Team-EM

Vier plus zwei


28. Juni 2022 , Stefan Bluemer


Das Team steht zusammen (© GC München-Riedhof)
Das Team steht zusammen (© GC München-Riedhof)

Deutschland startet als Titelverteidiger in die Team-EM der Jungen in St. Leon-Rot. Vier Spieler geben alles dafür, den zweiten Titel in Folge zu gewinnen, zwei starke Spieler wollen dieses Glücksgefühl zum ersten Mal erleben, mit dem Team auf den Thron Europas zu klettern.

St. Leon-Rot – Die ganz heiße Phase der Vorbereitungen auf das größte Golfturnier, das in Deutschland neben den Events der großen Profi-Touren in diesem Jahr stattfinden wird, läuft. Die Vorfreude ist auf allen Ebenen zu spüren. Auch die Athleten, die mit Jungen-Bundestrainer Christoph Herrmann, Athletik-Bundestrainer Christian Marysko und Physio Matthias Althoff ab dem 5. Juli als verschworene Einheit auftreten werden, sind voll auf diese European Boys Team Championship (EBTC) konzentriert.

Tim Wiedemeyer hat auf dem Platz, der bei dieser EBTC gespielt wird, vor wenigen Wochen erst einen ganz großen Einzeltitel gewonnen: Bei der German Boys Open hatte der Münchener, der 2011 durch seine Eltern zum Golfsport gekommen ist, in einer ganz eigenen Liga gespielt. Loch 14 hat es ihm dabei besonders angetan: „Weil man das Loch driven kann - Risk and Reward.“
Erfahrungen mit Siegen im Team hat der 17-Jährige auf großer Bühne schon reichlich gesammelt. Siege bei der Jacques Léglise Trophy, der Team-Europameisterschaft der Jungen und auch für Deutschland bei den European Young Masters sind Meilensteine in seiner noch jungen Karriere.
Die ersten Erfahrungen mit dem Golfsport waren für den Bayern eher spielerisch. Auf der Golfrange Rottbach hatte sein erster Trainer Uli Grünewald ihm ein Eisen 7 in die Hand gedrückt. Zum „rumspielen“. „Das Eisen hat sich auch super als Schwert geeignet“, erinnert sich Wiedemeyer mit einem Schmunzeln. Von 2013 bis 2017 war Marco Schmuck erste Ansprechperson, wenn es um Unterricht ging. Nach einem Jahr bei Thomas Gögele arbeiten seit 2018 Arne Dickel und Tim Wiedemeyer besonders eng zusammen.
„Das war eine absolut geile Zeit mit Marco Schmuck. Ich hatte oft schon vor der Schule zusammen mit Romeo Schmuck Training. Heute habe ich eine tolle Zusammenarbeit mit Arne Dickel“, ist Wiedemeyer dankbar für alles, was die Coaches ihm bis jetzt schon mit auf den Weg gegeben haben.
Wie wichtig Turnierangebote für die ganz jungen Talente sind, wird daran sichtbar, dass es ein dritter Platz bei seinem ersten Mini-Cup war, der ihm den ersten großen Motivationsschub gab: „Seit 2012 war klar, dass ich besser werden will. Direkt im Anschluss habe ich den zweiten Platz gemacht und danach Platz eins.“
Mehr als eine Nummer größer sind die Turniere, die Spieler des Münchener GC gerne gewinnen würde. Die Einzel-EM und The Amateur Championship sind ja gar nicht so fern. „Später möchte ich auch gerne mal ein Major gewinnen. Augusta soll ganz nett sein“, gibt Wiedemeyer augenzwinkernd die ganz großen Ziele an.
Vorerst steht aber das Team im Fokus: „Das Junior Team Germany ist einfach ein tolles Team und es macht mich stolz, ein Teil davon zu sein.“
Da in Bayern zum Zeitpunkt der Team-EM noch keine Schulferien sein werden, erwartet Tim Wiedemeyer Besuch von Golffreunden wohl nur am Wochenende.  Support ist dennoch da: „Meine Eltern werden wieder als „Vorcaddies“ mitgehen, das freut mich immer.Wir werden als Team alles geben und natürlich möchten wir unseren Titel zu Hause verteidigen.“

