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Silke Lüdike - Vom Volleyball zum Golf


8. März 2023 , Thomas Kirmaier


Früher Volleyball, jetzt Golf: Silke Lüdike ist seit acht Jahren als Mental-Coach im Golf Team Germany tätig.
Früher Volleyball, jetzt Golf: Silke Lüdike ist seit acht Jahren als Mental-Coach im Golf Team Germany tätig. | © Thomas Kirmaier

Seit acht Jahren ist Silke Lüdike als Mental-Coach im Golf Team Germany tätig. Ursprünglich kommt die 52-Jährige aus dem Volleyball. Golf.de sprach mit ihr über ihre Erfahrungen, Erfolge und das Wissen über das eigene Können.

Frau Lüdike, wo erreichen wir Sie gerade?
Nach zwölf Tagen in Südafrika, genauer in Kapstadt und Fancourt, wo ich die drei Spieler aus dem Nationalkader auf der Challenge Tour begleitet habe, bin ich jetzt wieder zu Hause in Kiel.

Sie waren zu Ihrer aktiven Zeit erfolgreiche Beachvolleyballerin und sind seit einigen Jahren Mental-Coach im Golf Team Germany. Wie wird man Mental-Coach und wie kam der Kontakt zu Golf bzw. zum DGV zustande?
Für den Deutschen Volleyball-Verband war ich nach meiner aktiven Karriere als hauptamtliche Bundestrainerin im Nachwuchsbereich Beachvolleyball tätig und somit auf Welt- und Europameisterschaften unterwegs. Irgendwann hatte ich mich entschieden, mich mehr der Persönlichkeitsentwicklung der Athletinnen und Athleten zu widmen, da ich festgestellt hatte, dass dieser Bereich wahnsinnig wichtig ist. Als Trainer muss man Vorgaben machen; als Coach begleitet man und unterstützt den Spieler dabei, seine Entscheidungen zu treffen. Zum Golf kam ich über Herren-Bundestrainer Uli Eckhardt, den ich bei den Youth Olympic Games 2014 in China kennenlernte. Er hat öfter bei unseren Beachvolleyball-Matches zugesehen und sich für meine Art des Coachings interessiert. Ich hatte damals gerade einen Artikel zum Thema Kommunikation und Transaktionsanalyse im Volleyballmagazin veröffentlicht. Über das Thema habe ich dann auf der Landestrainerkonferenz des DGV referiert. Ende 2014 rief er mich dann an und erzählte mir, dass sein Mental-Coach abgesprungen sei. Er fragte, ob ich mir vorstellen könnte, auch im Golfbereich zu arbeiten. Das haben wir bei einem Trainingslehrgang mit den Jungs auf Mallorca mal ausprobiert; es hat super geklappt und im Folgejahr sind wir Europameister geworden. Das war super spannend für mich und so fing das dann an.

Im Trainerteam des GTG gibt es deutlich mehr Männer als Frauen. Woran liegt's?
Das stimmt. Aber warum das so ist? Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nicht wirklich viele Gedanken gemacht. Beim Volleyball war das anfangs sehr ähnlich. Als Nachwuchs-Bundestrainerin war ich für beide Geschlechter zuständig. Da habe ich mit Jungs und Mädchen sowie Männern und Frauen gearbeitet. Im Golf ist das ja streng getrennt, ähnlich wie beim Tennis. Wenn ich jetzt auf Golfplätzen unterwegs bin, fällt mir schon auf, dass da kaum Trainerinnen unterwegs sind – vielleicht mal ein paar Caddys. Aber so wirklich habe ich mich mit dieser Thematik noch gar nicht befasst. Vielleicht auch, weil es bei mir kein Schubladen-Denken Mann-Frau gibt.

