Hintergrund
Was durch „Strokes Gained” klar wird
9. Mai 2022 , Thomas Fischbacher
Die sogenannten Strokes-Gained-Werte machen das Spiel der besten Golfer weltweit transparent. Dabei wird klar, welche Teilbereiche die meiste Bedeutung für den spielerischen Erfolg hat. Ein Blick in die Statistik der PGA Tour.
Mit der Strokes-Gained-Methode wird seit einigen Jahren auf der PGA Tour und DP World Tour Analyse betrieben. Dabei wird jeder Schlag eines Profis bei einem Turnier – vom Abschlag bis zum letzten Putt mit einem statistischen Mittelwert verglichen. So kann bei einem Bogey auf einem Par 4 schnell festgestellt werden, wie hoch der Anteil der Teilbereiche Abschlag, Annäherung, Kurzes Spiel und Putting am Schlagverlust war. Die Analyse umfasst alle Teile des Spiels.
Die PGA Tour erklärt Strokes Gained mit einem anschaulichen Beispiel. Rickie Fowler spielte auf der 18 der Players Championship 2015 ein Birdie. Auf dem Par 4 lag das Durchschnittsergebnis bei 4,1 Schlägen.
Vom Abschlag geht es für Fowler in diesem Beispiel rund 300 Meter weit auf das Fairway. Etwa 105 Meter bleiben bis zur Fahne. Sein Wedge schlägt er auf knapp fünf Meter an den Stock und locht zum Birdie. Insgesamt hat er an diesem Loch also 1,1 (Ausgangswert: 4,1 - Ergebnis: 3 = 1,1) Schläge auf den Mittelwert gut gemacht.
Daten mit höherer Aussagekraft
Geht man noch einen Schritt tiefer in die Analyse, ergibt sich folgendes Bild: Sein Drive landet – wie gesagt – auf dem Fairway in 105 Metern Entfernung zur Fahne. Aus dieser Lage benötigen Tour-Spieler im Schnitt 2,8 Schläge. Zieht man diese (und den ausgeführten Schlag) nun vom Ausgangswert (4,1 Schläge des Feldes im Schnitt) ab, kommt man auf einen Strokes-Gained-Wert “Driving” von +0,3. Fowler hat sich demnach durch einen erstklassigen und langen Abschlag einen Vorteil im Vergleich zum Feld verschafft.
Beim Schlag ins Grün (aus 105 Metern vom Fairway auf knapp fünf Meter Abstand zum Loch) macht er im Schnitt keine Schläge gut. Der Schlagdurchschnitt aus fünf Metern beträgt etwa 1,8, die Ausgangslage aus 105 Metern waren 2,8 Schläge. Insofern war die Annäherung für Tour-Verhältnisse durchschnittlich (Strokes Gained: 0).
Da der Putt fällt und der Mittelwert aus fünf Metern vom Grün 1,8 Schläge beträgt, fällt der Wert beim Putting hingegen wieder positiv aus (+0,8).
Diese Daten haben eine deutlich höhere Aussagekraft auf die Qualität des Spiels als Werte wie “Putts pro Runde”, die “Scramble-Quote” oder “Drive-Genauigkeit”. Vor allem, wenn am Ende einer Saison tausende Schläge in der Bilanz stehen. Jeder Spieler kann aus dieser Datenmenge Rückschlüsse auf seine Stärken und Schwächen ziehen.
Ein Blick in die Statistik
Wir werfen einen Blick auf die Daten der PGA Tour, schauen, wer in welcher Kategorie besonders gut oder schlecht abgeschnitten hat und schauen uns auch die Platzierung desjenigen im FedExCup (Stand: 2.5.2022).
Driving
- Jon Rahm (FedExCup 6)
- Keith Mitchell (35)
- Cameron Young (19)
Annäherung
- Russell Henley (28)
- Will Zalatoris (17)
- Viktor Hovland (10)
Ums Grün
- Danny Willett (147)
- Matt Kuchar (38)
- Matt Jones (37)
Putting
- Tyrrell Hatton (50)
- Brian Gay (188)
- Scott Brown (214)
Was bereits bei diesem kleinen Ausschnitt zu erahnen ist: Die Korrelation zwischen einer guten Platzierung in den Kategorien Abschläge und vor allem Annäherungen sowie einer guten Platzierung im FedExCup ist höher als bei den Werten Ums Grün und Putting. Selbst die zweit- und drittbesten Putter der Tour würde aktuell ihre Karte nicht behalten. Seit längerem wissen nicht nur die Statistiker: Das lange Spiel ist für gute Platzierungen wichtiger als eine starke Ausbeute bei Chips und Putts.
Der alte Spruch „Drive for the show, putt for the dough” klingt zwar schön, ist aber nicht ganz richtig. „Entgegen der weitläufigen Meinung erklärt das lange Spiel etwa zwei Drittel des Unterschieds zwischen Anfängern und guten Amateuren, zwischen Amateuren und Profis und zwischen Profis und sehr guten Profis”, erklärt Mark Broadie in „Every Shot counts”. Der Mathematiker lehrt als Professor an der Columbia Business School und ist der Kopf hinter den Strokes-Gained-Statistiken. Unter „Langes Spiel” fallen übrigens alle Schläge aus mehr als 100 Yards Distanz.
„In der Wissenschaft spricht man von einem robusten Ergebnis. [...] Niemand behauptet, Chipping und Putting wäre nicht wichtig, aber es ist das lange Spiel, das den Grundstein für gute Ergebnisse liefert. Folgender anonymer Spruch erklärt es am besten: ‚Wenn man nicht gut puttet, wird man kein gutes Ergebnis erzählen, aber wenn man nicht gut abschlägt, kann man erst gar nicht spielen.‘“
Im folgenden Video sieht man, wie Gary Woodland die Daten nutzt, um sein Spiel zu verbessern.