British B&G
Tradition pur
15. August 2023 , Stefan Bluemer
In England finden in dieser Woche zum zweiten Mal die beiden wohl bedeutendsten Turniere für Jugendliche in Europa am gleichen Ort statt. Bei der R&A Girls' Amateur Championship sind 18 Deutsche am Start, bei der R&A Boys' Amateur Championship kommen 17 Teilnehmer aus Deutschland.
Ganton/England – Noch bis Sonntag wird in Ganton gespielt, wo Jungen und Mädchen auch jeweils eine Runde der Zählspielqualifikation absolvieren. Die zweite Runde Zählspiel wird auf einem Platz gespielt, der besonders deutschen Golffans durch einen Schlag von Bernhard Langer bekannt sein dürfte: In Fulford zauberte der Weltstar im August 1981 aus einer Astgabel hoch oben im Baum kniend den Ball bei der Benson & Hedges International Open, einem Turnier der PGA European Tour auf das Grün. Ein Schlag für die Ewigkeit, für die Geschichtsbücher des Golfsports.
Nach den beiden Runden der Zählspielqualifikation wird das Feld auf 64 Athleten reduziert und im Matchplay geht es bis zum Finale weiter. Bei den Mädchen gibt es dieses Turnier seit 1919. Wie üblich bei derart traditionsreichen Turnieren auf der Insel, ist die Liste der Siegerinnen, die später im Profilager große Erfolge feiern konnten, lang. Major-Champions und Solheim-Cup-Spielerinnen wie Anna Nordqvist, Suzann Pettersen, Azahara Munoz und Georgia Hall seien nur stellvertretend genannt.
Die Siegerin von Ganton darf sich auf Einladungen zur nächsten Women's Amateur Championship und zur U.S. Girls' Junior Championship freuen. Zudem darf die Siegerin beim Final Qualifying zur AIG Women's Open mitspielen und bekommt die Chance, bei der Augusta National Women's Amateur Championship Amen Corner zu spielen.
1921
Die R&A Boys' Amateur Championship wird seit 1921 ausgetragen. Hier stehen in der Siegerliste so große Namen, wie Michael Bonallack, José María Olazábal, Sergio Garcia, Matthew Fitzpatrick, Adrián Otaegui, Tom Lewis und David Howell. Der Sieger darf ebenfalls bei der Amateur Championship mitspielen und steigt ins Final Qualifying der Open ein.
Deutsche Erfolge
Die Erfolge deutscher Teilnehmer bei diesem so traditionsreichen Turnier halten sich bisher in Grenzen. Bei den Mädchen gab es noch keine deutsche Siegerin. 2014 gelang es Chiara Mertens vom GC Hubbelrath, Miriam Nagl nachzueifern, die von 1997 bis 1999 dreimal in Folge das Finale erreichte, dort aber jeweils den Kürzeren zog.
Bei den Jungen sucht man bis ins Jahr 2005 vergeblich nach einem Finalteilnehmer aus Deutschland. Bernhard Neumann vom GC St. Eurach gelang es in Hunstanton, das Turnier zu gewinnen und sich damit einen Platz im Team der Oklahoma State University in Stillwater zu sichern, weil der damalige College-Coach vom Auftritt des Bayern so überzeugt war.
Falko Hanisch vom Berliner GC Stolper Heide ist bis heute der zweite und letzte Deutsche, der den zweiten Vornamen „British Boys Champion“ tragen darf. Der Berliner gewann 2016 und zog 2017 zudem noch ein zweites Mal ins Finale ein. Zuvor waren Max Rottluff 2010 und Michael Hirmer 2013 jeweils im Finale ihren Kontrahenten unterlegen.
Ganton GC
Im Jahr 2022 traten Mädchen und Jungen zum ersten Mal gleichzeitig an einem Ort, in Carnoustie an. Im Jahr 2023 hat der R&A Ganton und Fulford (Yorkshire) den Zuschlag erteilt.
Der Ganton GC wurde 1891 gegründet und war in seiner glanzvollen Geschichte im Jahr 1949 Gastgeber des Ryder Cups. Der Curtis Cup gastierte im Jahr 2000 dort und 2003 war der Ganton GC Gastgeber des Walker Cups.
Die Bunker sind in Ganton berühmt berüchtigt. Über 100 raffiniert platzierte Bunker, von denen einige beeindruckende Ausmaße haben, prägen diesen Platz. Diesen Bunkern auszuweichen, ist taktisch eine sehr gute Idee.
