Phoenix Open

Die größte Party auf Gras!


6. Februar 2024 , Felix Grewe


Einmalig – ein Stadion wie an Bahn 16 des TPC Scottsdale gibt es bei keinem anderen Turnier.
Einmalig – ein Stadion wie an Bahn 16 des TPC Scottsdale gibt es bei keinem anderen Turnier. | © Getty Images

Was sich jährlich Anfang Februar an Loch 16 der WM Phoenix Open abspielt, lässt den Golfsport in den Hintergrund rücken. An der berühmtesten Bahn der US-Tour feiern Tausende Fans eine wilde Party.

Es gibt Erinnerungen, die immer unvergessen bleiben werden. Ein Besuch der WM Phoenix Open gehört dazu, am besten am Samstag. Einmal den Wahnsinn hautnah zu spüren, der sich Jahr für Jahr an Bahn 16 des TPC Scottsdale abspielt, im größten Golfstadion der Welt, das Platz bietet für rund 22.000 Zuschauer, ist für fast jeden Golffan ein Muss-Erlebniss. Obwohl, strenggenommen, der Sport hier gar nicht im Mittelpunkt steht. Was unten auf dem Rasen passiert, ist für die feiernde Masse auf den Rängen oft Nebensache. Die WM Phoenix Open ist mit keinem Turnier auf diesem Globus zu vergleichen, weder mit einem Majorevent noch mit dem Ryder Cup. Was sich vier Tage lang vor allem an der 149 Meter langen Bahn 16, dem vielleicht berühmtesten, sicher jedoch lautesten Par 3 der Welt zuträgt, gleicht einer rauschenden Party, einzuordnen irgendwo zwischen amüsant, abgedreht und abartig. Ganz sicher aber so gar nicht typisch für das sonst biedere Image des Golfsports. Im letzten Jahr sollte sich das ändern, was nicht ganz so klappte, wie es geplant war – dazu weiter unten mehr. 

Wie in einem Fußballstadion

Wenn am 9. Februar die erste Runde der diesjährigen WM Phoenix Open startet, dann werden sich schon am frühen Morgen Tausende Fans – viele bereits volltrunken, andere zumindest mit der klaren Absicht – vor den verschlossenen Toren des TPC Scottsdale versammeln. Um 7 Uhr öffnen die Eingänge und die wilde Horde sprintet dann los, sie nennen es in Scottsdale das „Race to 16“. Einmal quer über die Anlage geht es, bis eben zu jenem Stadion an Bahn 16, in das jeder hinein möchte und in dem es später lauter und ungesitteter zugehen wird als in vielen Fußballarenen. Wer sich nicht lange vor Spielbeginn seinen Platz sichert, wird im Laufe des Tages viele Stunden draußen warten müssen. 

Partystimmung: Im großen Stadion an Bahn 16 der WM Phoenix Open geht es nicht nur um Golf...
Partystimmung: Im großen Stadion an Bahn 16 der WM Phoenix Open geht es nicht nur um Golf... | © Getty Images


Die perfekte Inszenierung

Warten ist das Stichwort. Denn Golf wird um diese Zeit natürlich noch nicht gespielt. Um 7:30 Uhr beginnt der sogenannte Breakfast Club, dann werden Sandwiches und Tortillas auf die Tribünen geworfen. Die hungrige Meute hat nun anderthalb Stunden Zeit, sich eine vernünftige Grundlage aufzubauen für den Start des offiziellen Bierverkaufs um 9 Uhr, der von vielen im weiten Rund mehr herbeigesehnt wird als der erste Flight. Der betritt in der Regel erst gegen 10:15 den Abschlag, die Fans haben bis dahin Zeit, die amerikanische Hymne zu trällern, einen kleinen Mann zu feiern, der die Fahne aufs Grün trägt, sich vom DJ unten auf dem Rasen in Feierlaune bringen zu lassen und zum Phoenix-Open-Song „Sweet Caroline“ völlig auszurasten. Die perfekte Inszenierung. Ein Bier kostet zehn Dollar, was inzwischen fast preiswert ist, in der Altstadt von Scottsdale zahlt man je nach Location gern auch mal 14 Dollar.

