EverGreens

Weiß-blaue Enklave im (einst) „roten“ Osten


21. August 2024 ,


Symbolisch ließ der Bayer Rüdiger Umhau auf seiner Golfanlage einen Trabi die Berliner Mauer durchbrechen. Im nicht konfliktfreien Verhältnis zum Bezirksamt Pankow ist ihm das auch nach zwei Jahrzehnten noch nicht ganz gelungen.
Symbolisch ließ der Bayer Rüdiger Umhau auf seiner Golfanlage einen Trabi die Berliner Mauer durchbrechen. Im nicht konfliktfreien Verhältnis zum Bezirksamt Pankow ist ihm das auch nach zwei Jahrzehnten noch nicht ganz gelungen. | © W.Weber

Bayerische Gemütlichkeit und Behörden-Frust auf dem Sepp-Maier-Platz in Berlin-Pankow. Der EverGreens-Podcast von Wolfgang Weber.

Franz Beckenbauer, der „Kaiser“, war bekanntlich begeisterter Golfer und Namenspatron eines Golfplatzes im bayerischen Bad Griesbach. Auch sein langjähriger Mannschafts-kamerad beim FC Bayern und in der Nationalelf, Torwartlegende Sepp Maier, weiß mit Driver und Putter bestens umzugehen und hat seit fast zwei Jahrzehnten seinen „Sepp-Maier-Platz“ - freilich nicht in seiner Heimat, sondern in Berlin. 

Ein grantiges „Geh, hör doch auf mit dem Schmarrn!“ war das Erste, was Rüdiger Umhau von Sepp Maier als Antwort bekam, als er ihm anbot, ein Golfturnier zu begleiten und selbst ein paar Bälle zu schlagen. Noch vor dem ersten Abschlag legte der Maier-Sepp ein verbales Foul nach, für das er auf dem Fußballfeld wohl eine Rote Karte wegen üblen Nachtretens kassiert hätte: „Da ist ja Nasenbohren interessanter als Golfen.“ Das, gibt die bayerische Torwartlegende rückschauend reumütig zu, passierte exakt so am Muttertag 1992 im Golfclub Altötting-Burghausen in Oberbayern. 

Daß dem einstigen Nationaltorhüter dieser regnerische Turniertag auf dem Golfplatz nahe der Grenze zu Österreich unvergeßlich geblieben ist, hat einen besonderen Grund: Es war der Tag, an dem er quasi vom Saulus zum Paulus in Sachen Golfsport wurde. Als Rüdiger Umhau, Gründer und damaliger Präsident des Golfclubs nahe dem Ufer der Salzach, am Abend nach seinem prominenten Gast Ausschau hielt, fand er ihn nicht, wie verabredet, im Clubhaus, sondern auf der Driving Range: „Der Sepp stand, durchgeschwitzt und vom Regen durchnäßt, auf der Range und haute einen Ball nach dem anderen raus.“ 

Vom Golfvirus infiziert

„Ja“, schmunzelt der einstige Keeper, der in seiner grandiosen Fußballer-Karriere alles gewann - mit dem FC Bayern je viermal den deutschen Meistertitel und den DFB-Pokal, dreimal den Europapokal der Landesmeister und einmal den Weltpokal, der mit der Nationalelf Europa- und Weltmeister wurde -, „ich hab mich vom Rüdiger überreden lassen, und dann ist‘s halt passiert…“ 

Das Golfvirus hatte ihn blitzschnell und unheilbar infiziert. Das Golfspiel ist ein wichtiger, ja unverzichtbarer Teil seines Lebens geworden. „Wenn‘s Wetter paßt, spielen die Monika und ich jeden Tag - aber mir macht’s auch nix aus, wenn’s mal regnet.“ Und oft ist nach 18 Löchern noch lange nicht Schluß. Wenn die „Katze von Anzing“ - wie ihn die Bayern-Fans bis heute respektvoll nennen - und seine Frau Monika richtig auf den Geschmack gekommen sind, darf die Golfrunde gerne auch mal 36 Löcher lang sein. Sepp Maiers Handicap - selbstredend einstellig, derzeit 4,9.

Golferisch daheim sind die Monika und der Sepp im Golfclub Ebersberg bei München, im Golfclub Passeier.Meran in Südtirol, wo sie eine Ferienwohnung besitzen, und - ausnahmsweise mal ganz ohne Alpenpanorama - in Berlin. Auch dieser ungewöhnliche Umstand geht auf das Konto seines Freundes Rüdiger Umhau. Der HNO-Arzt und Schönheitschirurg mit Praxis in Burghausen ist selbst begeisterter Golfer - und dies mit Vorliebe auf seinen eigenen Plätzen. Insgesamt sieben Golfanlagen hat der umtriebige Arzt daheim in Bayern schon gebaut, besessen und dann nach einiger Zeit mit Gewinn wieder verkauft. 

