Regelfest

Der Griff zur falschen Karte


23. Mai 2024 , Daniel Dillenburg


Vorsicht beim Griff zur Scorekarte. Ein zweiter Blick kann ordentlich Verwirrung ersparen.
Vorsicht beim Griff zur Scorekarte. Ein zweiter Blick kann ordentlich Verwirrung ersparen. | © Stockbyte

Die eigene Scorekarte führen statt die des Zählers: Eine solche Verwechslung kommt auf Profi-Niveau nur äußerst selten vor und führt in einem Fall auf der Epson Tour zur zwischenzeitlichen Disqualifikation zweier Spielerinnen.

Eine Turnierrunde ist noch nicht mit dem letzten Putt auf der 18 beendet. Erst wenn die Scorekarte abgegeben ist, kann man so richtig abschalten. Denn bis dahin kann noch vieles schiefgehen. Immerhin kann die Unterschrift einer falschen Scorekarte zur Disqualifikation führen. Und alles zuvor Geleistete ist dahin. Dies mussten auch zwei Spielerinnen auf der Epson Tour kürzlich wieder erfahren. Bei der Carlisle Arizona Women’s Open, dem Turnier mit dem höchsten Preisgeld in der Tour-Geschichte, spielten Jessica Porvasnik und Soo Bin Joo am Finaltag zusammen und hätten ihre gesammelten Punkte aufgrund eines seltenen Fauxpas beinahe verloren.

Was war passiert? Porvasnik und Bin Joo begannen die Finalrunde, in der in Zweiergruppen gespielt wurde, bei drei unter Par und damit neun Schläge hinter den Führenden. Porvasnik kam als erste am Zelt in der Nähe des ersten Abschlags an und hat wie üblich die Scorekarten auf dem Tisch liegen sehen. Den Karten war auch eine Statistikkarte beigefügt. (Die Spieler führen während der Runde ihre eigenen Statistiken und geben sie ab.) Auf den gedruckten Karten steht der Name der Spielerin in der linken oberen Ecke. „Aus irgendeinem Grund habe ich aus Versehen meine eigene Karte genommen und nicht die meines Spielpartners“, sagte Porvasnik im Anschluss an die Runde gegenüber mondayq.com. Als Bin Joo das Zelt betrat, schnappte sie sich die andere Karte.

„Ich habe den Fehler gemacht“

Beide Spielerinnen bemerkten ihren Fehler nicht. Eigentlich hätten sie die jeweils andere Karte führen müssen, um ihren Pflichten als Zähler nachzukommen. Stattdessen trugen sie auf ihrer eigenen Scorekarte die Ergebnisse der Mitspielerin ein. Bin Joo spielte eine 68 und verbesserte sich auf T13. Porvasnik spielte eine 75, um auf T51 zu landen. Beim Scoring lasen sich die Spielerinnen ihre Ergebnisse Loch für Loch gegenseitig vor und bestätigten jeweils die Richtigkeit. Die Karten wurden dann unterschrieben und an den Freiwilligen weitergegeben, der die Ergebnisse eintrug.

Die Regel besagt, dass die Spieler bis zum Verlassen der Scoring Area Zeit haben, Fehler zu korrigieren. Beide gingen davon aus, dass alles korrekt war. Später überprüfte Porvasnik den Online-Score und stellte fest, dass er ihr eine 68 anzeigte. Nachdem der Fehler nicht korrigiert wurde, rief Porvasnik sofort einen Referee an, der ihr mitteilte, dass man sich mit ihr in Verbindung setzen würde. „Ich habe mir den Namensteil nie angesehen, aber ich werde es in Zukunft tun“, sagte Porvasnik. „Ich fühle mich schrecklich für sie [Bin Joo]. Ich habe den Fehler gemacht.“

Disqualifikation aufgehoben

Rick Wilson, ein Referee der Epson Tour, spielte bei diesem Vorfall eine entscheidende Rolle. Er bemerkte den Fehler sofort und überbrachte Porvasnik die Nachricht von der Disqualifikation. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte Wilson. Auf die Frage, ob die Regeln es zuließen, dass die Spielleitung die Entscheidung aufhebt, antwortete er zunächst, dass dies nicht der Fall sei. „Niemand hat ein gutes Gefühl dabei, aber die Golfregeln sind in dieser Situation eindeutig.“ So eindeutig sind sie dann aber doch nicht.

Die Disqualifikation hätte erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Einnahmen der Spielerinnen, sondern auch auf die Punkteliste gehabt. Nach den Disqualifikationen wäre Bin Joo um sechs Plätze auf Rang 43 zurückgefallen, während Porvasnik um drei Plätze auf Rang 15 abgerutscht wäre. Letztlich konnten die beiden Spielerinnen jedoch aufatmen, denn die Disqualifikation wurde nachträglich aufgehoben. Laut einer Klarstellung gemäß Regel 3.3 ist nämlich genau diese Verwechslung abgedeckt:

„Wenn die Ergebnisse des Spielers auf der Scorekarte des Zählers und die des Zählers auf der des Spielers eingetragen sind, die Ergebnisse aber korrekt sind und beide Scorekarten bestätigt sind, sind die Scorekarten gültig, solange die Spieler der Spielleitung mitteilen, welche Scorekarte zu welchem Spieler gehört. Da es sich um einen administrativen Fehler handelt, gibt es keine Frist für eine solche Korrektur.“ Beide Spielerinnen kamen also mit dem Schock davon.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Die Scorekarten nicht zu tauschen ist sicher eine der blamabelsten Möglichkeiten Fehler zu machen, denn das hat mit dem Spiel absolut nichts zu tun. Viele Jahre waren die Spieler in einem solchen Fall „die Dummen“ und konnten der Disqualifikation nicht entgehen.

Heute hat die Spielleitung die Möglichkeit, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass die Scorekarten richtig sind und nur der falsche Name auf der Karte steht. Da dieser aber von der Spielleitung dort aufgedruckt wird, darf der Fall dann als „Spielleitungsirrtum“ straflos korrigiert werden.

Wichtig ist hier das Wort „darf“, denn die Spielleitung ist nicht verpflichtet, dem Spieler so entgegenzukommen.

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