Mental

Achtsam am Abschlag


18. Mai 2024 , Felix Grewe


Konzentration auf den Augenblick ist nicht nur beim Abschlag wichtig.
Konzentration auf den Augenblick ist nicht nur beim Abschlag wichtig. | © Ben Jared/PGA TOUR via Getty Images

Achtsamkeit gilt als Wunderwaffe gegen Angst und Stress – auch beim Golf. Vier Übungen, die Sie achtsamer und bewusster spielen und dadurch weniger nachdenken lassen.

Achtsamkeit liegt im Trend. Wer den Begriff bei Google sucht, erhält rund 15 Millionen Treffer. Die englische Übersetzung „Mindfulness“ liefert sogar 264 Millionen Ergebnisse. Das allein muss noch keine Bestätigung für eine besonders große Bedeutsamkeit sein. Aber es passt dazu, dass immer mehr Unternehmen Achtsamkeitskurse für ihre Mitarbeiter anbieten, dass Apps boomen, mit deren Hilfe man Techniken für die Meditation erlernen kann und dass es auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt zunehmend mehr Titel gibt, die sich damit befassen, wie Menschen Ruhe finden können in einer lauten, schnelllebigen und von Krisen geplagten Zeit. Da stellt sich die Frage: Wie passen Achtsamkeit und das Golfspiel zusammen? 

Was Achtsamkeit ist

Die Antwort liefert bereits eine gängige Definition der Achtsamkeit. „Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen. Diese Art der Aufmerksamkeit steigert das Gewahrsein und fördert die Klarheit sowie die Fähigkeit, die Realität des gegenwärtigen Augenblicks zu akzeptieren“, so erklärt es Jon Kabat-Zinn, der Amerikaner ist so etwas wie ein Achtsamkeits-Papst, der in den USA an Universitäten Achtsamkeitsmeditation lehrt, um Menschen zu zeigen, wie sie besser mit Stress oder Angst umgehen können. Klar ist: Golf ist schön – aber eben auch mental herausfordernd. Das Spiel erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit, während ständig die Gefahr von Ablenkungen droht: Da sind Gedanken an technische Unzulänglichkeiten, an das verpasste Par am letzten Loch, die Angst vor dem Versagen. Aber auch Gespräche mit Flight-Partnern, bimmelnde Handys oder die vielen kleinen (und manchmal auch größeren...) Wehwehchen des Körpers führen dazu, dass wir geistig meistens nicht vollkommen präsent sind. Im Gegenteil: Wir sind fast immer abgelenkt. Nur merken wir es häufig nicht. Ergo: Achtsamkeit kann auch auf dem Golfplatz helfen. Aber wie genau? Vier Tipps: 

1) Achten Sie auf Geräusche 

Natürlich kann es nett sein, auf einer Runde mit den Mitspielern zu plaudern. Aber Sie müssen ja nicht pausenlos quatschen. Achtsamkeit können Sie üben, indem Sie etwa auf die Geräusche Ihrer Umgebung achten. Was können Sie hören? Vielleicht das Zwitschern der Vögel? Das Rauschen der Blätter an den Bäumen? Den Sound, wenn Sie selbst oder andere Spielerinnen und Spieler den Ball schlagen? Flugzeuge? Es gibt so Akustik auf einem Golfplatz, selbst dann, wenn man meint, es sei still. Je interessierter Sie Ihrer Umwelt lauschen und die verschiedenen Geräusche wahrnehmen, desto weniger grübeln Sie über Ihr Spiel. 

 

Wenn Sie den Geräusche Ihrer Umgebung lauschen, schärfen Sie Ihre Achtsamkeit für den Moment.
Wenn Sie den Geräusche Ihrer Umgebung lauschen, schärfen Sie Ihre Achtsamkeit für den Moment. | © Douglas P. DeFelice/Getty Images


2) Spüren Sie Ihre Schritte 

Ein Klassiker im Achtsamkeitstraining. Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen. Können Sie wahrnehmen, wie hart oder weich er ist? Stellen Sie sich eine Skala von eins (weich) bis zehn (hart) vor – wie verändert sich der Wert von Schritt zu Schritt? Je achtsamer Sie über den Platz gehen, desto mehr richten Sie Ihre Konzentration auf den Augenblick, schweifen weniger ab und reduzieren so die Gefahr, Opfer Ihrer kritischen Stimme im Kopf zu werden, die Ihnen vielleicht wieder einmal erzählen will, warum Sie heute einen miserablen Tag erwischt haben oder warum Sie Ihren Ball auf der nächsten Bahn wie immer ins Wasser befördern werden.  

3) Atmen Sie bewusst 

Bewusstes Atmen ist einer der wichtigsten Schlüssel zur inneren Ruhe und Gelassenheit. Die Atmung wird deshalb oft als Basis für ein achtsames Dasein bezeichnet. Sie können in jedem Moment – auf und abseits des Golfplatzes – Ihre Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausatmen legen und damit nicht nur den Körper entspannen, sondern auch Ihren Geist. Durch eine bewusste Atmung lassen sich zudem Emotionen besser kontrollieren, Stress reduzieren und Ängste loslassen. Praxistipp: Achtsam Sie zwischen Ihren Schlägen auf Ihren Atemrhythmus. Beobachten Sie ihn lediglich, ohne ihn direkt zu verändern. Wie schnell oder langsam atmen Sie? Durch Mund oder Nase? Und was geschieht durch das wertfreie Beobachten des Atems? Auch im Alltag kann das achtsame Atmen erstaunliche Effekte erzielen und das sich permanent drehende Gedankenkarussell verlangsamen. 

 

Wenn Sie beim Rückschwung den Schlägerkopf spüren, denken Sie weniger über Ihren Schwung nach.
Wenn Sie beim Rückschwung den Schlägerkopf spüren, denken Sie weniger über Ihren Schwung nach. | © Matt Roberts/Getty Images


4) Spüren Sie Schläger und Treffpunkt

Die ersten drei Achtsamkeitsübungen funktionieren auch abseits des Golfplatzes. Diese hingegen hat einen besonderen Golfbezug. Spüren Sie Ihren Schläger im Schwung und den Treffpunkt des Balls. Wie das funktioniert? Achten Sie zum Beispiel darauf, ob Sie fühlen können, wann Ihr Schläger im Rückschwung den höchsten Punkt erreicht. Bewerten Sie nicht das Ergebnis – seien Sie nur achtsam für das, was geschieht. Der Effekt: Dadurch, dass Sie beim Schwung weniger nachdenken, schwingen Sie freier. Probieren Sie ebenfalls, was passiert, wenn Sie sich nur auf das Gefühl im Treffpunkt konzentrieren. Spüren Sie den Ballkontakt so intensiv wie möglich, indem Sie sich ganz auf ihn fokussieren. Wie fühlt sich ein Drive an? Welches Gefühl haben Sie bei einem langen Eisenschlag? Welches beim kurzen Spiel? Sie lenken Ihre Aufmerksamkeit auch dabei wieder auf einen einzigen Fokus. So werden Sie achtsam und blenden mehr und mehr Störfaktoren aus. 

Über den Autor: Felix Grewe ist nicht nur Sportjournalist und Autor auf Golf.de, er ist auch ausgebildeter Coach und zertifizierter Inner-Game-Facilitator.