aus. Auf Loch sechs setzte Laurenz Schiergen gegen die Nummer 226 des aktuellen World Amateur Golf Rankings ein Statement, als er mit seinem zweiten Birdie darauf bestand, die Führung bei sich zu behalten.
Auf den Löchern 11 und 12 legte Schiergen, der selbst im WAGR nur auf Position 2.054 geführt wird, nach und erhöhte seine Führung mit zwei Birdies, während der Youngster aus Blairgowrie mit einem Bogey dem Risiko Tribut zollen musste, das er inkauf nehmen musste, um Druck auf Schiergen aufzubauen. Mit einer beruhigenden 3auf-Führung für den Rheinländer ging es auf das 13. Tee. Auf diesem längeren Par 5 gelang dem Schotten ein Birdie, während Schiergen ohne Stress weiter Par auf Par spielte. Mit 2auf ging es Loch für Loch weiter und so langsam gingen Connor Graham die Löcher aus, so dass er mehr und mehr Risiko nehmen musste. Laurenz Schiergen konnte dagegen ganz sicher spielen und so war das Match auf der 16. Bahn beendet, als dem Sieger der Zählspielqualifikation ein Bogey unterlief. Mit 3&2 hatte sich der Deutsche gegen den Favoriten letztlich recht souverän durchgesetzt und damit den Aufstieg ins Achtelfinale geschafft.
Wieder einmal hat sich bestätigt, dass der Sieger des Zahlspiels nur sehr selten am Ende auch das Turnier gewinnt. Auch bei der 129. Auflage bleibt es dabei, dass mit Philip Parkin, Warren Bladon und Matteo Manassero nur ganze drei Spieler ihre starke Zählspielqualifikation in einen Turniersieg ummünzen konnten.

Achtelfinale

Nach kurzer Mittagspause ging es für Laurenz Schiergen um 13.10 Uhr direkt weiter mit dem Achtelfinale, in dem er auf Charlie Forster traf. Der Engländer hatte zuvor beim 5&4-Sieg gegen den Iren Max Kennedy makellos performt, war ohne Bogey geblieben und hatte mit vier Birdies, davon drei in Serie, die vorzeitige Entscheidung erzwungen.
Der Brite hat bisher als Referenzen je einen Sieg im U.S.-Collegegolf und einen Titel bei einem regionalen Turnier Englands vorzuweisen. Bei der English Men´s Amateur Championship hatte Forster 2022 Bronze gewonnen.
Schiergen ging früh in Führung, als der Engländer auf Loch 2 nur zum Bogey einlochen konnte. Auch auf Loch 3 musste Forster ein Bogey notieren, berappelte sich aber sofort wieder und verkürzte den Rückstand mit seinem ersten Birdie auf Loch 4 wieder auf 1down. Laurenz Schiergen spielte dabei ganz sicher und notierte Par auf Par. Jegliche Veränderung im Spielstand resultierte entweder aus Birdies des Kontrahenten oder aber aus Bogeys inklusive eines Doppelbogeys. Fast war es so, als ob der Spieler des GC Hösel seine ganz eigene Runde mit einer festen Taktik durchzieht und Charlie Forster nur mitspielen darf. So führte der Deutsche nach acht Löchern 2auf, nahm gelassen auf dem zehnten Grün den Ausgleich hin und ging auf der 13 erneut mit 2auf in Front, als ihm sein erstes und einziges Birdie gelang. Forster schaffte auf dem 17. Grün jedoch noch einmal den Ausgleich, so dass es tatsächlich auf das erste Extraloch ging. Nach einem langen und harten Tag, durfte Laurenz Schiergen hier über den Aufstieg ins Viertelfinale jubeln. Um 8.16 Uhr geht es am Freitag für den Rheinländer weiter. Gegner ist dann erneut ein Engländer.

