Interview
“Carmen, nein, nimm den anderen Shape!”
27. Juli 2022 ,
Bettina Hauert hat beim Amundi German Masters ihr Debüt in der Kommentatoren-Box gefeiert. Mit Golf.de spricht die ehemalige Solheim-Cup-Spielerin über ihre neue Rolle, die Situation auf der Ladies European Tour und ihre Philosophie als Golflehrerin.
Bettina Hauert war bis 2010 selbst auf der Ladies European Tour unterwegs – und feierte tolle Erfolge. Sie gewann 2007 zwei Turniere und spielte im September beim Solheim Cup an der Seite von Annika Sörenstam, Laura Davies und Suzann Pettersen. Mittlerweile gibt die 40-Jährige ihr Wissen als Golfprofessional im Kölner Golfclub weiter – und seit kurzem auch aus der Kommentatoren-Box. Den Zuschauern kann sie das Geschehen auf dem Platz sowohl aus der Sicht einer Tour-Spielerin als auch mit dem Auge einer Golflehrerin fachkundig erklären. Für Golf.de kommentiert Hauert in dieser Woche die Women’s Scottish Open gemeinsam mit Uwe Bornemeier oder Matthias Cammann.
Die Übertragungszeiten:
- Do-Fr 16 bis 20 Uhr
- Sa-So 14:30 bis 18:30 Uhr
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Frau Hauert, wie haben sie sich in ihrer neuen Rolle als Kommentatorin zurechtgefunden?
Bettina Hauert: Ich fande meinen ersten Auftritt sehr interessant und hatte viel Spaß bei der neuen Aufgabe. Vor allem das Finale des Turniers war ja an Spannung nicht zu überbieten.
Wie interpretieren sie ihre Rolle in der Box?
Ich möchte aus Sicht einer ehemaligen Tour-Spielerin und Golflehrerin kommentieren und das Geschehen analysieren. Aber im Grunde wollen wir eine lockere Atmosphäre schaffen und einfach ein Gespräch führen, wie wir es vielleicht auch im Clubhaus nach der Runde tun würden.
Wie oft denken sie an ihre eigene Laufbahn zurück, wenn Sie sich jetzt wieder sehr intensiv mit Tour-Golf beschäftigen?
Mit meiner Karriere bin ich völlig im Reinen. Ich möchte keinen meiner Momente auf der Tour missen, aber ich habe ein gutes Timing gefunden, um aufzuhören. Ich verfolge die Turniere mit einer gewissen Emotion und denke auch manchmal an Situationen, die ich als Spielerin erlebt habe. Man kann sich sehr gut hineinversetzen und kann erahnen, was in welcher Situation im Kopf der Spielerinnen vorgeht.
"Hat mir fast das Herz zerrissen…"
Wie intensiv fiebern sie vor allem auch mit ihren alten Kolleginnen mit?
Ich kann mich an eine Situation mit Carmen Alonso beim German Masters erinnern. Mich hat es wahnsinnig gefreut, dass sie vorne dabei war. Und mir hat es fast das Herz zerrissen, als ich miterlebt habe, wie sie am Finaltag eher abgebaut hat. Sie hat in meinen Augen auch ein paar taktische Fehler gemacht. Ich habe gesehen, wie sie einer Situation zum Draw angesetzt hat, in der es wirklich nicht angebracht war. Am liebsten hätte ich durch das Mikrofon zu ihr gerufen ‘Carmen, nein, nimm den anderen Shape.’
Nun steht ab Donnerstag die Scottish Open in Dundonald Links an. Was ist das Besondere an diesem Turnier und was können die deutschen Golffans erwarten?
Zum einen ist Linksgolf natürlich etwas Besonderes. Der Wind ist ein erheblicher Faktor und das Spiel unterscheidet sich von vielen anderen Platzarten. Zum anderen ist das Feld des Turniers wirklich sehr stark. Da kann man sich wirklich auf Spitzengolf freuen. Die Schotten sind positiv golfverrückt und deshalb kann man auch davon ausgehen, dass sehr viele Zuschauer auf die Anlage kommen werden.
Mit dabei sind auch sechs deutsche Spielerinnen. Wem trauen sie den nächsten Sieg zu?
Es fällt mir schwer, mich auf einen Namen festzulegen, aber ich denke, wir haben sehr viele Damen, denen ein Sieg zuzutrauen ist. Es geht immer nur um ein paar Details, damit es vielleicht auch mal für den ersten Platz reicht. Wir haben beim German Masters gesehen, wie schnell alles gehen kann. Wenn Leonie (Harm) an der 16 noch das Birdie macht, sieht es anders aus. Es sind die kleinen Momente, die über Titel entscheiden – und das macht es so spannend.
"Geht hier alles den Bach runter…"
Wie sehr hat sich die Ladies European Tour im Vergleich zu ihrer aktiven Zeit verändert?
