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Steven Alker: Von der Randnotiz zum Platzhirsch


30. Dezember 2022 , Thomas Fischbacher


Gewinner des Charles Schwab Cup 2022: Steven Alker
Gewinner des Charles Schwab Cup 2022: Steven Alker | © Ben Jared/PGA TOUR via Getty Images

Steven Alker verbringt seine Golf-Karriere bis vor zwei Jahren hauptsächlich auf Zubringer-Touren. Dann ändert der Wechsel ins Seniorenlager alles. Die Analyse einer unwirklichen Formexplosion.

Padraig Harrington hat kürzlich eine interessante These aufgestellt. Der irische Major-Sieger sprach bei der PNC Championship über den Zeitraum, in der Profi-Golfer das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit erreichen. Eine Golfkarriere würde 20 Jahre dauern, führte der Ryder-Cup-Kapitän von 2021 aus, zehn Jahre davon wäre man wettbewerbsfähig. Drei bis vier Jahre müsse man sich an die Tour gewöhnen, blieben sieben oder acht Jahre, in denen viel passieren muss. Bei den sehr erfolgreichen Spielern gäbe es dann zwei Jahre, in denen die Form explodiert. 

"Man hat eine zweijährige Periode, in der man seinen Höhepunkt erreicht", erklärte er. "Zwei Saisons, in denen man besser spielt als sonst. Und man kann sich die vielen Karrieren ansehen. Sie haben 18 Monate, in denen sie über sich selbst hinaus wachsen. Und wenn man das einmal geschafft hat, ist es natürlich sehr schwer, daran anzuknüpfen."

Harrington mag in Teilen Recht haben mit seiner Behauptung. Viele Karrieren, auch seine eigene (drei Major-Siege in 13 Monaten) hatten dieses unwirkliche Hoch. Auch wenn es natürlich auch einige Größen gab, die länger auf der Welle des Formhochs surften. Oder Spieler, die gleich mehrere solcher Hochphasen genießen durften. 

Nur Alker besser als Harrington

Harrington selbst ist seit seinem Wechsel zu den Senioren der PGA Tour Champions wieder ein Star-Spieler. Keiner schlägt weiter – und nur einer war im vergangenen Jahr noch besser. Steven Alker gewann 2022 den Charles Schwab Cup. Der Neuseeländer war dabei ein Spieler, der bis zu seinem 50. Geburtstag auf das erste fulminante Formhoch seiner Laufbahn warten musste. 

Alkers Beispiel beweist: Es ist das Schöne am Profi-Golfsport der Herren, dass es auch mit 50 Jahren noch möglich ist, sich ein Vermögen zu erspielen und große Titel zu gewinnen. Rekord-Senior Bernhard Langer hatmehr als 33 Millionen Preisgeld-Dollars eingespielt. Alker hat bereits in seinen ersten beiden Jahren auf der Tour mehr Preisgeld gesammelt als bei seinen fast 400 Starts auf der PGA und Korn Ferry Tour. 
 

Einer der seltenen Auftritte auf der großen Bühne: Alker bei der Open 2012 in Royal Lytham
Einer der seltenen Auftritte auf der großen Bühne: Alker bei der Open 2012 in Royal Lytham | © Warren Little/Getty Images


Den Sprung zum Stammspieler auf der PGA Tour hatte der 51-Jährige aus Hamilton zuvor nie geschafft. Seine Karriere begann auf der australischen PGA Tour. Nach kurzen Phasen in Europa und Kanada, versuchte er sein Glück in den USA. Er gewann vier Mal auf der damaligen Nationwide Tour (dann Web.com, heute Korn Ferry), schaffte drei Aufstiege auf die PGA Tour, konnte sich aber nicht etablieren. Alker war im Weltgolf lange nur eine Randnotiz, die insgeheim hoffte, dass irgendwann dieses verflixte Formhoch sein Spiel in ungeahnte Höhen katapultieren würde. 

Er blieb dran, auch wenn es scheinbar keinen Sinn mehr machte. Und das Formhoch kam. Etwas später als geplant und erhofft – aber es kam. In einem Alter, in dem es viele gestandene Spieler etwas ruhiger angehen lassen, drückt Alker aufs Gaspedal. 

Die Brust wird breiter und breiter

Seine Karriere bei den Senioren begann 2021 mit einer Montags-Qualifikation. Er schaffte es ins Feld, beendete die Boeing Classic als Siebter, durfte deshalb auch in der darauf folgenden Woche ran, wurde Dritter bei der Ally Challenge – und so weiter. Er etablierte sich im Rekordtempo im neuen Umfeld und siegte im Rookie-Jahr bei der TimberTech Championship. Die Brust wurde breiter und breiter. Auch im Jahr 2022. 

Alkers Lauf hielt an. Die beeindruckenden Zahlen der aktuellen Saison: Alle 22 Cuts geschafft, vier Siege, darunter ein Major-Titel bei der Senior PGA Championship, vier zweite Plätze, fünf dritte Plätze, nur fünf Mal kein Top-zehn-Ergebnis. Am Ende gewann er den Charles Schwab Cup, die Saisonwertung der Senioren, verbunden mit einer Siegprämie von einer Millionen US-Dollar. 
 


Was ist das Erfolgsrezept?

Der Familienvater hat innerhalb kürzester Zeit die Verwandlung von einem Spieler, dessen Bestleistung auf der PGA Tour Platz 17 war, zum Besten der PGA Tour Champions gemeistert. Was schlussendlich den Ausschlag für den Erfolg gab, ist sich Alker selbst nicht ganz sicher. "Es ist eine Kombination aus allem", erklärte er dem News-Portal Stuff. "Der Wechsel der Atmosphäre, eine andere Tour, ein neues Kapitel in meiner Karriere. Mein Spiel kam zum richtigen Zeitpunkt."

"Es ist eine Kombination von Dingen, die sich gleichzeitig aufbauen”, verriet Alker bei ESPN. "Ich habe 18 Monate lang hart gearbeitet, bevor ich auf die Champions Tour kam, um mich vorzubereiten. Es ist nicht die Art von Tour, die man einfach so betritt, nachdem man fünf oder 10 Jahre lang nicht gespielt hat. Ich bin konkurrenzfähig und fit geblieben."
 

Alkers Vorbild: Bernhard Langer
Alkers Vorbild: Bernhard Langer | © Ben Jared/PGA TOUR via Getty Images


Fitness rückt in den Fokus

Vor allem die Fitness rückte mit fortschreitendem Alter stärker in den Fokus. Er engagierte einen Trainer, der schnell Schwachstellen am Körper identifizierte, an denen intensiv gearbeitet wurde. Auch habe er aufgehört, stundenlang Bälle auf der Range zu schlagen oder hunderte Putts auf dem Grün zu versenken. 

"Man lernt aus diesen Erfahrungen, und ich glaube, deshalb spiele ich jetzt so gut, weil ich gelernt habe, dass ich nicht stundenlang auf dem Platz stehen muss", sagte Alker. "Ich muss nicht jeden Tag trainieren. Das funktioniert jetzt einfach nicht mehr für mich. Es ist besser, wenn ich mich ausruhe und Zeit für die Familie habe."

Fokus auf Fitness, sich nicht mehr im endlosen Feintuning des Schwungs verlieren und wertvolle Zeit mit der Familie einplanen. Der Neuseeländer hofft, dass ihm dieses Erfolgsrezept noch einige weitere formstarke Jahre bei den Senioren einbringen wird. Nur zu gerne würde er die Thesen des Konkurrenten Harringtons widerlegen.