Regelfest

Ball verloren? In diesem Fall kein Problem


17. Januar 2024 , Daniel Dillenburg


Spielte bei der Sony Open um seinen ersten Titel auf der PGA Tour: Carl Yuan.
Spielte bei der Sony Open um seinen ersten Titel auf der PGA Tour: Carl Yuan. | © Michael Reaves/Getty Images

In der finalen Phase der Sony Open schlägt ein Titelanwärter seinen Ball in die Hospitality Area. Die Suche nach dem Ball bleibt erfolglos und doch sind die Titelhoffnungen nicht verpufft. Es darf ohne Strafe weitergespielt werden.

Man kann ruhig sagen, dass dem Chinesen Carl Yuan aktuell die Glücksgöttin Fortuna hold ist. Der 126. des abgelaufenen FedExCup sicherte sich die volle PGA-Tourkarte nur dank des LIV-Wechsels von Superstar Jon Rahm, denn so rutschte er unter die Top 125 der Saisonwertung. Entsprechend war der 26-Jährige für die Sony Open auf Hawaii gesetzt. Und der 135. der Weltrangliste spielte beim ersten regulären PGA-Tour-Event der Saison um seinen ersten Titel in Liga eins. Als Yuan, den viele Golffans wegen seines einzigartigen Schwungs kennen dürften, lag auf dem letzten Loch in geteilter Führung, wohlwissend, dass er auf dem abschließenden Par 5 womöglich ein Birdie benötigt, um seine Siegchance zu wahren.

Doch Yuan hatte auf dem zweitleichtesten Loch des Waialae Country Clubs von Beginn an Probleme. Vom Abschlag fand er den linken Fairway-Bunker und hatte noch 219 Meter zum Loch. Yuan griff zum Hybrid für den zweiten Schlag und pushte diesen rechts raus. „Fore Right“ rief er lautstark und zugleich sorgenvoll. Hatte er soeben seine Titelchance verspielt? „Da drüben ist Out of Bounds, wenn man weit genug nach rechts schlägt“, überlegte NBC-Kommentator Curt Byrum, dessen Kollege annahm, dass Yuans Ball über das Zelt an der 18 geflogen ist, da eine kleine Menschenmenge dorthin geschaut hatte. (Zum Video >>>)

Das zeitweilige unbewegliche Hemmnis

Die Suche nach dem Ball blieb erfolglos. Aber nur ein paar Minuten später stand Yuan auf dem Fairway und prüfte seine Drop-Möglichkeiten. Ein neuer Ball musste her, da sein erster Ball weiterhin nicht aufgetaucht war. Doch der wievielte Schlag folgte nun? Immerhin verlor Yuan seinen Ball. Laut der Grafik ging es mit dem dritten Schlag weiter. Kam Yuan also ohne Strafe davon? Die Antwort: JA! „Nach Sichtung des Videobeweises wurde mit ziemlicher Sicherheit festgestellt, dass der Ball in den Hospitality-Bereich, das zeitweilige unbewegliche Hemmnis [englisch: Temporary Immovable Obstruction – TIO, Anm. d. Red.], ging“, erklärte Golf-Channel-Reporter Todd Lewis, der sich mit Referee Ken Tackett über die Situation unterhalten hatte.

„Sie hatten auch einige Zeugenaussagen von den Leuten in diesen Hospitality-Suiten, so dass festgestellt wurde, dass der Ball in diesen Zelten verloren ging, und deshalb konnte er diese Erleichterung ohne Strafe bekommen“, hieß es weiter. Nach den Platzregeln der USGA (so wie auch beim R&A, DGV und den Platzregeln der meisten anderen Verbände) hat ein Spieler Anspruch auf Erleichterung, wenn sein Ball „nicht gefunden wurde, aber bekannt oder praktisch sicher ist“, dass er in einem zeitweiligen unbeweglichen Hemmnis zum Liegen gekommen ist. Der straflose Drop wird dann an dem geschätzten Punkt genommen, an dem der Ball zuletzt die Grenze des entsprechenden Hemmnisses überquert hat.

Vielleicht war es das Glück des Tüchtigen. Yuan hatte dank dieser Regel doch noch eine Chance auf das Birdie, legte seinen dritten Schlag aber nicht nah genug an die Fahne und verschob den anschließenden Putt aus gut vier Metern. Am Ende fehlte ein Schlag, um das Playoff zu erreichen. Bleibt ihm nur zu wünschen, dass er sein Glück noch nicht aufgebraucht hat.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Auf den letzten Löchern eines großen Professional-Turniers stehen regelmäßig Tribünen oder Gebäude an Stellen, von denen die Zuschauer einen guten Blick auf das Spiel haben. Das ist zwangsläufig recht nahe an der Spiellinie oder am Grün, so dass ein Ball, der sonst einfach nur im Rough liegt, hier unter einem Stahlrohrgerüst oder unter Catering-Containern verschwindet. Normalerweise ist er an diesen Stellen zu finden und zu spielen, aber nicht bei diesen zusätzlichen Bauwerken über dem Ball. Es ist logisch, dass für solche Fälle Platzregeln verfasst werden (im Offiziellen Handbuch zu den Golfregeln zu finden), die es dem Spieler ermöglichen, den Platz so zu spielen, wie der Architekt das jeweilige Loch geplant hat. In den meisten Fällen gibt es neben den Gebäuden Dropzonen, aus denen straflos weitergespielt werden muss.

Bei entsprechenden Lagen und Spielständen hat es auch schon Spieler gegeben, die lieber absichtlich in eine Tribüne schlagen wollten als Gefahr zu laufen, auf der anderen Fairwayseite ins Wasser zu schlagen. Dumm nur, wenn der Ball dann von der Tribüne abprallt und ins Wasser geht und dies in mehrfachen Wiederholungen im Fernsehen gezeigt wird.

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