GolfBiodivers

„GolfBiodivers ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben“


4. Juli 2023 , Petra Himmel


Projekt GolfBiodivers
Projekt GolfBiodivers | © GC Erding Grünbach, GC Freiburg, GC Kitzeberg

Das deutschlandweite Forschungs- und Aufwertungsprojekt GolfBiodivers ist mit Unterstützung des Bundesamts für Naturschutz seit April aktiv. Wir sprechen mit Prof. Dr. Johannes Kollmann, Inhaber des Lehrstuhls für Renaturierungsökologie an der TU München, über die Entstehung und Durchführung von GolfBiodivers in Deutschland.

Nach den ersten Wochen des Forschungs- und Aufwertungsprojekts GolfBiodivers stehen auf 16 deutschen Golfanlagen Insektenhotels, mit denen die Aktivität von Bienen erfasst wird und an denen Audiorecorder angebracht sind zur Aufzeichnung der Rufe von Fledermäusen und Vögeln. Einige Landschaftsanalysen und Vegetationsaufnahmen der ausgewählten Golfanlagen sind ebenfalls gemacht, so dass die Arbeitsgruppen in den vier Universitäten eine erste Bilanz ziehen können. Wir sprachen mit Prof. Dr. Johannes Kollmann, Inhaber des Lehrstuhls für Renaturierungsökologie an der TU München über die Entstehung und Durchführung von GolfBiodivers in Deutschland. 

Herr Prof. Kollmann, warum gerade Golfplätze? Man hätte eine Biodiversitätsstudie doch auch in Parkanlagen oder etwa im Wald durchführen können? 

Kollmann: Nachdem wir in Deutschland bei einem hohen Anteil an Agrarwirtschaft viele defizitäre Flächen haben, wo es einen Mangel an Biodiversität gibt, muss man sich nach passenden Flächen umsehen. Ich habe mich für Golfplätze entschieden, weil das mit durchschnittlich 70 ha Größe erhebliche Flächen sind und es mehr als 700 Anlagen gibt. Außerdem habe ich Kooperationspartner in Skandinavien, die mich ermuntert haben, Forschung auf Golfanlagen zu starten. 

Welche Kriterien waren bei der Auswahl der Golfanlagen entscheidend?

Wir haben das Projekt fünf bis sechs Jahre vorbereitet und Pilotanlagen ausgewählt, die über das Programm Golf & Natur schon Berührung mit Universitätsthemen hatten. Diese Golfanlagen habe ich mir angesehen, überprüft wie der Anteil der intensiv genutzten Fläche und der Hardroughs ist und wie die landschaftliche Vernetzung aussieht. Die Streuung ist bei den Golfanlagen sehr groß, wenn es darum geht, was die Golfanlagen bereits an Biodiversität zu bieten haben und wo man eine Aufwertung durchführen könnte. Bei Anlagen, die schon sehr gut aufgestellt sind, kann man nicht mehr viel machen. Hier kann man nur von deren Erfahrung profitieren. Wir haben uns auch aber nicht für Golfplätze entschieden, die ganz strukturarm sind, weil einer der Gründe dafür geringes Kooperationsinteresse sein könnte. Deshalb haben wir uns auf Golfplätze mit mittlerer Biodiversitätsausstattung konzentriert. Aus rund 125 Anlagen, die Interesse an einer Mitarbeit hatten, haben wir dann diejenigen Anlagen ausgewählt, die eine gewisse Nähe zu den Universitätsstandorten haben. 

Wie ist die Kooperation der vier Universitäten TUM, Kiel, Münster und Freiburg bei diesem Projekt entstanden? 

Es gibt in Deutschland viele Universitäten, die sich mit Biodiversität und Ökosystemleistungen beschäftigen. Wir sind als TUM schon herausragend, eine Exzellenz-Universität und seit 13 Jahren aktiv mit meiner Gruppe. Die Kollegen in Freiburg, Münster und Kiel zeichnen sich durch komplementäre Expertise aus. Prof. Klein aus Freiburg bringt ein ausgewiesenes Expertenwissen bei Wildbienen mit und ist auch Vizepräsidentin der deutschen Gesellschaft für Ökologie. Sie hat das Thema Bestäuberverluste sehr stark im Fokus. Die Kollegen in Münster habe ich ausgewählt, weil sie sich deutschlandweit mit der Ökosystemleistung von Grünland auskennen. Die Kieler bringen Erfahrungen mit Heuschrecken und Fledermäusen ein und haben eine starke Landschaftsexpertise. Ich kenne die Kollegen alle persönlich, was bei so einem langen Projekt wichtig ist. 

Die Studie GolfBiodivers dauert insgesamt sechs Jahre. Weshalb so lange? 

Es gibt Ökosystemprozesse, die sehr schnell laufen, zum Beispiel bei Anlage einjähriger Arten der Wiesen. Interessanter ist aber natürlich, wie sich die Fläche mittelfristig entwickelt und deshalb sind die üblichen dreijährigen Projekte einfach zu knapp kalkuliert. GolfBiodivers ist ein ambitioniertes Vorhaben, das bundesweit angelegt ist und sehr viele Golfanlagen und sechs Jahre benötigt, weil wir eben auch eine Langzeitperspektive brauchen. 

Welchen Einfluss hat Extremwetter wie etwa Trockenheit auf diese Studie. Behindert das den Ablauf? 

Diese Witterungsschwankungen machen allen, die draußen in der Natur arbeiten, große Sorgen. Bei Grünlandbeständen ist es allerdings nicht so kritisch, weil die sehr resilient sind. Je mehr Arten vertreten sind, desto flexibler und witterungsbeständiger sind sie. Eine Wiese kann sich nach 3–4 Wochen sehr gut erholen, wenn es nicht ein sehr artenarmer Bestand ist. Von daher ist meine Sorge nicht groß, dass wir bei unserem Projekt Schwierigkeiten bekommen. 

Sie haben ja bereits Erfahrung mit Golfclubs. Wie schwierig ist es, als wissenschaftliche Gruppe mit einer klassischen Sportanlage zusammenzuarbeiten?

Meine bisherige Erfahrung ist mit ganz wenigen Ausnahmen gut bis sehr gut. Das ist auch der Grund gewesen, warum ich mich gerne mit Golfanlagen beschäftige. In der Land- und Forstwirtschaft ist das Expertenwissen oft so ausgeprägt, dass man keinen Raum sieht für ökologische Unterstützung. Ideen, die man dort bringt, werden oft abgelehnt, weil der Land- oder Forstwirt genau weiß, wie das da draußen auszusehen hat – bei ihm auf dem Feld oder im Wald. Bei den Golfplätzen erlebe ich die Situation völlig anders. Hier wissen die Verantwortlichen sicher, wie man eine Golfanlage betreiben muss, aber sie sind offen gegenüber wissenschaftlichen Meinungen, kritischen Anmerkungen und dankbar für Empfehlungen. Ich erlebe eine sehr positive Haltung und starken Respekt gegenüber universitärem Personal. Es gibt zudem ein hohes Maß an Verlässlichkeit, und wir haben deshalb viel Freude an dem Projekt.