Sie sind Mutter von drei Kindern. Wie schafft man es, Privatleben und Berufliches in dieser Branche miteinander zu verbinden?
Das lief bei mir wohl weniger klassisch ab. Ich habe eigentlich alle meine Kinder als Baby immer mitgenommen zu den internationalen Meisterschaften. Entweder war dann mein Mann noch dabei oder ich hatte eine andere Person an der Seite, die sich während der Wettkämpfe um die Kinder kümmerte, zumindest als sie noch kleiner waren. Jetzt sind sie 10, 12 und 16 Jahre alt. Seit drei Jahren bin ich alleinerziehend. Da kommen schon so Fragen ,Wie machst du denn das jetzt?' Wenn ich unterwegs bin, haben wir eine Art Leih-Oma, die immer kommt und auf Kinder und Hund aufpasst. Meine Kinder machen das toll. Sicherlich ist es ein Spagat, aber es ist möglich und meist nur eine Frage der Organisation. Ich sage immer, ich manage zwei Unternehmen: die Arbeit und die Familie.

Silke Lüdike bei der Arbeit: Als Mental-Coach kümmert sich die 52-Jährige um viele Bereiche des Golfsports.
Silke Lüdike bei der Arbeit: Als Mental-Coach kümmert sich die 52-Jährige um viele Bereiche des Golfsports. | © Thomas Kirmaier


Golfen und Beachvolleyball – wo sind Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Sehr viele Gemeinsamkeiten gibt es in der Periodisierung. Heißt, die Einteilung des Jahres in Vorbereitungs-, Wettkampf- und Regenerationsphase. Im Leistungsbereich dauert die Wettkampfphase ja inzwischen fast 365 Tage. Gemeinsamkeiten sind vielleicht auch die persönlich auf den Athleten abgestimmte Trainingssteuerung, wobei es da im Golf aus meiner Sicht noch Potenzial gibt. Auch die mentale Abeit ist grundsätzlich ähnlich. Durch sie sollen die Sportler über ihr ,Großes und Ganzes', also ihr Potenzial und ihren Leistungsstand inklusive ihrer Stärken und Herausforderungen bewusst werden. Die Sportler bekommen Klarheit darüber, zu was sie in der Lage sind, woran sie noch arbeiten müssen und welche Herausforderungen sie angehen. Das erfolgt beim Golf wie beim Volleyball durch eine Art Selbst-Monitoring. Der größte Unterschied zwischen Golf und Volleyball ist, dass ich beim Golf alleine bin, gegen und für mich spiele. Völlig unabhängig davon, was die Spieler um mich herum machen. Es gibt beim Golf keinen Gegner. Der Gegner bin ich. Beachvolleyball hingegen funktioniert nur im Team. Es gibt einen Gegner auf der anderen Seite des Netzes und ich habe einen Schiedsrichter, der beim Volleyball deutlich mehr und aktiver ins Spiel kommt als beim Golf. Vielleicht kann man es so sagen: Ein Matchplay im Vierer beim Golf ist ähnlich wie ein Spiel im Beachvolleyball.

Welche Vor- und Nachteile bringt der Job im Golf-Coaching mit sich?
Was ich definitiv als Vorteil empfinde, ist, dass ich als Coach die Sportler sehr individuell begleiten kann. Das war als Bundestrainerin aufgrund unterschiedlicher Aufgabenbereiche nur bedingt möglich. Nachteile gibt es aus meiner Sicht keine. Auch wenn die individuelle Arbeit mit den Golfern gern kontinuierlicher 1:1 stattfinden könnte. Nach dem Motto, ein Samen, der gesät wird, sollte, um nachhaltig Früchte zu tragen, regelmäßig und intensiv gepflegt werden.