Augusta als Ziel

Auch Carl Siemens, der vor wenigen Tagen seinen 18. Geburtstag gefeiert hat, hat einen großen Traum: „Wenn es ein Turnier gibt, was ich unbedingt gewinnen möchte, ist es das Masters in Augusta. Davon träume ich schon lange.“
Auf dem langen Weg zu einem solchen Sieg, der einen Golfer unsterblich macht, hat der Youngster, der aus der Talentschmiede von Gregor Tilch im Berliner GC Stolper Heide zum GC St. Leon-Rot gewechselt ist, auch schon Ausrufezeichen gesetzt. In diesem Jahr holte Siemens sich den Titel bei der Internationaux de France U18 und war bei der German Boys Open auf dem Podium. Auch der hoch aufgeschossene Athlet war schon 2021 beim Sieg der Team-EM der Jungen aktiv beteiligt.
Zum Golf gekommen ist Siemens ganz klassisch: „Meine Eltern haben mich mal mitgenommen und mit der Zeit hat es immer mehr Spaß gemacht. Bei mir war es kein Turnier, das einen Motivationsschub ausgelöst hat, sondern sehr gute Spieler im Golfclub, zu denen ich aufgeschaut habe.“ Immerhin gab es in der Truppe von Gregor Tilch mit Falko Hanisch einen British-Boys-Champion.
Carl Siemens wird seine Familie durch diese EBTC wiedersehen: „Meine Eltern und Großeltern kommen. Das bedeutet mir viel, da sie mich lange nicht mehr haben spielen sehen.“
Große Zuversicht ist beim Wahl-Kurpfälzer, der in St. Leon-Rot viel mit Marco Schmuck arbeitet, zu spüren: „Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Chancen auf den Sieg haben. Dies wird jedoch nicht einfach. Ich hoffe auf jeden Fall auf den Sieg und wir werden alles mögliche tun, um dies zu erreichen.“
Helfen kann dabei, dass Siemens große Platzkenntnis auf seinem Heimatplatz hat und direkt der Start wie für ihn gemacht ist: „Ich mag Loch 1 besonders, denn das passt genau auf meine Flugkurve und ich finde, dass es optisch sehr gelungen ist.“
Für sein Team findet der Vollblut-Golfer sehr wertschätzende Worte: „Ich mag alle Mitglieder sehr und habe in meinen drei Jahren im Kader gemerkt, wie sehr es mir hilft, mit dem Team unterwegs zu sein. Das findet man sonst nicht nochmal im Leben.“

Step-by-step

Finn Kölle ist im Junior Team Germany und in SLR Teamkamerad von Carl Siemens. Der 17-Jährige Sulzfelder war 2012 durch seine Eltern zum GC Sinsheim Buchenauerhof gekommen, ist aber schon 2014 zum GC St. Leon Rot gewechselt und kann daher als echtes Eigengewächs des Wolfpacks gelten, auch wenn er seine ersten Trainerstunden bei Nils Hübscher bekam.
Seitdem er in SLR seine sportliche Heimat hat, haben Sebastian Holzapfel, Benjamin Schlichting und Marco Schmuck wesentlich seine Entwicklung begleitet.
Bei Finn Kölle gab es nicht den einen Aha-Moment: „Ich habe einfach angefangen, immer mehr zu trainieren und wollte immer besser werden. Daraus hat sich dann eine Leidenschaft entwickelt, immer weiter schlagen und besser werden zu wollen.“
In diesem Jahr hat sich Finn Kölle bei einem traditionsreichen, internationalen Turnier die Silbermedaille gesichert. Bei der 92. Portuguese International Amateur Championship landete er zwei Plätze vor Carl Siemens. Größter Erfolg bisher war aber der Titel 2021 bei der Team-EM.
Nicht zuletzt, weil er quasi um die Ecke zu Hause ist, freut sich der 17-Jährige auf einige Unterstützer: „Ich erwarte während der EBTC Familie und auch Freunde auf der Anlage. Ich finde solch´ einen Support einfach nur geil. Ich liebe es, vor Zuschauern zu spielen und diesen extra Druck in mir zu spüren. Außerdem freue ich mich auch darüber, dass andere Leute meinen Sport so schätzen, unterstützen und auch live dabei sein wollen.“
Die sportlichen Ziele sind zunächst auf die greifbaren Dinge ausgerichtet. Kölle möchte, ehe er zu alt ist, einmal die German Boys gewinnen. Zudem mit seiner Clubmannschaft das Final Four der Deutschen Golf Liga presented by All4Golf. Mittelbar geht es dann um die NCAA Team Championship und als ferner Schweif am Horizont spucken dann doch die U.S Open und das Masters vor dem geistigen Auge des Athleten herum.
Vor den nächsten Stufen auf der Erfolgsleiter steht aber erstmal die EBTC 2022 an und die Platzkenntnis soll sich auszahlen: „An Loch 12 habe ich besondere Erinnerungen, da ich auf diesem Loch meine ersten beiden Eagles spielen konnte. Außerdem gibt dieses Loch mir jedes Mal Hoffnung auf ein guten Score. Der Teeschuss über die Ecke macht mir auch immer sehr viel Spaß.“
Wie gut Finn Kölle seine Ziele im Blick hat, wird durch seine Wertschätzung für das Golf Team Germany deutlich: „Für mich war das GTG schon immer ein großes Ziel. Was früher noch so weit weg war, ist jetzt fast schon Alltag. Es bedeutet mir sehr viel, mein eigenes Land zu vertreten. Diese Truppe motiviert mich jedes Mal aufs Neue, härter an meinem Spiel zu arbeiten und mich zu verbessern. Alle im Team bedeuten mir sehr viel! Ich bin dankbar diese Chance zu haben!“

