Interview
„Golf ist für mich jetzt endlich Freude“
22. Februar 2023 , Thomas Kirmaier
Im Oktober 2022 gab Sebastian Heisele sein Karriere-Ende als Tour-Pro bekannt - für viele überraschend. Was ihn dazu bewegt hat, welche Ziele und Projekte er jetzt verfolgt und von welchem Star er sich etwas abschauen durfte, das hat er Golf.de beim Interview in einem Münchner Café verraten.
Sebastian, du hast mit 34 deine Karriere als Tour-Pro beendet. Wie fühlt sich das an?
Das fühlt sich sehr gut an. Ein bisschen wie die Befreiung aus dem Käfig. Ich hatte 2021, als ich nicht wirklich ein gutes Jahr hatte, schon das Gefühl, dass es so nicht weitergehen würde. Dann kamen gesundheitliche Probleme dazu; ich musste unters Messer und mir die Schilddrüse entfernen lassen. Die Ergebnisse waren auf der European Tour nie so, dass ich mich hätte etablieren können, wie es beispielsweise einem Max Kieffer dauerhaft gelungen ist. Bei mir ging es immer hoch und runter, es fühlte sich mehr an wie im Journey-Man-Style. Das ist schon etwas, was mich heute noch wurmt, dass ich das nicht hinbekommen habe. Aber jetzt steht erst einmal ein neues Kapitel an, mein Leben wird in gewisser Weise neu aufgestellt. Ich habe beschlossen, mein Kind nicht über Facetime aufwachsen zu sehen.
Apropos neues Kapitel. Welche beruflichen Engagements und Projekte hast du aktuell?
Seit der Saison 2021 gehöre ich dem Coaching-Team im GC Wörthsee an, habe dort meine Hütte, gute Bedingungen und gebe Stunden. Da ich zuletzt aber noch auf der Tour unterwegs war, hielt sich das Pensum in Grenzen. Das geht jetzt erst richtig los. Dazu gehöre ich ebenso dem Trainerteam im Bayerischen Golf-Verband an, versuche dort, aufstrebenden Talenten eine Art Mentor zu sein und ihnen Erfahrungen zu vermitteln, was es bedeutet, als Pro auf der Tour unterwegs zu sein. Es ist vielleicht ganz gut, wenn die Jungs und Mädels einen Ansprechpartner haben. Eine Anlaufstation, die mir in jungen Jahren gefehlt hat. Dazu habe ich mit meinem Ex-Coach und Kumpel Arne Dickel einen Podcast gestartet. Über diesen Pro-Talk wollen wir ebenfalls wertvolle Tipps geben. Sowohl im spielerischen als auch im mentalen oder organisatorischen Bereich.
Du bist in den Niederlanden geboren, in Dubai aufgewachsen, hast in den USA studiert und lebst jetzt in München. Was ist eigentlich Heimat für dich?
Puh, das ist eine gute und schwierige Frage. Ich würde vielleicht sagen Planet Erde. In Dubai habe ich noch Jugendfreunde. In den USA habe ich zwar studiert und ebenfalls noch Kontakte, aber auch nicht wirklich Wurzeln. Und jetzt leben wir in München, haben geheiratet, Kind ist unterwegs. Von daher ist wahrscheinlich München aktuell Heimat für mich.
Wie bist du überhaupt zum Golf gekommen und wann hast du entschieden, Profi zu werden?
Wir sind damals von Freunden aus Irland zum Golfen auf die Bahamas eingeladen worden. Mich hat anfangs mehr das Cartfahren interessiert. Mit meiner Ballangel habe ich Bälle aus den Teichen gefischt. Aber irgendwann, als ich so acht oder neun Jahre alt war, wurde ich Zweiter oder Dritter bei einem Turnier, habe dafür einen Gutschein bekommen, von dem ich mir einen Handschuh gekauft habe. Da merkte ich, dass man damit Geld verdienen und sich etwas erarbeiten kann. So fing das an. Als ich 16 war, ging dann ein Freund auf die Leadbetter Academy in Florida und hat mir davon erzählt. Da wollte ich dann auch hin und bin über diese Station nach Colorado zum College - und später schließlich zum Profigolf gekommen.
Bei deinem letzten Turnier auf der Tour 2022 in Portugal konntest du nochmal um den Sieg mitspielen, obwohl du eigentlich gar nicht mehr teilnehmen wolltest...
