Artenvielfalt

Artenvielfalt braucht Liebe zum Detail


7. Mai 2021 ,


Lebensraum Golfplatz - Wir fördern Artenvielfalt. So lautet das Bekenntnis vieler Golfanlagen. (Foto DGV)
Lebensraum Golfplatz - Wir fördern Artenvielfalt. So lautet das Bekenntnis vieler Golfanlagen. (Foto DGV)

Deutschlands Golfanlagen setzen zunehmend auf die Förderung der Biodiversität. Die Verantwortung für die Erfolge vor Ort liegt beim Greenkeeper. Ein Blick hinter die Kulissen.

Eine seiner Lieblingspflanzen ist eigentlich ganz unscheinbar: „Das Große Zweiblatt“, sagt Manfred Beer, „erkennt eigentlich kaum jemand.“ Die Rede ist von einem eher unauffälligen Gewächs, das auf der Golfanlage des GC Isarwinkel im oberbayerischen Bad Tölz wächst – eine Orchidee der Gattung Zweiblatt. Für Manfred Beer, Head-Greenkeeper der Anlage, ist das Große Zweiblatt Teil dessen, was er als „die Kür“ bezeichnet. „Eine qualitativ hochwertige Pflege der Fairways und Grüns ist für einen Greenkeeper Pflichtprogramm, die Kür betrifft alles, was darum herum gemacht wird.“

Vielfalt der Landschaften bedeuten unterschiedliche Lebensräume

Es sind die kleinen Dinge, die Golfplätze in Sachen Biodiversität hervorstechen lassen. Wo der Begriff Golfplatz auf den ersten Blick für perfekt geschnittene Grünflächen steht, tut sich auf den zweiten Blick eine enorme Vielfalt auf. Das hängt zum einen mit der Fläche zusammen, die für einen 18-Löcher-Golfplatz in Deutschland zwischen 55 und 100 Hektar liegt. Zum anderen ermöglichen die unterschiedlichen Landschaften, auf denen sich Golfplätze befinden, unterschiedliche Lebensräume, die von Hecken über Magerrasenflächen, Totholzgebiete oder Wasserbiotope reichen.

Längst nimmt das Thema Biodiversität im Rahmen der Golfplatzpflege einen wesentlichen Raum ein. Eigene Biodiversitäts-Ausschüsse beim Deutschen Golf Verband und einzelnen Landesverbänden beschäftigen sich ebenso damit wie der Fachbereich Umwelt & Platzpflege des DGV. Vor Ort auf dem Golfplatz aber ist es am Ende der Greenkeeper, der die praktische Ausgestaltung des Themas übernimmt. Manfred Beer, seit 25 Jahren auf der Golfanlage Isarwinkel vor Ort, weiß, dass sich der Aufwand lohnt. „Man wächst mit der Anlage mit, dabei lernt man herauszufinden, was für den jeweiligen Golfplatz passt.“

Alte Streuobstbaumbestände fördern

In Baden-Württemberg zum Beispiel spielt die Pflege alter Streuobstbaumbestände eine wesentliche Rolle. Beim GC Domäne Niederreutin zum Beispiel pflegt das Greenkeeping-Team unter der Leitung von Josef Reiss neben rund 200 Apfelbäumen, 80 Birnen- und 50 Zwetschgenbäume. Mit der Förderung alter Obstbaumsorten passt man auch perfekt in das Programm „Lebensraum Golfplatz – Wir fördern Artenvielfalt“ des Baden-Württembergischen Golfverbandes, der hier mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg und dem Deutschen Golf Verband zusammenarbeitet. Mehr als 50 Clubs haben sich der Initiative inzwischen angeschlossen.

Wie groß die Vielfalt tatsächlich ist, belegt zum Beispiel auch eine Erhebung aus dem Jahr 2020 auf der Anlage des GC Altötting-Burghausen, wo 20 Experten in einem Zeitraum von 24 Stunden zirka 90 Pilzvarianten, 45 Vogel- und 33 Spinnenarten nachwiesen. Dazu noch rund 350 weitere Pflanzen, Insekten und Amphibien.

Mit begrenzten Ressourcen haushalten

Das Potential von Golfanlagen in Sachen Förderung der Biodiversität hat sich in Bayern ebenfalls in einer Kooperation niedergeschlagen. Hier arbeiten das Umweltministerium und der Bayerische Golfverband im Rahmen des sogenannten Blühpaktes zusammen. Die Greenkeeper vor Ort entwickeln dabei vor Ort zusammen mit Experten des Landesbundes für Vogelschutz ein Konzept zur Förderung der Artenvielfalt. Dabei wird auch bedacht, dass die Greenkeeper vor Ort meist personell und zeitlich nur über begrenzte Ressourcen verfügen. „Grundsätzlich macht es erst einmal Sinn, weniger zu machen, aber das dann ordentlich“, resümiert Manfred Beer, der seinen Kollegen in seiner Funktion als Vorsitzender beim Greenkeeper Verband Bayern auch empfiehlt, „zum Beispiel erst einmal die Roughflächen ordentlich zu organisieren.“

Die hohe Wertigkeit dieser Bereiche ist auch wissenschaftlich nachgewiesen. Diverse Bachelor- und Masterarbeiten in Deutschland befassen sich mit der Frage, inwieweit Golfanlagen Biodiversität fördern können. Auf der Golfanlage Valley nahe München analysierte Sarah Augustin die Flächen für eine Masterarbeit zum „Zustand und Entwicklungspotential der Hochgrasflächen“ und stellte die Anzahl der Arten ins Verhältnis zur Biomasse. 175 Pflanzenarten wurden erfasst, 17 davon waren gesetzlich geschützt.

Hoch im Norden, im GC Lohersand in Schleswig-Holstein, ist Headgreenkeeper Hartwig Klein ein anderes Kunststück gelungen. Als der Club seine Anlage um neun Löcher erweiterte, nahm die Neuentwicklung von Heideflächen, die eingesät wurden, einen zentralen Punkt im Rahmen des Baus der neuen Golflöcher ein. Inzwischen präsentieren sich die Heideflächen in perfektem Zustand. Die Auszeichnung Gold im Rahmen des Qualitätsmangementprogramms Golf&Natur des DGV trägt die Anlage schon seit 2014. „Was kann man tun, um ein Qualitätsmerkmal zu schaffen“, diese Frage begleitet das Greenkeeper-Team bei der täglichen Arbeit.

Es ist eine Frage, die man sich deutschlandweit auf Golfanlagen stellt. Die Zielsetzung, nicht nur qualitativ hochwertige Golfplätze im Sinne von Sportplätzen zu stellen, gleichzeitig aber auch die Förderung von Biodiversität zu ermöglichen, ist inzwischen fest verankert. „Golfplätze naturverträglich zu pflegen, ist selbstverständlich“, sagt Manfred Beer dazu. „Und es macht einfach Spaß Dinge entstehen zu sehen.“ So wie das Große Zweiblatt im GC Isarwinkel. Unscheinbar und doch so wertvoll.

(Text: Petra Himmel)