US Open

Eine Woche in Hattons Kopf


14. Juni 2024 , Daniel Dillenburg


Immer emotional, meist unterhaltsam: Tyrrell Hatton in Runde eins der 124. US Open.
Immer emotional, meist unterhaltsam: Tyrrell Hatton in Runde eins der 124. US Open. | © Ross Kinnaird/Getty Images

Vier Runden in Pinehurst stellen vermutlich den größten Stresstest des Jahres dar. Für den „Spinner“ Tyrrell Hatton eine riskante Angelegenheit. Doch in dieser Woche dürfte er nicht als einziger den Kopf verlieren.

Er ist Heißsporn, einer der größten Hitzköpfe im Spitzengolf: Tyrrell Hatton als emotional auf dem Platz zu beschreiben, ist untertrieben. Als der Engländer noch Teil der DP World Tour war, wurde sogar scherzhaft eine Therapiestunde für den Ryder-Cup-Spieler einberufen. Aggressionstraining stand auf der Tagesordnung. Hatton verliert gerne die Nerven bei verschobenen Putts oder generell schwächeren Schlägen. Meist ist der Platz, sein Ball oder ein anderer äußerer Einfluss Schuld. Klassische Schuldzuweisung eben – eine Form der Stressbewältigung. Hatton machte sie in den vergangenen Jahren fast schon salonfähig. Die einen Fans feiern es, die anderen weniger.

Spielt Hatton Golf, so scheint es, fechtet er einen stundenlangen Kampf in seinem Kopf aus. Jeder Freizeitgolfer kennt es. Golf kann die Nerven strapazieren. Einen mental zermürben. Niemand kann dies so formschön nach außen tragen wie Hatton. Und so dürfte sich manch einer schon darauf gefreut haben, den 32-Jährigen aus Buckinghamshire auf dem dieswöchigen US-Open-Layout zu verfolgen. Pinehurst No. 2, ein Platz, der selbst das ruhigste Gemüt aus der Fassung bringen kann. Ein wahrer Stresstest also für unseren Hitzkopf Hatton. Doch es kam alles anders. Hatton spielte gut. Spazierte fast schon besonnen - klammern wir mal den kurzen Ausraster auf der 17 aus - zu einer 68 (-2). Und was war das? Ein Lächeln? Ja, Hatton kann auch freundlich - zumindest wenn er längere Putts locht.


Nach der Runde trat der an diesem Tag cool gebliebene Heißsporn vor die Mikrofone und wurde gefragt, ob er einen anspruchsvollen Test wie Pinehurst gegenüber einem leichteren Setup wie dem der PGA Championship in Valhalla vergangenen Monat (Siegerergebnis -19) bevorzugt. Seine Antwort – reflektiert und pures Hatton-Gold: „Da es schwieriger ist und viele Jungs den Kopf verlieren, bringt es sie auf mein Niveau, denn ich verliere jede Woche meinen Kopf. Sie können erleben, wie es eine Woche lang in meinem Kopf ist.“

Eine Woche lang in Hattons Kopf? Darauf könnten vermutlich die meisten Golfer verzichten. In Pinehurst aber müssen sie alle einen kühlen Kopf bewahren, sonst ist nach zwei Runden Schluss. Hatton, der sich selbst als „Spinner“ bezeichnet, hätte jedenfalls niemals mit einem solchen Auftakt ins dritte Major des Jahres gerechnet. Nach den Einspielrunden dachte er nicht einmal, dass er auf diesem Platz die 80 knacken würde. Nun spielt er vorne mit. Noch sind aber drei Runden auf dem brutalen Par-70-Platz zu überstehen. Wie es Hatton weiterhin ergehen wird, werden wir mit Sicherheit anhand seiner emotionalen Ausbrüche verfolgen können.