Der Himmel über Berlin - weiß-blau 

Vor rund 20 Jahren machte der geschäftstüchtige Mediziner dann eine bayerisch-preußische Vergleichsrechnung auf: Berlin hatte damals - mit Wannsee und Gatow - exakt zwei Golfanlagen, mit dem umliegenden Brandenburg zusammen gerade mal 16. Im Münchner Kreis allein waren es zur selben Zeit gut 30 Anlagen, in ganz Bayern rund 180. Rüdiger Umhau erkannte: in der Berliner Luft war golferisch noch Luft nach oben. 

Dank Berliner Freunde fand er schnell geeignetes Gelände - ehemalige Rieselfelder ganz im Nordosten der alten/neuen Hauptstadt. 2004 unterzeichnete Umhau einen langfristigen Pachtvertrag über rund 75 Hektar städtischen Geländes, im Herbst des Folgejahres war eine stattliche 27-Loch-Golfanlage spielbereit, zu der 2006 noch ein 3-Loch-Übungsplatz und 2010 ein 6-Loch-Kurzplatz hinzu kamen. 

Kräftiger Gegenwind

Also eitel Sonnenschein unter weiß-blauem Berliner Himmel? Weit gefehlt! Die Landnahme bayerischer Lederhosenträger ausgerechnet in jenem Stadtteil, den vor Lichtjahren der junge Udo Lindenberg mit seinem Erich-Honecker-Schmählied „Sonderzug nach Pankow“ als Synonym für den „tiefroten“ Osten Berlins besungen hatte, stieß durchaus nicht auf ungeteilte Zustimmung. Viele empfanden dies offenbar als eine Art „feindliche Übernahme“ der besonders krassen Art. Rüdiger Umhau blies anfangs kräftiger Gegenwind frontal ins Gesicht. 

Daß manche Behördenvertreter und politisch Verantwortliche in Berlin sich anfangs reserviert zeigten, als Umhau ihnen sein raumgreifendes Projekt innerhalb der Stadtgrenzen präsentierte, war für Insider durchaus verständlich: Schließlich hatten sich mehrere überambitionierte Projekte im Umland der Hauptstadt nach der Wende letztlich als  Luftschlösser entpuppt und waren wie Seifenblasen zerplatzt. Auch mehrere Berliner Banken, die im enthusiastischen „Golf-Rausch“ der Neunziger Jahre eine Menge Geld unter schönen Grüns und Fairways verbuddelt und verloren hatten, zeigten sich zugeknöpft. Letztlich war Rüdiger Umhau gezwungen, seine Hausbank von der Salzach mit an die Spree zu bringen - die Kreissparkasse Altötting-Burghausen, nicht gerade ein Global Player in der Bankenwelt, engagierte sich erstmals bei einem Großprojekt in der deutschen Hauptstadt. 

Einst Gegner, heute Club-Mitglieder

Auch die Haltung von Teilen der Pankower Bevölkerung dem Golf-Migranten aus Bayern gegenüber verdiente anfangs kaum die Bezeichnung „Willkommenskultur“. Eine ziemlich lange Unterschriftenliste gegen das Golfprojekt war noch das Harmloseste. Wesentlich schwerer wogen eine ganze Reihe von Sabotageakten. Mehrfach wurden über Nacht Baumaschinen demoliert oder Neuanpflanzungen herausgerissen; einmal ging des Nachts ein Bauwagen in Flammen auf. 

Doch all dies ist längst Schnee von gestern. Die „bayerische Enklave“ im Nordosten Berlins ist inzwischen eine nicht nur geduldete, sondern von vielen Pankowern - nicht zuletzt wegen vergleichsweise günstiger Konditionen - eifrig genutzte Institution. Und etliche derer, die vor zwei Jahrzehnten gegen das Golfprojekt protestierten, gehören heute zu den rund tausend aktiven Mitgliedern des Golfresorts Berlin-Pankow - und genießen nach der Golfrunde den gemütlichen Biergarten unterm bayerischen Maibaum mit dem unverzichtbaren Schild „Freistaat Bayern“.

Namenspatron Sepp Maier

Daß die Wunden von einst schnell verheilten, war wohl auch einem besonders schlauen Schachzug Rüdiger Umhaus zu verdanken: Er eröffnete seinen „preußischen“ 18-Loch-Meisterschaftsplatz im September 2005 Seite an Seite mit einem Schirmherrn und Namenspatron aus München, dem selbst die eingefleischtesten FC Bayern-Neider nördlich des Weißwurst-Äquators viel Sympathie entgegenbringen: Torwartlegende Sepp Maier, dessen Hechtsprünge nach scharf geschossenen Bällen, aber auch nach einer Ente, die sich während eines Bundesligaspiels gegen Bochum einst im Mai in seinen Strafraum im Münchner Olympiastadion verflogen hatte, bis heute unvergessen sind. 

Und diesmal gab‘s auch keinen frechen Spruch vom Sepp, im Gegenteil: „Der Franz Beckenbauer hat seinen Golfplatz in Niederbayern, ich meinen in Berlin - paßt doch!“, freute sich der Geehrte. 