Das ist schon eine andere Welt. Als ich aufgehört habe, war die Tour auf einem absteigenden Ast. Wenn ich in den folgenden Jahren Kontakt zu ehemaligen Kolleginnen hatte, haben mir alle immer bestätigt, dass mein Entschluss, die Laufbahn zu beenden, der richtige war. Der Tenor war: Das geht hier alles den Bach runter. Dass es jetzt nach vorne geht, ist wirklich erstklassig.
Nicht nur im Damengolf, sondern im Damensport allgemein.
Ja, wir sehen das bei vielen Sportarten. Aktuell natürlich vor allem bei der Frauen-Fussball-EM. Der “Pay Gap” ist eine große Diskussion. Ich glaube, dass die Damen im Golf auch von diesen generellen Diskussionen und Trends profitieren können.
Ist Damengolf greifbarer für den Freizeitgolfer?
Ich denke schon. Was die Herren auf der Tour machen, ist weit weg von der eigenen Realität. Damengolf ist näher dran am eigenen Spiel als ein 350 Meter-Abschlag. Von der Länge liegen Amateurgolfer und Tour-Spielerin oft nicht weit auseinander. Faszinierend ist es, wenn ein Golfer mit Handicap 18 den Ball genauso weit schlägt wie eine Tour-Spielerin, aber seine Runde auf dem gleichen Golfplatz wahrscheinlich mit 27 Schlägen mehr beendet.
Was kann man von den Tour-Spielerinnen lernen?
Das Spiel ist natürlich wahnsinnig beeindruckend, aber alle machen auch Fehler. Spannend ist dann zu sehen, wie sie mit dieser Situation umgehen und sich auch wieder berappeln. Oft kontern sie einen Patzer mit einem Birdie als wäre nichts gewesen, während für den Hobbygolfer in so einer Situation gefühlt die Runde beendet wäre.
Wie wichtig ist ihnen als Golflehrerin auch der Umgang ihrer Schüler mit Misserfolg im Golf?
Misserfolg gehört zum Golfsport. Es gibt keine perfekte Runde. Walter Hagen hat einmal gesagt: ‘Ich rechne mit mindestens sieben schlechten Schlägen pro Runde. Wenn ich einen fabriziere, dann ärgere ich mich nicht. Es ist nur einer dieser sieben.’ Diese Einstellung sollte man voranbringen. Je eher Golfer das verstehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie an ihre Leistungsgrenze gelangen.
"Da bin ich etwas demokratischer…"
Welche Rolle spielt Golf abseits vom Beruf in ihrem Leben noch?
Es gab eine Phase, in der ich kaum gespielt habe. Mein Golf war immer leistungsorientiert und nach meinem Karriereende habe ich natürlich nicht mehr ansatzweise so viel trainiert, was sich dann auch in den Ergebnissen widergespiegelt hat. Das war eine Zeit lang schwierig für mich, mir das dann auf dem Platz so vor Augen zu führen. Das war kein Zustand, den ich genießen konnte.
Der Ehrgeiz und die Verbissenheit bleiben also auch nach der Karriere erhalten…
Mittlerweile ist es deutlich besser, weil ich nicht mehr so kompetitiv ans Werk gehe. Ich genieße das Soziale, freue mich über gute Schläge und wenn ich mal keine Lust habe auf einen Schlag aus dem tiefen Rough habe, dann lege ich mir den Ball aufs Fairway. Ich schaffe es noch nicht so ganz, mich von dem alten Ehrgeiz zu lösen, aber ich bin auf einem guten Weg.
Was sind die schönsten Momente, die sie als Golflehrerin erleben?
Das ist ganz unterschiedlich. Einer meiner jugendlichen Schüler hat beim Jugend-Ligaturnier zuletzt eine Runde mit sechs Schlägen unter Par beendet. Das hat mich sehr gefreut. Vor ein paar Wochen habe ich mit einer 83-Jährigen neun Löcher gespielt. Die Dame startet ihren dritten und letzten Anlauf im Golf und hat im Anschluss gesagt, sie hatte viel Spaß und eine wunderbare Zeit. Das war ein genauso schöner Moment. Jeder hat unterschiedliche Ziele, und immer wenn ich ein Teil davon bin, wenn jemand diese erreicht, habe ich einen guten Job gemacht.
Sie haben damals unter Günter Kessler trainiert, der auch Martin Kaymer, Caroline Masson und Marcel Siem betreut hat. Was haben sie von ihm mitgenommen?
In meiner Generation hat er die meisten erfolgreichen Spieler herausgebracht. Günter ist technisch der beste, den ich je erlebt habe. Da konnte man wirklich eine ganze Menge lernen. Er war immer sehr klar und autoritär in seinen Aussagen, da bin ich etwas demokratischer.
Vielen Dank für das Gespräch!