Bogeyfrei
Wie wertvoll es ist, in Ganton taktisch klug und sehr konzentriert zu spielen, hat Helen Briem am ersten Tag des Turniers unter Beweis gestellt. Die Athletin des Stuttgarter GC Solitude schaffte es, allen Gefahren aus dem Weg zu gehen und blieb als einzige der 144 angetretenen Mädchen bogeyfrei. Trotzdem durfte die 17-Jährige auf der Front Nine drei Birdies notieren und brachte auf Loch 13 ihr viertes Birdie unter. Mit 70 Schlägen, vier unter Par, hat der Bundesadler nur einen Schlag Rückstand auf die beiden Führenden. Entsprechend aufgeräumt war Helen Briem nach ihrem letzten Putt: „Ich habe heute sehr defensiv gespielt. Mir war es wichtig, hohe Nummern zu vermeiden und daher habe ich auf dem Platz, der ja nicht gerade breit ist, versucht, mir über viele Fairway- und Grüntreffer Chancen zu erarbeiten. Ich bin dabei meist eher Mitte Grün gegangen, um nicht der Verlockung zu erliegen, die teilweise schon schweren Pins zu attackieren. Das ist mir auch recht gut gelungen.“
16 Grüns in Regulation unterstreichen, wie gut der Schwäbin gelungen ist, ihre Taktik durchzuhalten. „Bei nur einem Dreiputt war das heute sehr solid und steady. Damit es noch tiefer geht, hätte ich eben deutlich mehr die Fahnen attackieren müssen. Das war ja aber nicht der Plan. Von daher war es ein solider und entspannter Start, bei dem vor allem strategisch noch sehr viel Luft nach oben ist, zumal heute für England fast perfektes Wetter war. Es gab nur sehr wenig Wind und recht viel Sonne, nur ab und zu mal zwei Tropfen Regen. Das hat es heute sehr einfach und angenehm gemacht. Trotzdem musste man den Ball eben erstmal auf die Bahn bringen, da das Rough hier ungewöhnlich dicht und fest ist. Anders als sonst auf Links-Plätzen, vermeidet man das hier lieber“, unterstrich die Athletin des Junior Team Germany, die aktuell im World Amateur Golf Ranking auf Platz elf steht, wie richtig ihre Taktik am ersten Tag dieses großen Turniers war.
Cool geblieben
Ganz stark startete auch Marie-Agnes Fischer vom Münchener GC. Wobei der Start in die erste Wettkampfrunde alles andere als gut gelang. Nach vier Löchern lag die Bayerin schon drei über Par. Dann ging ein Ruck durch die Spielerin aus dem Kader von Bundestrainer Sebastian Rühl und die Karte blieb danach nicht nur sauber, sondern bekam noch etliche rote Zahlen. Mit satten vier Birdies drehte Fischer das Blatt und kam mit einer starken 73 (-1) ins Recording. Insgesamt blieben nur acht der 144 Starterinnen unter Par.
„Auf den ersten vier Löchern habe ich schlechte Schläge gemacht. Da fehlte noch das Vertrauen in mein Spiel. Auf Loch 5 habe ich den ersten richtig guten Schlag gemacht. Auch wenn ich den Birdieputt nicht gelocht habe, hat mir das einen Booster für das Selbstvertrauen gegeben. Ab Loch 6 habe ich die Kurve gekratzt und in mein Spiel gefunden. Ich bin dann bis zum Ende in einen Flow gekommen. Das hat viel Spaß gemacht, zu spielen. Ich habe einen guten Mindset behalten. Der Platz ist schwer, aber machbar. Man braucht nur sehr gute Schläge, denn es ist ein extremst taktischer Platz. Morgen geht es nach Fulford, auf einen ganz anderen Platz. Ich freue mich darauf“, war Marie-Agnes Fischer nach dem starken Ende ihrer Auftaktrunde sehr glücklich.
Anderer Charakter
Bei den Jungen, die am ersten Tag einen Platz von ganz anderem Charakter gespielt haben, schafften es immerhin 41 Athleten, unter Par zu bleiben, davon fünf mit dem Bundesadler auf dem Shirt. Jack Murphy legte die Messlatte sehr hoch. Neun unter Par brachte der Ire in die Wertung und war damit mit Abstand bester Spieler des Tages.
Bester Deutscher in Fulford war Nico Kregler. Der Spieler des Hamburger L&GC Hittfeld musste auf seiner Front Nine zunächst zwei Bogeys notieren, ehe auf Loch 9 die erste rote Zahl auf die Karte wanderte. Auf der Back Nine spielte das Nordlicht zwingender und brachte das beste Finish seiner noch jungen Karriere unter. Mit Birdie-Birdie-Eagle drückte Kregler seinen Score auf „drei unter“ und geht von Platz sieben in den zweiten Tag.