Neuerdings hat der Sepp-Maier-Platz ein sportliches Alleinstellungsmerkmal, das es in Deutschland nur dreimal und in ganz Europa nur siebenmal gibt. Weil auf einer Par-5- Bahn allzu oft geslicte Bälle in den Vorgärten einer angrenzenden Wohnsiedlung landeten, ließ Rüdiger Umhau den Platz umgestalten: Aus dem Par 5 wurden zwei kurze Bahnen, dafür wurden die alten Bahnen 10 und 11 zusammengelegt zu einem 636 Meter langen Par 6. Eigentlich aus der Not geboren, aber zugleich die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches: „Ich wollte schon immer mal ein Par 6 auf einem meiner Plätze haben“, grinst Dr. Umhau. 

30. Sepp-Maier-Cup

Das von ihm 1992 in Oberbayern ins Leben gerufene „Sepp-Maier-Turnier“, das seit 2005 in Berlin-Pankow ausgetragen wird, zählt mittlerweile zu den beliebtesten Traditions-turnieren in der Hauptstadt, inklusive Preisübergabe durch den Namenspatron. Beim insgesamt 30. Sepp-Maier-Turnier im August ging es in ur-bayerischem Ambiente um Golfreisen und edle Bierkrüge mit Konterfei des Sportidols, die auch mit „Sepp-Maier-Bier“ nach bayerischer Brauart gefüllt werden konnten. 

Abgesehen vom fehlenden Blick auf die Alpenkette steckt ziemlich viel Oberbayern in Berlins jüngster und größter Golfanlage. „Ich möchte hier bayerische Gemütlichkeit haben in Berliner Luft“, betont Rüdiger Umhau, der im Schnitt eine Woche pro Monat in seiner selbstgeschaffenen „preußischen Diaspora“ nach dem Rechten sieht. Mehr noch als unvermeidliche Mitbringsel wie ein plüschiges Prachtexemplar des urbayerischen Fabelwesens Wolpertinger und einen von Franz-Josef Strauss persönlich signierten Bierkrug versteht er darunter ein Maximum an Komfort für die Golfer. 

„Bei uns braucht man keine Startzeiten-Reservierung, wie sonst überall“, sagt der Clubchef. „Zu uns kann man kommen, wann man will, wir bringen jeden unter. Wenn die Bahn 1 vom Sepp-Maier-Platz gerade besetzt ist, startet man eben an der 10. Und wenn‘s sich auch da staut, kann man die Wartezeit überbrücken mit einer freien Runde auf dem 9-Loch- oder 6-Loch-Platz. Das nenne ich ‚bayerische Gemütlichkeit‘“.  

Klappt der Widerspenstigen Zähmung?

Eher ungemütlich ist weiterhin das Verhältnis zum Pankower Rathaus. Obwohl Rüdiger Umhau über 3000 Bäume und Sträucher pflanzen ließ und sich auf der Golfanlage am Stadtrand Rehe, Füchse und viele andere Wildtiere heimisch fühlen, sind die grüne Bürgermeisterin und ihre Verwaltung ganz offensichtlich noch keine Fans des Grünen Sports geworden. Mehrere Anträge Umhaus - zur Aufstockung der überlasteten Driving Range, zur Ergänzung der Anlage um ein Golfodrom mit 300 Metern Durchmesser und zum Wiederaufbau der im vorigen Jahr durch ein Unglück abgebrannten Caddiehalle - wurden vom Bezirk bislang eiskalt abgelehnt oder auf die lange Bank geschoben. 

Rüdiger Umhau hofft allerdings noch auf der Widerspenstigen Zähmung. Jetzt hat er beantragt, den in zehn Jahren auslaufenden 30jährigen Pachtvertrag für die Golfanlage vorzeitig zu verlängern, damit sich anstehende Investitionen noch langfristig lohnen. Das wäre auch für die Zukunft des Sepp-Maier-Turniers wichtig. Der berühmte Schirmherr hat an seinem 80. Geburtstag im vergangenen Februar den Wunsch geäußert, 100 Jahre alt zu werden. Und wie man weiß, hat der Maier-Sepp in seiner brillanten Sportler-Karriere das, was er sich vorgenommen hatte, meistens auch erreicht. Wer den Sepp und seine Golfleidenschaft kennt, mag nicht ausschließen, daß sein Handicap beim Gold-Jubiläum in 20 Jahren womöglich immer noch einstellig sein wird. Freilich - wenn er das hört, wird er vermutlich granteln: „Geh, hör doch auf mit dem Schmarrn!“

Die ganze Geschichte der „preußisch-bayerischen Annäherung mit Hindernissen“ erzählt die neueste Episode des Golfreise-Podcasts „EverGreens“. Den Podcast unseres Autors Wolfgang Weber finden Sie bei Spotify, Apple Podcast, Deezer, überall sonst, wo es gute Podcasts gibt - und auf der Webseite: www.ever-greens.de