Interview

„Den Spot auf der PGA Tour habe ich mir erarbeitet und verdient“


11. Oktober 2024 , Thomas Kirmaier


Blick nach oben: Nach seinem Aufstieg auf die PGA Tour spricht Jeremy Paul im Golf.de-Interview über Druck, mentale Stärke und mehr. © Isaiah Vazquez/Getty Images
Blick nach oben: Nach seinem Aufstieg auf die PGA Tour spricht Jeremy Paul im Golf.de-Interview über Druck, mentale Stärke und mehr. © Isaiah Vazquez/Getty Images

Er ist der nächste Deutsche auf der PGA Tour: Jeremy Paul (30) schlägt nach seiner erfolgreichen Korn-Ferry-Tour-Saison ab 2025 in Liga eins ab. Im Golf.de-Interview spricht der 30-Jährige über Druck, mentale Stärke, die wachsende deutsche Community auf der PGA Tour - und mehr.

Glückwunsch zum Aufstieg auf die PGA Tour. Wie viele Nachrichten liefen nach dem Korn Ferry Tour-Finale auf deinem Handy ein und welche waren die schönsten?
Es waren sehr viele Nachrichten auf den verschiedensten Kanälen. WhatsApp-Messages, Instagram und so weiter. Es hat eine Weile gedauert, bis ich alle beantwortet habe. Am schönsten waren die von meiner Family und von engen Freunden, die den ganzen Weg über immer dabei waren und mich von Anfang an begleitet haben. Am schönsten war auch, das positive Gefühl meiner Eltern zu spüren, wie sehr sie sich für mich freuen. Das war schon sehr besonders. Ja, es ist schon ein sehr schönes Gefühl, endlich die Tour-Karte zu haben.

Nimm uns nochmal mit ins Tour-Finale. Es war ja fast klar, dass nichts mehr passieren kann. Oder doch? Wie waren da die Rechenspiele und wie groß war wirklich der Druck?
Beim letzten Turnier habe ich persönlich keinen Druck mehr gespürt. Rein rechnerisch hätte vielleicht noch was passieren können, aber das war schon sehr unwahrscheinlich. Da hätte der 31. das Tour-Finale gewinnen und die Plätze 23 bis 30 hätten alle geteilte Zweite und ich Letzter werden müssen. Also nahezu unmöglich. Da war der Druck mitten in der Saison schon größer. Nach meinem ersten Sieg auf der Korn Ferry Tour und den guten Ergebnissen danach wusste ich, dass ich in einer guten Position bin. Da schaut man schon eher mal zwischendurch auf Punkte und Rangliste und denkt, das könnte reichen. Vor dem Tour-Finale war aber eigentlich kein Druck mehr da.

Du sprachst davon, dass sich beim Erreichen deines Ziels auch die Arbeit im Mentalen ausgezahlt hat. Was und wie konkret hast du in diesem Bereich trainiert?
Ich arbeite seit ungefähr zwei Jahren mit Sean Einhaus in Sachen Sportpsychologie zusammen. Wir telefonieren so etwa alle zwei Wochen und arbeiten an einigen mentalen Ansätzen. Visualisieren, in bestimmten Drucksituationen mit seinen Gedanken umzugehen und sich mehr comfortable zu fühlen, wenn es gut läuft oder mal weniger gut. Wenn man da konstant arbeitet, kann das in der Spitze, wo die Leistungsdichte sehr hoch ist, einen großen Unterschied machen. Tiger Woods war sicher der beste Golfer oder Roger Federer der beste Tennisspieler. Sie sind aber vielleicht auch wegen ihrer mentalen Stärke solange an der Weltspitze gewesen. Ja, da habe ich zuletzt mehr Fokus drauf gelegt und meiner Meinung zahlt sich das jetzt aus.

Starke Deutsche auf der Korn Ferry Tour: Jeremy Paul (r.) und Thomas Rosenmüller steigen gemeinsam auf die PGA Tour auf.
Starke Deutsche auf der Korn Ferry Tour: Jeremy Paul (r.) und Thomas Rosenmüller steigen gemeinsam auf die PGA Tour auf. | © Tracy Wilcox/Getty Images


Du bist seit etwa einem Jahr verheiratet. Welchen Anteil hat deine Frau an deiner erfolgreichen Saison?
Einen großen Anteil. Sie hält mir den Rücken frei und organisiert unser Leben außerhalb des Golfplatzes. Das kannst du gar nicht hoch genug einschätzen. Sie stellt sich da selbst zurück, damit ich meinen Weg gehen und sorgenfrei Golf spielen kann. Das ist schon viel wert. Wir sind seit über zehn Jahren zusammen, ein eingespieltes Team und sie weiß, was es bedeutet. Aber ohne sie wäre dieser Erfolg wohl schwer möglich gewesen. Wenn du ein stabiles Privatleben hast und man sich aufeinander verlassen kann, hilft das ungemein, beruflich erfolgreich zu sein.