„Wir haben eine sehr gute Stimmung im Team. Mit Alex Schmitt für die Platzvorbereitung und Mattias Althoff für Ernährung und Physio sind wir bestens bedient. Der Platz war in einem tollen Zustand. Ich freue mich sehr, zum ersten Mal bei diesem Turnier mitspielen zu dürfen. Heute hatte ich ein sehr gutes Finish. An Ende hatte ich sehr gute Schüsse mit den Eisen, habe gute Wedges gehauen und auch gut geputtet“, strahlte der Hamburger große Zufriedenheit mit seinem Debüt auf der Insel aus.
Schlaggleich mit Kregler hat sich Benedikt Boensch vom GC Herzogenaurach auf T7 in Position gebracht. Seine fünf Birdies bei nur zwei Bogeys erklärte der in Zirndorf lebende Youngster damit, dass sein langes Spiel einfach recht solide gewesen sein.
Peer Wernicke folgt mit einem Zähler mehr auf T16. Der Hubbelrather hatte dabei keinen guten Start, denn auf den beiden ersten Löcher musste der Sieger der IAM 2022 jeweils ein Bogey notieren. Danach lief es aber nahezu perfekt und die Scorekarte blieb -von einigen roten Zahlen abgesehen- sauber. Vier Birdies ließen den Score des Rheinländers auf zwei unter Par schmelzen.
„Das war ein solides Ergebnis. Damit bin ich ganz zufrieden. Es wäre noch mehr drin gewesen, denn ich habe nicht gut geputtet. Aber vom Tee habe ich mich sehr gut gefühlt. Mein langes Spiel war sehr verlässlich. Dadurch habe ich mir viele Chancen erarbeitet. Ich hoffe, dass ich morgen noch einige Putts mehr lochen kann. Das war insgesamt ein ordentlicher Start ins Turnier. Morgen wird es interessant, denn der Platz ist etwas schwieriger. Auf die Herausforderung freue ich mich“, war der Hubbelrather am Abend sehr aufgeräumt.
Wiederum schlaggleich mit Wernicke hat Philipp Macionga, der unmittelbar vor der „British Boys“ mit der Mannschaft des GC Augsburg in der Relegation zur 1. Bundesliga der Deutschen Golf Liga presented by All4Golf den Aufstieg gegen den Frankfurter GC knapp verpasste, ebenfalls vier Birdies und zwei Bogeys notiert.
Einen Schlag mehr brauchte Luis Büch vom GC St. Leon-Rot. Der Spieler des Wolfpacks lag nach elf Bahnen bei ganz starken vier unter Par und hatte bis dahin fünf Birdies gespielt. Danach stotterte der Motor etwas und mit einer Bogeyserie auf den Löchern 13, 14 und 15 ging es zurück auf „eins unter“.
Am zweiten Tag spielen die Jungen den Platz des Ganton GC, während die Mädchen den lieblicheren Parkland-Course des Fulford GC gehen werden.
Trainerstimmen
Jungen-Coach Alexander Schmitt war mit dem ersten Wettkampftag sehr zufrieden: „Die Jungs haben sich gut in Position gespielt und waren auf diesen Platz gut vorbereitet. Die Schläge waren gut geplant und die Taktik, die wir uns zurecht gelegt haben, ist gut aufgegangen. Morgen spielen wir einen ganz anderen Platz. Das wird tough.“
Bundestrainer Sebastian Rühl hatte im Einsatz für die Mädchen des Junior Team einen sehr langen Tag, war am Abend aber sehr zufrieden: „Ich bin dem R&A sehr dankbar, dass er so hochklassige Events auf die Beine stellt. Was man hier für die Entwicklung im Leistungssport mitnehmen kann, ist einfach atemberaubend. Im letzten Jahr waren wir in Carnoustie, in diesem Jahr in Ganton und Fulford. Wir sprechen so viel über Entwicklung. Wenn man entwickeln möchte, braucht man ein entsprechendes Umfeld. Das ist hier auf jeden Fall gegeben. Wir sind heute gut in das Turnier gestartet. Das Setup ist wahnsinnig schwer. Beide Plätze sind lang gesteckt und komplex zu spielen. Hier ist viel und gute Yardagebook-Arbeit notwendig. Man muss die richtigen Stellen treffen. Da sind wir in den letzten Jahren wirklich besser geworden und ich finde die Arbeit der Mädels mit dem Yardagebook toll. Es freut mich, soviel Professionalität auch in diesem Bereich zu sehen. Wir hatten tolle Ergebnisse von Helen Briem, die ganz vorne mitspielt, aber auch von Marie-Agnes Fischer. Emma Delwes hat auch toll gespielt. Für morgen drücken wir die Daumen, denn es sind einige Spielerinnen auf der Cutline. Wir sind gut vorbereitet und freue und morgen auf den Tag in Fulford.“
Livescoring British Boys
Livescoring British Girls
Team-EM
Bronze für Deutschland
15. Juli 2023