Ja, das ist verrückt. Ich wollte da wirklich nicht hin. Aber wir haben dann gesagt, wir wollen einen netten Abschluss machen, Sonne tanken und die Stimmung aufsaugen. Wir hatten viel Spaß und ich hatte zum Ende nochmal einen Profi-Caddy dabei, um die Atmosphäre und das Turnier richtig anzugehen. Quasi ohne große Erwartungen lief es aber dann doch überraschend gut. Ich konnte bis zum Schluss ganz vorne mitspielen. Jordan Smith war mit 30 unter Par zwar zu weit weg, aber Platz fünf bei einem DP-World-Tour-Turnier in meinem vorerst letzten Event war schon nochmal eine schöne Sache, aber irgendwie auch komisch, dass es beim letzten Turnier dann noch so kommt.
Vorerst letztes Event? Heißt, Comeback nicht ausgeschlossen?
Nein. Ich möchte auch in dieser Saison die BMW International Open spielen. Es ist zwar nicht mein bestes Turnier, aber gut möglich, dass ich da noch einmal dabei bin. Dazu vielleicht die Porsche European Open in Hamburg und die Big Green Egg German Challenge im Wittelsbacher GC – das sind so die Turniere, die vor der Haustüre liegen und die ich gerne spielen möchte. Klar liegt der Fokus jetzt erst einmal auf Familie, aber wer weiß, was in den nächsten Jahren passiert. Golf ist Gott sei Dank ein Sport, den du leistungsmäßig auch mit Mitte 30 oder sogar ab 50 auf der Seniors Tour noch sehr gut ausüben kannst. Und wenn ich in einigen Jahren das Kribbeln in den Fingern spüre, gibt es mit der Q-School oder der Pro Golf Tour ja gute Möglichkeiten, die Karriereleiter wieder hochzugehen. Viele behaupten ja, dass du erst ab einem gewissen Alter die nötigen Erfahrungen gesammelt hast, um wirklich zu performen.
Bist du jemand, der sich selber vielleicht zu viel Druck macht?
Ja, leider zu viel wahrscheinlich. Früher hatte ich immer das Gefühl, dass ein verpasstes Turnier einfach nur schade ist. In Pausen habe ich zu selten den Mehrwert gesehen und zu sehr an verpasste Punkte oder verpasstes Preisgeld gedacht. Da war Geduld auch nicht unbedingt meine Stärke. Problem war für mich vielleicht auch, dass ich durch die sozialen Medien zu sehr verglichen habe. Da siehst du was bei Rory und denkst dir, das mache ich jetzt auch, statt deinen eigenen Weg zu gehen. Aber das ist besser geworden in den vergangenen beiden Jahren. Der ganze Druck ist durch die Entscheidung aufzuhören ohnehin jetzt erst mal weg.
"Tour-Pros leben im Haifischbecken"
Was empfiehlst du jungen Burschen oder Mädels, die es auf die Tour schaffen wollen?
Dass sie es auf jeden Fall versuchen sollen. Klar lebt man als Tour-Pro irgendwie im Haifischbecken. Es ist oft eine komische Stimmung, weil du beim Essen zusammensitzt, Scherze machst, aber doch irgendwie alle Kontrahenten sind, die sich am nächsten Tag schlagen wollen. Andererseits sammelst du großartige Erfahrungen, knüpfst wertvolle Kontakte, siehst viel von der Welt, entwickelst dich als Mensch und lernst mit Höhen und Tiefen umzugehen. Dieses Flair fehlt mir schon manchmal und du hast ja auch erfahrene, gestandene Tour-Pros um dich, die dir Fragen beantworten, dir helfen und dich weiterbringen.
Welche Jungs auf der Tour waren da so deine Ansprechpartner, wenn du Fragen hattest?
Thomas Bjørn war einer, der mich gerne an die Hand genommen und mir etwas gezeigt hat. Das hatte mir Martin (Kaymer, Anm. d. Red.) schon gesagt, dass ich zu ihm gehen solle, wenn ich Hilfe brauche. Da gibt es tatsächlich auch so ein Aha-Erlebnis mit Bjørn, der wegen seiner grummeligen Art nicht immer der Beliebteste auf der Tour ist. Wir hatten in Dänemark zusammengespielt, als er auf Grün 16 von seinen Fans gefeiert wurde und mir plötzlich zurief: „Seb, come here!“ Ich dachte schon, oh Gott, was habe ich gemacht. Dann zog er sein Handy raus und hat ein Selfie mit mir gemacht. Das war echt cool. Wir hatten mit Callaway auch denselben Sponsor und immer mal wieder wertvolle Begegnungen. Oder auch Marcel Siem, Stephen Gallacher oder Nico Colsaerts sind Spieler, die mir geholfen haben. Diese Jungs sind einfach schon ewig da draußen und wissen eben ganz genau, wie es läuft.
Beende doch bitte diesen Satz: Golf ist für mich...?
Jetzt endlich Freude.
Vielen Dank für das Gespräch!
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