Was machen Frauen beim Coaching, speziell im mentalen Bereich, anders als Männer?
Ich würde da nie zwischen Frauen und Männern unterscheiden. Der Unterschied liegt in der individuellen Sichtweise, Wahrnehmung und Betreuung des jeweiligen Coaches. An ein Schlüsselerlebnis erinnere ich mich, als ich mit Uli (Eckhardt, Anm. d. Red.) darüber gesprochen habe, dass Trainer immer nur durch ihre Augen und nicht durch die des Athleten schauen können. Das hat Uli zum Umdenken seiner bisherigen Herangehensweise angeregt. Ein gelungenes Coaching bringt aus meiner Sicht den Spieler über gezieltes Fragen und Begleiten dahin, Klarheit über die jeweilige Situation zu gewinnen und in vollem Vertrauen zu sich selbst und mit vollem Commitment, eine Entscheidung zu treffen, warum er jetzt genau diesen Schläger wählt, von dem er meint, dass er die Situation am besten löst. Ich achte dabei sehr auf den inneren Dialog, wie der Spieler mit sich selbst spricht. Die Sprache sollte aus meiner Sicht immer zielorientiert sein. Das heißt, die Spieler lernen, dass Fehler eine wichtige Erfahrung zum Lernen sind. Die erfolgreiche Handlung der Fehler wird noch einmal durchleuchtet, indem überlegt wird, was eigentlich erreicht werden soll und was dafür getan werden muss, um einen erfolgreichen Handlungsabschluss zu erzielen.

"Nach einem guten Schlag die Augen schließen und fühlen"

Müssen Männer mental anders gecoacht werden als Frauen?
Grundsätzlich würde ich auch hier immer sagen, das ist typabhängig. Im Beachvolleyball-Training habe ich persönlich als Bundestrainerin die Erfahrung gemacht, dass Jungs mit der Übung einfach loslegen, auch wenn sie diese noch nicht ganz verstanden haben, während Mädchen eher nachfragen, um Klarheit zu bekommen, bevor sie anfangen. Das ist aber nur eine pauschale Erfahrung. Da gibt es immer Ausnahmen.

Es gibt bei Damen wie Herren deutlich mehr Athleten auf der Tour als noch vor wenigen Jahren. Ein Ergebnis der Professionalisierung im Mentalcoaching-Bereich?
Erfolge sind immer Ergebnis einer langjährigen gemeinsamen Arbeit der einzelnen an dem Prozess beteiligten Bereiche Golf-, Athletik- und Mentaltraining. Das ist wirklich eine tolle Entwicklung und zurückzuführen auf eine erfolgreiche Arbeit des Trainerteams im Golf Team Germany. Da ist viel auf den Weg gebracht worden im vergangenen Jahrzehnt.

Golf ist ein enorm mentaler Sport. Geben Sie uns doch bitte zwei, drei Tipps mit auf den Weg, wie jeder Amateur entspannter und erfolgreicher durch die Runde kommt.
Aufzuhören, sich über Fehlschläge zu ärgern, die man eigentlich noch gar nicht beherrscht. Dafür ist das Wissen über sich selbst wichtig. Ist man gut reflektiert, dann weiß man, was man kann und was noch in Arbeit ist bzw. noch nie bearbeitet wurde. Eine Idee dafür ist, einmal alle seine Schläger im Bag durchzugehen und sich zu fragen, was man mit dem jeweiligen Schläger alles drauf hat und was vielleicht als Potenzial noch unbearbeitet brach liegt. Ärgern kann man sich über einen Fehlschlag, wenn man weiß, dass man den deutlich besser spielen kann. Dann kann ich mich kurz ärgern, wenn ich das brauche. Kurz, um dann wieder klar und fokussiert mit dem nächsten Ball weiterzumachen. Im Hier und Jetzt sein und so aus jeder Situation das Beste zu machen. Die Atmung habe ich als Tool immer bei mir. Daher kann ich lernen, sie in solchen Situationen zu nutzen, um Wut und Unverständnis schneller abzubauen und ins Hier und Jetzt zurückzukommen.

Heißt: Selbsteinschätzung und Realität klaffen beim Amateur-Golfer doch weit auseinander, oder?
Das ist vielleicht manchmal der Fall, ja. Aber auch individuell zu betrachten. Eine Empfehlung vielleicht: Lieber seinen Schlag anhand einer Skala bewerten statt nach gut oder schlecht. Schon ist man viel nüchterner. Und noch etwas: Einfach mal öfter nach einem gelungenen Schlag die Augen schließen und spüren, wie sich das gerade angefühlt hat.

Vielen Dank für das Gespräch!