Kolumne
Von der Peinlichkeit des Seins
14. Juli 2023 , Carsten Moritz
In seiner neuen Kolumne regt Golfmentor Carsten Moritz an, auf Ihrer nächsten Freizeitrunde doch einmal von einem anderen Abschlag abzuschlagen. "Sie werden nicht gleich das Geschlecht wechseln, aber möglicherweise eine wertvolle Erfahrung mitnehmen."
Wenn Sie, werte Leser dieser Kolumne, einen Abschlag betreten, stehen Sie in der Regel zwischen Rot oder Gelb. Die Farbmarkierungen zeigen dem Spieler in der Regel nicht nur die Angaben des Ratings auf der Scorekarte, sondern auch, ob Sie sich zu der Riege der Damen oder Herren zugehörig fühlen. Zumindest auf dem Golfplatz.
Nachdenklich stimmt, dass die Markierungen auf einigen Golfplätzen Lichtjahre auseinanderliegen. So scheint es. Gibt es neben den Genderzwängen nicht auch ganz einfach bessere und schlechtere Spieler? Jüngere und Ältere? Ambitionierte und Freizeitorientierte? Cracks und Hacker? Die allermeisten unterscheiden sich in diesen modernen Zeiten auf dem Tee in der Regel nur in Rot oder Gelb; so scheint es. Die nette, sportliche Singlehandicapperin spielt als Dame von Rot und der bewundernswerte Senior nach seiner Herzmuskel-OP von Gelb. Tee off.
Natürlich können die Golfer auf Privatrunden abschlagen von wo sie wollen. In der Praxis unterliegen jedoch viel zu viele Amateurgolfer der eingebrannten und so kommunizierten Systematik. Rot für Damen, Gelb für Herren. Haben wir schon immer so gemacht. Punkt. Es liegt nahe, dass männliche Senioren oder Shorthitter in Freizeitrunden lieber von Gelb abschlagen, als sich zum Gespött zu machen. Die Peinlichkeit und kleinen Witzchen möchte man sich ersparen. Glauben Sie nicht? Ich schon!
Kommen wir aus der Psycho-Falle wieder raus? In den USA gibt es Konzepte, wo ein ganzer Farbmix an Abschlägen pro Spielbahn angeboten wird. Zu den einzelnen Abschlägen gibt es Handicapempfehlungen und einen freundlichen Ratschlag. Spiele die Tees, die Dich am Glücklichsten machen! Geht es für den Großteil der Amateure nicht vordergründig darum?
Nun gibt es hierzulande schon einige Plätze, die auf eine moderne Abschlagregelung umgestellt haben. Bravo! Die anderen haben es offensichtlich schon immer so gemacht, auch wenn es mit anderen Markierungen mittels Ausschreibungen für offizielle Wettspiele keine Probleme gibt.
Ich finde, wenn wir auch Golf als Freizeitsport weiterentwickeln möchten, sollten wir uns (als Golfnation) gerade tiefgründig und kritisch mit Dingen beschäftigen, die wir schon immer so gemacht haben. Und Sie - liebe Leser - schlagen bitte auf Ihrer nächsten Freizeitrunde doch einmal von einem anderen Abschlag ab. Sie werden nicht gleich das Geschlecht wechseln, aber möglicherweise eine wertvolle Erfahrung mitnehmen. Nicht nur in Bezug auf andere Spiellinien und den Trainigseffekt. Tee off!
Herzliche Grüße,
Carsten Moritz
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