Arnold Palmer
Der Mann, der den Rubel ins Rollen brachte
13. Januar 2022 , Felix Grewe
Arnold Palmer legte in den 50er- und 60er-Jahren den Grundstein dafür, dass sich der Golfsport zu einem Multi-Milliardengeschäft entwickeln konnte. Ein Blick zurück auf die einzigartige Laufbahn einer Legende.
Es gibt viele Geschichten von Arnold Palmer, die man sich weit über die Golfwelt hinaus erzählt. Doch eine Anekdote, die davon handelt, wie er als kleiner Junge sein erstes Geld verdiente, macht sich besonders gut in seiner Vita – weil sie den Beginn einer einzigartigen Karriere markiert, zu einem Zeitpunkt, Ende der 1930er-Jahre, als noch niemand ahnen kann, dass der kleine Arnold „Arnie“ Palmer, aufgewachsen in schmalen Verhältnissen, eines Tages zu einer Legende seines Sports aufsteigen würde.
Wie Palmer sein erstes Geld verdiente
Als er acht Jahre alt ist, wird der Latrobe Country Club in Pennsylvania zu „Arnies“ zweiter Heimat. Sein Vater arbeitet dort als Greenkeeper und der Junge selbst, der als Dreijähriger mit einem alten abgesägten Eisen begonnen hatte Bälle zu schlagen, spielt bereits seit Jahren regelmäßig 18 Löcher. Sein Talent ist unübersehbar. Im Sommer lungert er oft täglich an Bahn sechs herum, dessen Grün von einem rund 100 Meter entfernten Wassergraben bewacht wird. Dort wartet Arnie auf Mrs. Fritz, die regelmäßig spielt und ebenso regelmäßig am Schlag übers Wasser verzweifelt. Deshalb ruft sie den Jungen, für den die Distanz keine Herausforderung darstellt, zur Hilfe. „Arnie, komm‘ her und schlag‘ meinen Ball über den Graben. Ich gebe dir einen Fünfer dafür.“ Arnie kommt, schlägt und kassiert.
Der erste Millionär auf der Golftour
30 Jahre später, 1967. Palmer ist jetzt Millionär, als erster Golfprofi überhaupt hat er Preisgelder in siebenstelliger Höhe verdient. 1955 war er offiziell Profi geworden, drei Jahre später hatte er zum ersten Mal das Masters in Augusta gewonnen. Drei weitere Titel sollten dort, beim ersten der vier Majors des Jahres, folgen: 1960, 1962, 1964. Ebenso wie die Triumphe bei der Open Championship (1960, 1961) und der U.S. Open (1960). Nur für einen Sieg bei der PGA Championship reichte es nicht, was grotesk ist, wenn man sich daran erinnert, dass es Palmer war, der das Event 1960 überhaupt erst zum vierten Majorturnier erklärt hatte – wenn das einer durfte, dann er. Ende der 60er-Jahre wird er in den USA zum „Sportler des Jahrzehnts“ erkoren. Wer auch sonst?
Golf als globale Attraktion
Die amerikanische Golftour ist zu dem Zeitpunkt eine Attraktion für Millionen Fans auf der ganzen Welt – und Palmer der Grund dafür. Sie sind entzückt von seinem aggressiven Spiel und verrückt nach dem warmen Lächeln, dem stets freundlichen Gesicht des blonden, bulligen Mannes (1,78 Meter, 84 Kilo), der charismatisch und doch besonnen daherkommt und ausstrahlt, was ein Superstar, der gleichzeitig ein Gentleman ist, eben ausstrahlt. Von Charlie Sifford, einem afro-amerikanischer Golfer, stammt die Aussage: „Wenn jeder in diesem Land alle anderen so behandeln würde wie es Arnold macht, dann gäbe es viele der Probleme nicht, die wir haben.“ Die Fans lieben ihn. In Scharen strömen sie zu Turnieren, um ihren Helden zu bewundern. „Arnies Army“ werden seine Anhänger genannt, weil sich Palmer beim Masters 1959 dafür eingesetzt hatte, dass uniformierte Soldaten Zutritt zur Anlage erhalten.