Mickelson & Co. wie Gladiatoren

Die Profis lieben oder hassen Bahn 16 im TPC Scottsdale. Sie werden gefeiert wie Gladiatoren, wenn sie den Abschlag betreten. Gute Bälle werden ohrenbetäubend laut bejubelt, landet ein Ball im Bunker oder kullert ein Putt am Loch vorbei, buhen und pfeifen sie im Kolosseum. Phil Mickelson sagte einmal über diese besondere Atmosphäre: „Wir Spieler sollten zu schätzen wissen, dass man hier etwas erlebt, das es nirgendwo anders gibt. Man muss die Energie der Leute und der Bahn aufsaugen – und sie zu seinem Vorteil nutzen.“ Nicht jedem Spieler gelingt das. Im vergangenen Jahr äußerste sich etwa Rory McIlroy kritisch über das, was sich auf den Rängen zuträgt – die Grenze sei ein paar Mal überschritten worden, beklagte der Nordire. Jon Rahm wurde noch etwas konkreter: „Ich wollte nicht sehen, dass die Wasserflasche aus dem dritten Stock direkt auf meinen Kopf zukommt, aber ich habe es gesehen", so der Spanier. Dabei sind es nicht nur Wasserflaschen, die am 16. Grün durch die Luft und oft auf den Rasen fliegen, sondern überwiegend die silberfarbenen Bierdosen.

Strengere Regeln seit 2023

Das sollte sich 2023 ändern. Nach der Ekstase im Jahr zuvor hatten die Veranstalter neue Regeln erlassen: „Das Werfen von Gegenständen auf den Platz ist verboten", hieß es auf der Website der WM Phoenix Open. Schilder auf den Tribünen wiesen darauf hin. Zudem gab es eine größere Präsenz von Ordnern und Sicherheitspersonal im Zuschauerbereich der Arena. Und: Erstmals wurde das Bier an Bahn 16 nicht mehr in Dosen verkauft, sondern in grünen Plastikgläsern, die als „Gedenkbecher" bezeichnet werden und mit einem offiziellen Logo des Sitzbereichs an der legendären 16. Bahn versehen sind. Die Idee: Die Fans sollten die Becher als Erinnerungsstück mit nach Hause nehmen. Allerdings: Am Ende landeten wieder tausende leere Becher auf dem Platz. Die Fans in Scottsdale waren nur schwer zu zähmen.  

 

Trotz der strengeren Regeln, mussten die Ordner auch 2023 leere Bierbecher vom Platz aufsammeln.
Trotz der strengeren Regeln, mussten die Ordner auch 2023 leere Bierbecher vom Platz aufsammeln. | © Steph Chambers/Getty Images


Mehr als 700.000 Fans

Die WM Phoenix Open wird auch in diesem Jahr laut, schrill, bunt und verrückt werden. „The greatest show on grass” – der Titel, den die Macher ihrem Event selbst gegeben haben, könnte nicht besser passen. Aber es gibt auch eine andere Seite. Der Veranstalter „Thunderbirds“, eine ehrenamtliche Non-Profit-Organisation, spendet jährlich viele Millionen Einnahmen für gute Zwecke in Arizona. Einnahmen, die zu einem beträchtlichen Teil aus Getränke- und Ticketverkäufen resultieren. Zwischen 50 und 75 Dollar kosten die normalen Karten, mehr als 700.000 Fans strömen in der Regel jährlich aufs Gelände. Ein Großteil der Plätze im überdachten Bereich des Stadions und auch an anderen Bahnen wird in VIP-Logen an Firmen verkauft – die Preise liegen für die gesamte Turnierwoche teilweise jenseits der 50.000 Dollar. Mehr als 190 Millionen Dollar haben die Thunderbirds in der gesamten Turniergeschichte bereits gespendet, sogar 2021, als aufgrund von Corona pro Tag gerade einmal 5.000 Fans zugelassen waren (der Turniersieger hieß übrigens Brooks Koepka), kamen 3,8 Millionen Dollar zusammen.

Und trotzdem: Denkt man an die WM Phoenix Open, kommen einem in erster Linie Gedanken an die verrückteste Golfparty der Welt in den Sinn. Obwohl Golf dabei ja gar nicht entscheidend ist... 

 

Im Video: Ein Tag an Bahn 16 der Phoenix Open

 

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