Physik und Fortuna

Tim Wiedemeyer ging ins sein Match gegen Gunnlaugur Arni Sveinsson als klarer Favorit. Der Bayer hat als 180. im WAGR deutlich mehr und größere Erfolge auf der Habenseite als sein Kontrahent aus Island. Sveinsson gestaltete das Match aber trotzdem sehr offen und profitierte davon, dass es dem Bundesadler lange nicht gelang, mit Birdies Druck aufzubauen. Dafür hielt Wiedemeyer seine Scorekarte aber auch weitgehend sauber und hatte lange nur das eine Bogey auf der Karte, mit dem er auf Loch 4 nicht in Rückstand geriet, weil auch der Isländer ein Bogey gespielt hatte. Auf Loch 7 ging Sveinsson mit einem Birdie in Führung, gab diese aber mit einem Bogey auf Loch 9 wieder ab, weil Tim Wiedemeyer völlig unbeeindruckt sein Spiel durchzog und beinahe fehlerfrei agierte. All Square ging es also weiter auf die Back Nine des so anspruchsvollen Platzes des Ballyliffin GC, bis dem Isländer auf Loch 15 sein drittes Bogey unterlief. Nun hatte Tim Wiedemeyer erstmals die Führung inne, musste diese aber sofort auch wieder abgeben, denn dem Bayern im Bundesdress unterlief auf Loch 16 ein winziger Fehler, der zum Bogey führte.
Auf Loch 17 war Fortuna ganz eindeutig nicht in Schwarz-Rot-Gold unterwegs, denn der Putt zum Lochgewinn und zur Führung lippte in Super-Slom-Motion aus. Bundestrainer Christoph Herrmann war einigermaßen konsterniert, dass ein so gefühlvoll angeschobener Putt mit minimaler Geschwindigkeit auf der Lochkante derart die Gesetze der Schwerkraft außer Acht lassen kann.
All Square ging es auf das 18. Tee. Auf dem Grün stand die Fahne sehr kurz, so dass das Ziel sein musste, den Ball vor der Fahne zu platzieren, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Ball beim Putt wieder vom Grün rollt. Taktisch machte Tim Wiedemeyer alles richtig, indem er seinen Schlag kurz vor dem Grün ausrollen ließ. Aus rund sieben Meter Entfernung entschied sich Wiedemeyer, den Ball zu chippen, nachdem bei ähnlicher Lage ein Putt aus dem Vorgrün auf einem der früheren Löcher nicht erfolgreich gewesen ist. Der Landepunkt für die optimale Länge dieses Schlages war winzig und der Deutsche ließ diesen Chip wenige Zentimeter zu kurz. Der Par-Putt aus rund zwei Metern, der das Tor zum Stechen gewesen wäre, fiel nicht. So eng liegen Triumph und Aus auf einem Links Course dieses Formates beieinander.

Tim Wiedemeyer gratulierte seinem Kontrahenten fair: „Das warauf jeden Fall ein geiles Turnier mit gutem Teilnehmerfeld. Heute habe ich gut gespielt, aber am Ende hat es mit Bogeys auf den Löchern 16 und 18 nicht ganz gereicht. Mit 1down zu verlieren, ist natürlich nicht so toll. Der Iceman hat gut gespielt und viele wichtige Putts zum Par gelocht.“

Stark aus der Enttäuschung hervorgehen

„Natürlich ist erstmal die Enttäuschung da. Tim hatte vor dem Turnier aber schon am College eine Phase, in der nicht alles nach Wunsch lief und man eine Verunsicherung spürte. Nach dem Neuanfang mit Club- und Trainerwechsel hat man nun aber das Gefühl, dass sich alles stabilisiert und Tim von Woche zu Woche wieder stärker wird. Schon beim Vorbereitungslehrgang für die Team-EM hat er gezeigt, wie stark er sein kann. Und auch hier hat er sich in die Matchplays durchgekämpft. Bei 288 Startern ist es ja auch schon richtig gut, unter den besten 32 zu sein, denn das Niveau  ist hier sehr, sehr hoch. Ich glaube daher, dass auch Tim in wenigen Stunden schon wieder die positiven Aspekte sehen wird und insgesamt durch die Erfahrungen auf diesem Links Course noch stärker wird. Nächste Woche bei der Einzel-EM hat er ja schon die Chance, sich noch weiter zu stabilisieren und wieder dahin zu spielen, wo er sich und wir ihn sehen: bei den absoluten Elite-Spielern Europas“, sieht Bundestrainer Christoph Herrmann den German Boys Champion von 2023 auf einem sehr guten Weg.