Palmer wird zur Marke
Einer, der an dieser Entwicklung einen gewichtigen Anteil hat, ist Mark McCormack. Er tourt mit Palmer um den Globus und gilt bereits damals als ein Genie des Sportmarketings. McCormack, Palmers Agent, entwickelt ihn zu dem, was man heute „Marke“ nennt, und verhilft Arnie damit zu Ruhm und Reichtum. Mit der weltweit operierenden Agentur International Management Group (IMG) hat er ein bis heute wirkendes Imperium erschaffen. McCormacks Job besteht Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre vor allem darin, große und finanzstarke Unternehmen dazu zu bewegen, ihr Geld in Golfturniere zu investieren. Es ist die Einladung für den Golfsport auf die große internationale Bühne, der Beginn von reichweitenstarken TV-Übertragungen (mit Palmer in der idealen Hauptrolle), lukrativen Preisgeldern für die Pros – und der Grundstein für die Professionalisierung des Golfsports, der heute ein globales Multi-Milliardengeschäft ist.
Bodenständigkeit als Türöffner ins Business
Arnold Palmer war in seinem 87 Jahre langen Leben mehr als ein Golfprofi. Die New York Times bezeichnete ihn posthum als „einen der bedeutendsten Sportler des 20. Jahrhunderts und vielleicht die glaubwürdigste Person im Profisport“. Neben seinen sportlichen Erfolgen war es seine Bodenständigkeit, die Palmer so viele Türen als Markenbotschafter öffnete – bei Sportartikel- und Bekleidungsfirmen, bei Seifen- und Parfümherstellern. Aus einem Jahrhundertsportler wurde ein Geschäftsmann mit eigener Marke (Arnold Palmer Enterprises), der Millionen verdiente und dem es doch immer um mehr ging als um Geld.
Ein Herzensprojekt und ein Weltrekord
Er designte Golfplätze und baute in Orlando ein Krankenhaus für Frauen und Kinder. Jahrelang hatte Palmer mit eigenen Golfturnieren Spenden für dieses Projekt gesammelt, das er einmal als jene Arbeit bezeichnete, für die er selbst „den größten Stolz“ empfunden habe. Als Flugpilot düste Palmer, der mehrere eigene Maschinen besaß und schon im Kindesalter leidenschaftlich gern an Modellflugzeugen herumbastelte, im Mai 1976 in 57 Stunden, 25 Minuten und 42 Sekunden einmal um die Erde – damals Weltrekord. Und sogar ein Getränk ist nach ihm benannt. Wer in den USA einen „Arnold Palmer“ bestellt, bekommt einen Eistee mit Limonade.
Palmers Rivalität mit Nicklaus und Player
Man könnte Bücher füllen mit Geschichten über Palmers Leben, die seine wichtigsten sportlichen Glückszahlen fast in den Hintergrund rücken: 94 Turniersiege, darunter die erwähnten sieben Majors und fünf weitere auf der heutigen PGA Tour Champions, der er allein mit seiner Anwesenheit zu einer gewaltigen Strahlkraft verhalf. Dazu die jahrelange Rivalität mit Jack Nicklaus und Gary Player, die nicht nur dafür sorgte, dass Palmer selbst sich immer wieder zu neuen Höchstleistungen antrieb. Durch ihren Dreikampf kreierten sie die bedeutendste Ära des Golfsports – ähnlich wie Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic heute im Tennis.
Inspiration für ein mutiges Leben
Auch deshalb ist heute, einige Jahre nach seinem Tod im September 2016, von einem der größten Golfspieler der Geschichte weit mehr in Erinnerung als bloß die Bewunderung für sein sportliches Lebenswerk. Der Golfsport lag Palmer immer am Herzen, umgekehrt war es genauso, klar. Es ist aber auch die Einstellung eines Champions, die Millionen Menschen zu Selbstvertrauen und einem mutigen Leben inspiriert. So ist Palmer durch seinen unbändigen inneren Antrieb, stets das Beste erzielen zu wollen („Gewinnen ist nicht alles, es zu wollen schon“), ein Vorbild für viele. Auch durch seinen stets unerschütterlichen Glauben an sich selbst, alles erreichen zu können, vorausgesetzt der Kopf spielt mit. Lernen konnte er das schon ganz früh, in den 30er-Jahren, als er für Mrs. Fritz Bälle über den Graben schlug.