Wie sieht deine Planung bis Jahresende und ab Januar 2025 aus?
Aktuell bin ich wieder in Arizona und bekomme Besuch von ein paar Freunden, um mal etwas Abstand vom Golf zu kriegen. Der Fokus für die nächsten Wochen und Monate liegt darauf, physisch wieder in einen guten Zustand zu kommen, weil die vergangenen Wochen schon Spuren hinterlassen haben. Viel Fitness, gute Ernährung und gute Routinen zu schaffen. Mal wieder selbst kochen und den Alltag normal gestalten. Darauf freue ich mich auch. Anfang Januar könnte es sein, dass ich die Sony Open auf Hawaii spielen kann. Da bin ich wahrscheinlich in der Bubble, da muss man sehen, ob ich ins Feld rutsche. Beim American Express Mitte Januar in Palm Springs werde ich ziemlich sicher dabei sein. Anschließend ist Farmers in San Diego. Das sind an der West Coast logistisch gesehen auch etwas einfachere Turniere, weil es von zu Hause von Scottsdale nur drei Autostunden sind. Da werde ich vor Weihnachten auch mal hinfahren, um die Plätze zu sehen und mich gut vorzubereiten. Sonst werde ich vielleicht ein paar Mini-Tour-Events hier in Arizona spielen, um im Wettkampf-Modus zu bleiben. Dann werde ich an Weihnachten für ein paar Tage zur Familie nach Deutschland fliegen, bevor es nach Neujahr richtig losgeht.

Mit Jäger, Schmid und Rosenmüller sind drei Bayern 2025 auf der Tour dabei. Wie sieht es um die deutsche Community aus? Spielt man Tischtennis, redet über Fußball oder isst auch mal gemeinsam?
Wir kennen uns ja alle gut. Da kann ich mir schon vorstellen, dass wir Deutsche da mehr Zeit auf den Turnieren verbringen. Da freue ich mich auf mehr deutschen Zusammenhalt in 2025, zumal es diese Gruppen ja eigentlich mehr in Europa gibt, wo die Spanier oder die Franzosen zusammenhängen. Wie das dann aussehen wird, muss man sehen. Gemeinsam essen oder eine Proberunde spielen. Das wird cool. Tischtennis haben wir früher sehr viel gespielt. Da gab es heiße Duelle. Und Fußball natürlich auch, Champions League schauen wir uns oft an, wobei das in Amerika immer etwas schwieriger ist. Aber zuletzt hatten wir Frankfurter ja ein schönes 3:3 im Spitzenspiel gegen Bayern. Das war schon auch cool.


Wie schätzt du die Leistungsdichte auf der Korn Ferry Tour verglichen mit der DP World Tour ein?
Ich glaube, dass die Leistungsdichte auf diesen beiden Serien sehr ähnlich ist. Klar, wenn man in Europa die Rolex-Events nimmt, ist sie vielleicht etwas höher. Ich würde aber sogar fast sagen, dass die Korn Ferry Tour tiefer besetzt ist, verglichen mit einem normalen Event auf der DP World Tour.

Deine Ziele fürs erste Jahr in Liga eins?
Ich bin nicht der Typ, der sich sportlich große Ziele setzt, was die Ergebnisse betrifft. Für mich ist es in erster Linie wichtig, mich im ersten Jahr PGA Tour wohl zu fühlen. Es gibt viele neue Gesichter und Abläufe und da mit dem Mind-Set reinzugehen, dass ich mir meinen Spot erarbeitet und verdient habe. Und mit dieser Selbstverständlichkeit auch zu spielen. Das ist ein Ziel. Meiner Meinung nach ist mein Spiel gut genug, um auf der großen Tour oben mitspielen zu können. Ich möchte mein Spiel weiterentwickeln, das ist ein Ziel.

Wie groß sind die Chancen, dass beide Paul-Twins 2025 auf der PGA Tour spielen?
Yannik ist seinen Weg zuletzt in Europa gegangen. Das hat sich so ergeben, weil die Ergebnisse so waren. Für uns beide wäre es natürlich ein absoluter Traum, gemeinsam auf der PGA Tour zu spielen. Die Saison auf der DP World Tour läuft noch; die beiden letzten Turniere in Middle-East geben nochmal richtig viele Punkte. Wenn er da eine Top-Drei-Platzierung macht, ist er wieder richtig nah dran. Ich habe das Gefühl, seine Formkurve zeigt nach oben und ich hoffe, dass er das sogar in dieser Saison noch schaffen kann.

Es ist viel über eure besondere Beziehung als Twins geschrieben worden. Wie eng ist der Kontakt heute?
Wir telefonieren eigentlich täglich. Manchmal sogar mehrmals am Tag und unterhalten uns über Gott und die Welt. Nicht nur Golf. Wir sind best Friends und unser Support-System füreinander.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg auf der PGA Tour 2025!