Regelfest

Ohne Strafe aus dem Busch


13. Mai 2024 , Daniel Dillenburg


Kam äußerst glimpflich aus einer misslichen Lage: Xander Schauffele.
Kam äußerst glimpflich aus einer misslichen Lage: Xander Schauffele. | © Getty Images / Youtube

Xander Schauffele wähnt seinen Ball eigentlich schon für verloren. Wenige glückliche Umstände später hat er einen stressfreien Schlag ins Grün und notiert das Par. Ein Turm und ein vernünftiger Plan kommen ihm zur Hilfe.

An einem Tag, an dem es der Golfgott gut mit einem meint, kann der Ball schon einmal tief im Gestrüpp landen und man kommt trotzdem mit einem sicheren Par davon. Einen solchen Tag hatte offensichtlich Xander Schauffele in Runde eins der Wells Fargo Championship in North Carolina erwischt. In Führung liegend stand der US-Amerikaner am achten Abschlag, seiner vorletzten Bahn, und schlug seinen Drive an dem kurzen Par 4 rechts raus. Sicherheitshalber legte Schauffele einen Provisorischen nach.

Die Ballsuche dauerte lang. Kurz vor Ablauf der Drei-Minuten-Grenze wurde Spielpartner Wyndham Clark fündig. Der Ball landete in einem stark bewachsenen Areal rechts vom Fairway. Glück, dass dieser Ball überhaupt gefunden wurde. Weniger glücklich: die Lage des Balls. Im Gestrüpp, an einem Zaun und mit einem großen Felsen im Rückschwung. Immerhin der Stein konnte aber mit etwas Kraftaufwand bewegt werden. Doch zufrieden konnte Schauffele mit seiner Situation immer noch nicht sein. Es käme nur ein absoluter Notschlag in Frage.

Ein Turm im Weg

Doch da kam der Golfgott ins Spiel. Oder besser gesagt: der ShotLink-Turm samt der dazugehörigen Verkabelung. Diese technische Vorrichtung zur Erfassung der Golfschläge befand sich nämlich in der von Schauffele anvisierten Spiellinie – also zwischen ihm und dem Loch. Glück gehabt. Denn dadurch hatte Schauffele die Möglichkeit, eine straflose Erleichterung in Anspruch zu nehmen – und zwar außerhalb des Buschwerks „Als Xander mich rief, wollte er wissen, ob er von diesem ShotLink-Turm Erleichterung bekommen könnte“, sagte Referee David Donnelly.

Donnellys erste Frage war: „Sag mir, was du versuchst zu tun?“ Schauffele ging in die Hocke, schaute in Richtung des Grüns und sagte: „Nun, ich habe einen einfachen Schlag. Ich kann ihn leicht auf das Grün bringen, wenn der ShotLink-Turm nicht da ist.“ Obwohl Schauffele im dichten Blattwerk steckte, gab es eine Lücke in den Ästen, die groß genug war, um ihm eine Chance zu geben, seinen Ball auf oder in die Nähe des Grüns zu bringen. Donnelly klärte weiter auf: „Ich sagte: ‚Ich sehe das Loch im Gebüsch. Das ist ein legitimer Schlag.‘ Es war akzeptabel für die Bedingungen, in denen er sich befindet.“


In den sozialen Medien gab es jede Menge Diskussion, ob hierbei alles mit rechten Dingen zuging. Auch deswegen veröffentlichte die PGA Tour am nächsten Tag ein Aufklärungsvideo, um den Vorfall regeltechnisch aufzudröseln. Demnach hätte Schauffele keine Erleichterung erhalten, wenn es nicht vernünftig erschien, dass er seinen Ball so weit nach vorne bringen könnte, dass der ShotLink-Turm den Weg seines Balls behindert.

„Wenn sein Ball fünf Fuß weiter links liegt und dieser Baum ihn blockiert, oder er durch mehrere andere Büsche gehen muss, um dorthin zu gelangen, wo er hin will, ist das eine ganz andere Entscheidung“, sagte Donnelly. „Das ist nicht vernünftig, da durchzuspielen und zu erwarten, dass man Erleichterung bekommt.“

Zwei-Putt zum Par

Schauffele erhielt also eine vollständige Erleichterung vom Turm, das heißt, er musste seinen Ball an einem Punkt droppen, an dem sich der Turm nicht mehr zwischen ihm und seinem Ziel befand. Da der ShotLink-Turm über Tragseile verfügt, die vom Turm ausgehen und ihn am Boden verankern, konnte Schauffele außerhalb der Büsche und ins Rough droppen. Dadurch hatte er freie Bahn zum Grün. Er schlug seinen zweiten Schlag auf das Grün und machte einen Zwei-Putt zum Par. Ein stressiger Moment habe sich dank einiger glücklicher Umstände in ein stressfreies Par verwandelt, so der Glückspilz, dem die Golfgötter an diesem Tag hold waren, nach seiner Runde.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Der Fall ist ganz einfach und jeder Spieler (und Zuschauer) könnte ihn aus dem Regelbuch inklusive der in Kraft gesetzten Platzregel zu zeitweiligen unbeweglichen Hemmnissen („TIO“) 1:1 ablesen.

Nicht nur in einem solchen Fall, der eine erhebliche Erleichterung mit sich bringt, rufen Tour-Spieler den Referee, sondern auch in einfachen Regelfragen. Entweder geschieht dies, um sicher zu gehen, nicht ein kleines Detail übersehen zu haben, oder wie hier, um sich aus einer späteren Diskussion heraushalten zu können, ob der Freedrop gerechtfertigt war, denn wenn ein Referee dabei war, trägt dieser Verantwortung für die Richtigkeit des gewählten Verfahrens.

Wie in dem Text geschildert hat es viele Diskussionen um diesen Drop gegeben, was Schauffeles Entscheidung stützt, einen Referee dazu geholt zu haben. Dass dann immer noch diskutiert wird, obwohl keiner der Fernsehzuschauer zum Zeitpunkt des Regelfalls aus der Richtung durch die Büsche schauen konnte, wie Schauffele es gemacht hat, lässt sich nicht verhindern, solange das Regelbuch mit der Einstellung gelesen wird „Da steht drin, was alles verboten ist“. Es soll jedoch Dinge regeln, und dazu gehört auch, Erleichterung in bestimmten Fällen zu gewähren.

Testen Sie Ihre Regelkenntnisse. Nutzen Sie das Regelquiz zur Vorbereitung auf eine Prüfung oder die nächste Turnierrunde >>>