Mit dem Fahrrad

Der vierte Athlet, der in St. Leon-Rot 2022 mit der Erfahrung antreten wird, schon einmal den begehrten Titel gewonnen zu haben, ist Tom Haberer. Als Kind hatte Haberer das Glück, in Bad Salzdetfurth ganz nah am Golfplatz zu wohnen. Nachdem ihn der Vater ein paarmal mitgenommen hatte, fuhr er immer öfter alleine mit dem Rad zum Platz.
Ein weiterer Glücksfall war der erste Trainer. Zu der Zeit war im GC Bad Salzdetfurth-Hildesheim Pascal Proske Pro und der entfachte in Klein-Tom gleich das Feuer, Golf intensiv zu betreiben und als Leistungssport zu sehen. Proske wechselte 2016 nach St. Leon-Rot und ist aktuell Coach der Damen des Münchener GC. Tom Haberer wechselte bald schon zum GC Hannover, wo Alexander Schmidt ihn bis heute kompetent und engagiert begleitet.
Ein Aha-Erlebnis war für den Athleten, der kurz nach der EBTC 18 Jahre alt wird, seine erste Clubmeisterschaft der Herren in Bad Salzdetfurth. Als junger Bursche spielte er dort mit und sicherte sich mit einem Schlag Vorsprung gleich den Titel. Als Booster für die Motivation diente auch die Jugendmeisterschaft in Niedersachsen, bei der er 2018 mit großem Vorsprung gewinnen konnte.
Drei Jahre später holte der Niedersachse sich auch den Titel als Deutscher Meister der AK 18. Und natürlich Gold bei der Team-EM, von der Tom Haberer noch immer schwärmt: „Das war ein Hammerturnier!“
Etwas bedauert Haberer, dass seine Mitschüler des Goethe-Gymnasiums in Hildesheim wohl nicht als Zuschauer in die Kurpfalz kommen können, weil in Niedersachsen die Schulferien noch nicht begonnen haben. Aber auf die Familie freut sich der 17-Jährige dafür umso mehr: „Der Support bedeutet mir sehr viel.“
Die Erwartungen und Hoffnungen für die Woche, in der die Jugend Europas sich in St. Leon-Rot versammelt, sind klar abgesteckt: „Wir sind Gastgeber und Titelverteidiger. Unser Ziel ist ganz klar, dass wir das Ding gewinnen wollen. Die Fähigkeiten dazu haben wir. Wir sind ein Klasseteam. Wir versuchen das, nicht krampfartig zu machen, sondern das Beste zeigen und so zu gewinnen.“
Auf lange Sicht sind die Majors für den Youngster von der Leine ein Thema. Aber Haberer hat ein noch größeres Ziel im Blick: „Die Olympischen Spiele sind das Sportereignis schlechthin. Daher möchte ich dort einmal Gold gewinnen.“
Auch wenn Tom Haberer für den GC Hannover spielt, hat er auf Kurs St. Leon eine Bahn, die es ihm richtig angetan hat: „Solange der Wind nicht zu heftig ist, komme ich auf Loch 11 über die Bunker, was gegenüber anderen Spielern ein Vorteil für mich ist. Der Schlag ins Grün mit dem durch die Welle praktisch zweitgeteilten Grün gefällt mir auch. Das ist ein cooles Loch. Ich score da immer sehr gut! Der Platz ist lang. Aber er spielt sich trotzdem nicht zu lang, wenn man vom Tee konstant ist. Man hat immer noch kurze Eisen ins Grün. Die Länge schockiert mich daher nicht wirklich.“
Eine Stärke sieht Tom Haberer für sich und sein Team als besonders wichtig an: „Wir sind eine große Familie. Die Coaches geben das so an uns weiter. Das ist ein sehr großer Vorteil gegenüber anderen Mannschaften, wo dieses Gefühl vielleicht nicht so ausgeprägt ist, wie bei uns. Das genießen alle besonders. Darauf werden wir bei dieser Team-EM aufbauen.“

