Regelfest
Schicksal in Hände der Mitspieler gelegt
31. Januar 2025 , Daniel Dillenburg

Nach zwei Schlägen ins Wasser in der entscheidenden Phase des Turniers bittet Charley Hoffman seine Mitspieler, die Stelle seines nächsten Drops zu bestimmen. Eine Maßnahme, die der Spielgeschwindigkeit dienen soll, aber auch Vertrauen abverlangt.
Mit Chancen auf den Titel stand Charley Hoffman in der Finalrunde des The American Express am Abschlag der 13. Drei Schläge betrug sein Rückstand als geteilter Zweiter hinter dem Führenden Sepp Straka. Ihn und seine Gruppe erwartete als nächstes ein langes Par 3 mit Wasser auf der linken Seite. Hoffman wurde dieses Hindernis zum Verhängnis. Nicht nur sein Abschlag landete im Wasser, sondern auch der zweite Versuch von etwas weiter vorne blieb nicht trocken. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste der US-Amerikaner, dass die Siegchancen dahin sind.
Doch sind aller guten Dinge nicht drei? Nach zwei Schlägen ins Wasser hatte Hoffman genug von der Position und hoffte auf einen Drop näher am Loch. Seine Hoffnung war nicht unbegründet. Der Ballflug seines (mit Strafschlag) dritten Schlags könnte Hoffman weiter vorne droppen lassen. Doch er selbst sei sich nicht sicher, ob sein Ball die Linie an einem kleinen Stück Rasen, das aus dem Wasser ragte, überquert hat. Hoffman und sein Caddie sprachen sich ab, wollten natürlich einen zweiten Drop von der verhängnisvollen Stelle vermeiden.
Und so schickten Hoffman und sein Caddie, Andy Barnes, ihre Mitspieler Straka und Jason Day vor. In dem Fall sollten sie entscheiden, wo der Ball die Grenze des Wasserhindernisses gekreuzt hat. Genervt und enttäuscht legte Hoffman also sein Schicksal in die Hände seiner Mitspieler. Bevor Straka und Day in Richtung des gut 180 Meter entfernten Grüns marschierten, sagte Hoffman: „Ich werde nichts tun, ohne dass ihr zugestimmt habt.“ Straka antwortete, er sei sich zu 75 Prozent sicher, dass Hoffmans Ball das Stück Rasen am Grün überquert hat. Doch Hoffman benötigte 100 Prozent Sicherheit, keine 75.
Dass sich Hoffman nicht selbst ein Bild von der Situation machte, hatte natürlich Spielgeschwindigkeitsgründe. Mit nach vorne zu spazieren, um dann zu erkennen, dass er doch wieder zurück zum Abschlag muss, würde mehrere Minuten dauern. Als Finalgruppe auf die Uhr zu kommen, möchte tunlichst vermieden werden. Also mussten Day und Straka über Hoffmans Schicksal entscheiden. Beide gingen vor und machten sich ein Bild. Kurz darauf zeigte Day zurück auf Hoffman, woraufhin dieser den Daumen nach oben gab und nachkam. Offensichtlich waren sich Day und Straka nach Ansicht der Dinge sicher, dass der Ball die Linie am Grün überquert haben muss.
„Wenn deine Spielpartner das für dich entscheiden“, sagte On-Course-Reporter Billy Ray Brown über die Entscheidung, „nimmt das jeden Zweifel weg.“ Hoffman konnte also Durchatmen, auch wenn ihn diese Erkenntnis angesichts seiner zwei Wasserschläge wenig vertröstet haben dürfte. Die Stelle, an der sein Ball die Linie laut Day und Straka gekreuzt hat, war direkt am Grün - immerhin. Mit einem Drop innerhalb zwei Schlägerlängen konnte Hoffman seinen Ball sogar auf dem Grün droppen. Ein Zwei-Putt später notierte der PGA-Tour-Sieger das Triple-Bogey. Am Ende wurde er geteilter Fünfter. Mitspieler Straka gewann das Turnier.
Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:
Es geht bei dem hier beschriebenen Fall darum, festzustellen, wo der Ball zuletzt die Grenze der Penalty Area gekreuzt hat. Geschah dies direkt vor dem Abschlag, muss der Ball deutlich weiter hinten gedroppt werden, als wenn es ein Punkt weiter vorne Richtung Grün ist. Gerade wenn es bereits der zweite versenkte Ball ist, möchte man nur weg von dieser Stelle, wie sicher der eine oder andere Leser bestätigen können.
Hier machte sich Hoffman Hoffnung auf ein kleines Stückchen Fairway, das sein Ball vielleicht beim zweiten Schlag gekreuzt hatte. Fliegt der Ball jedoch in etlichen Metern Höhe und dann noch in einem Winkel zur eigenen Blickrichtung, enthält eine entsprechende Einschätzung am Ende ein zu großes Maß an Wunschdenken, das nicht berücksichtigt werden darf. Letztlich heißt die Bitte an die Mitspieler, die Richtung des Ballflugs zu beurteilen sinngemäß „Ich habe es nicht mit Sicherheit gesehen, habt Ihr es gesehen?“
Auf eine solche Einschätzung der Mitspieler darf sich ein Spieler dann verlassen, denn dann hat er die für ihn bestmögliche Einschätzung getroffen (oder von anderen übernommen), die ihm nicht zur Last gelegt werden kann, auch wenn sich die Stelle später als falsch herausstellt (s. Regel 1.3b(2)). Auf der Tour wird eine solche Frage oft mit einer Videoaufzeichnung beantwortet, die aber hier anscheinend nicht aus einem hilfreichen Blickwinkel zur Verfügung stand.