Der Benjamin

Peer Wernicke ist zwar der Jüngste im Team, hat aber schon einiges an Erfolgen mit Mannschaften erlebt. 2021 holt er mit dem GC Hubbelrath auf Gut  Kaden den Titel als Deutscher Mannschaftsmeister und mit der Mannschaft auch den Sieg bei den European Young Masters.
Auf sich gestellt setzte sich der in Bergisch Gladbach geborene Spieler bei der Deutschen Meisterschaft der AK 16 durch.
Einen ersten Emotionsausbruch mit großem Motivationsschub hatte der heute 16-Jährige vor etwas mehr als vier Jahren, als er in Nordrhein-Westfalen beim ersten Ranglistenturnier der AK 12 ohne Erwartungen angetreten war – und sich gleich den Sieg sicherte. Bis zum Sieg beim Masters, den der Youngster des GC Hubbelrath als größtes Ziel hat, ist es von der AK 12 noch ein weiter Weg.
Erste Schwünge machte Peer Wernicke, als er vor acht Jahren von seinen Großeltern mit in den Golfclub genommen wurde. Lange war er dann im GC Leverkusen zu Hause, wobei er als Trainer Nick Hubbard im Essener GC Haus Oefte hatte. Bald schon ging es in die Kader des Golfverbandes NRW und so nahm Alexandra Schleining, die Landestrainerin des zweitgrößten Landesverbandes, das Talent unter ihre Fittiche.
Für die Team-EM hofft Peer Wernicke, dass seine Eltern und Freunde aus Hubbelrath nach St. Leon-Rot kommen werden: „Ich freue mich sehr über jeden Support!“
Auf Kurs St. Leon hat der Rheinländer eine Bahn, die es ihm besonders angetan hat: „Ich mag Loch 8 sehr, weil man da so viele Optionen hat, je nach Platzierung des Abschlags.“
Bei der EBTC erwartet Wernicke einen guten Teamzusammenhalt und hofft auf  den Sieg sowie eine unvergessliche Zeit: „Ich bin extrem dankbar dafür, Teil des Teams zu sein und eine solche Unterstützung zu genießen.“

Grande Finale

Auch für Korbinian Walther ist es die erste Team-EM. Durch den Vater 2014 an den Golfschläger gekommen, machte der Bayer seine ersten Golfschläge auf der Range im GC Hilzhofen. Maximilan Beckmann, der damals selbst noch in der Ausbildung zum Pro war, war lange an der Seite des in Regensburg geborenen Athleten. Seit vier Jahren entwickelt sich der Spieler des GC Am Habsberg unter den Anleitungen des bayerischen Landestrainers Igor Arendt weiter.
„Als ich meine erste Clubmeisterschaft spielte, hab ich realisiert, dass Golf die Sportart ist, welche ich länger ausüben möchte“, erinnert sich Korbinian Walther an die Initialzündung für seine heutige Leidenschaft.
Die Woche in St. Leon-Rot wird eine ganz besondere für den jungen Spieler sein: „Ich werde Besuch von Freunden und Familie bekommen. Der Support bedeutet mir viel, weil ich selten vor meiner Familie spiele, meinen Vater ausgenommen. Es haben auch viele Freunde, die keine Golfer sind, vor, zu kommen. Das wird ein Support sein, den ich sonst selten habe.“
Fein differenziert der in Nürnberg lebende Athlet zwischen Erwartung, Hoffnung und Zielen.
Das Fernziel ist ein Sieg beim Masters in Augusta. Aktuell gilt aber die ganze Konzentration der Team-EM: „Ich erwarte und hoffe wenig. Aber wir werden alles uns Mögliche versuchen, den Titel zu verteidigen. Daher ist das klare Ziel,  zu gewinnen. Wir sind eine geile Truppe, verstehen uns mega und es kann kaum etwas zwischen uns kommen.“
Auf das letzte Loch in St. Leon-Rot freut sich Korbinian Walther ganz besonders: „Zum einen ist die Runde vorbei und der Tee-Schuss ist mit den Bunkern links und Wasser rechts eher schwer. Der Schlag in das ondulierte Grün über das Wasser finde ich großartig, um die Runde zu beenden.“