INKLUSION

Ein Feuer für die Ewigkeit?


26. September 2023 , Christopher Tiess


Die Special Olympics Weltspiele fanden 2023 in Berlin und damit erstmals auf deutschem Boden statt. Im altehrwürdigen Olympiastadion stiegen die Eröffnungs- und die Abschlussfeier.
Die Special Olympics Weltspiele fanden 2023 in Berlin und damit erstmals auf deutschem Boden statt. Im altehrwürdigen Olympiastadion stiegen die Eröffnungs- und die Abschlussfeier. | © DGV/ Tiess

Die Special Olympics World Games sind das weltweit größte Sportereignis für Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung - und in diesem Sommer haben sie ganz Deutschland in ihren Bann gezogen. Im Interview mit Stefan Waas, beim DGV zuständig für Inklusion und Behindertensport, werfen wir einen Rückblick auf die wahrscheinlich emotionalste Sportveranstaltung der vergangenen Jahre und ihr Nachwirken.

Die Special Olympics Weltspiele (SOWG) waren das größte Multisport-Event auf deutschem Boden seit den Olympischen Spielen 1972. Vom 17. bis 25. Juni 2023 fanden sie in Berlin statt - und die zahlreichen Fernseh-Übertragungen haben das Thema Inklusion auf einer Breite darstellen können, wie es vorher kaum möglich zu sein schien. 

Seitdem sind drei Monate vergangen. Im Interview mit Stefan Waas wollen wir beleuchten, welches Nachwirkungen die Spiele insbesondere für den deutschen Golfsport hatten und haben. Stefan Waas arbeitet beim Deutschen Golf Verband und ist dort verantwortlich für den Schul- und Hochschulsport sowie für Inklusion und Behindertensport. Gerade in letzterer Funktion war er stark in die Umsetzung der Golfwettbewerbe der SOWG 2023 eingebunden. 

Stefan Waas, beim Deutschen Golf Verband zuständig für Inklusion und Behindertensport.
Stefan Waas, beim Deutschen Golf Verband zuständig für Inklusion und Behindertensport. | © DGV

 

Stefan, wie hast Du die Special Olympics World Games erlebt?
Die Weltspiele habe ich als ein Großereignis erlebt, bei dem durch die Athleten und Volunteers zu jeder Zeit positive Stimmung transportiert wurde. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen, denn leider habe ich die Spiele nur sehr isoliert auf den Golfsport bezogen kennenlernen können. Grund dafür war vor allem unsere Insellage weit ab von den anderen Austragungsorten. Andere Sportarten habe ich nur in den Medien verfolgt. In jedem Fall kann ich jedoch sagen, die Special Olympics World Games sind das größte Sportereignis, an dem ich bisher aktiv mitwirken durfte.

Gab es für Dich einen besonders bewegenden Moment?
Ja, den gab es in der Tat: Mich hat der Fackellauf bei der Eröffnungsfeier stark bewegt, die positive Resonanz und die Reaktionen der Zuschauer auf den Lauf der Athleten, der aufbrausende Jubel beim Entfachen des Feuers, der „Flame of Hope“. So etwas bleibt hängen. 

Was für ein Vermächtnis hinterlassen die Special Olympics Weltspiele?
Hoffentlich ein bleibendes und großes, denn Deutschland ist beim Thema Inklusion noch lange nicht so weit, wie man denkt. Viele Themen rund um Schulungen im Vorfeld wurden offenbar erstmals bei diesen Spielen eingeführt. Diese Mechanismen werden wohl auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Denn die Weltspiele sind soviel mehr als „nur“ sportlicher Wettkampf. Diesen immer weiter voranschreitenden Grad der Professionalisierung wird man versuchen zu halten. Es wird eine Herausforderung bleiben, dieses Niveau auf alle Sportarten dauerhaft anwenden zu können.

Und eine Veranstaltung wie diese ist natürlich herausragend - nicht zuletzt weil sie finanziell stark gefördert wird. Sie wirft aber auch die Frage auf, wie weit man sich in Deutschlands Sportstätten auf dem Weg zur Erfüllung von Art. 30 Abs. 5. der EU-Behindertenrechtskonvention sieht - also im „Regelbetrieb“ bei ganz normalen Sportveranstaltungen. 

Anmerkung der Redaktion: Art. 30 Abs. 5. der EU-Behindertenrechtskonvention schreibt fest, dass die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen.

The Way to BE - Special Olympics 2023

 

Was können interessierte Golfanlagen von Special Olympics lernen?
Bei Special Olympics sieht man breitensportliche Ansätze in Kombination mit dem Leistungsgedanken. Für den Golfsport ist das Wettbewerbs-Portfolio zudem sehr gut ausgearbeitet. Je nach Erfahrung findet jeder Teilnehmer einen Bereich, der ihn anspricht (Level 1 bis 5). Golf zu spielen, bedeutet nicht ausschließlich, sich in gewohnten Wettspielformaten zu messen, sondern offen zu sein für alternative Spielformen wie Scrambles (Unified Sports) oder Fertigkeitswettbewerbe (Level 1). Angebot und Offenheit bestimmen, wie aus Integration Inklusion wird. 

Wie kann man sich als Spieler bei Special Olympics bewerben?
Wer als Athlet bei Special Olympics mitmachen will, wendet sich am besten an die regionalen Organisationen von Special Olympics. Zudem gibt es auf der Internetseite von Special Olympics Deutschland eine Anlaufstelle. Darüber hinaus gibt es in immer mehr Golfclubs inklusive Projekte, die sich ihrerseits an Special-Olympics-Wettbewerben beteiligen. 

Wenn Du auf die vergangenen Jahre zurückblickst, wie hat sich das Engagement zu inklusiven Projekten verändert?
In jedem Fall positiv. Das bedeutet aber nicht, dass wir den Durchbruch in den gesellschaftlichen Alltag geschafft haben. Es scheint immerhin, dass das Thema zunehmend von verschiedenen Seiten angegangen wird. Mehr Trainer interessieren sich für das Thema „Golfer mit Behinderungen“. Und mehr Spieler tauchen im nationalen und internationalen Umfeld auf. Zudem verzeichnen wir eine wachsende Zahl von Golfanlagen, die wissensseitige und finanzielle Unterstützung bei der dauerhaften Etablierung von Spiel- und Trainingsgruppen suchen.

Kannst Du ein paar beispielhafte Projekte nennen?
Auf jeden Fall. Wir stellen die von uns unterstützten Inklusionsprojekte im DGV-Serviceportal vor. Die eine Idee dahinter ist, weitere Athleten für die Projekte zu gewinnen. Die andere Idee ist, interessierten Golfclubs Inspirationen zu geben, um selbst ein Inklusionsprojekt auf die Beine zu stellen. Wir als DGV stehen da gerne als Ansprechpartner zur Verfügung. Und ja, ich nenne gerne ein paar Beispiele, möchte aber dazu sagen: Jede der aktuellen Initiativen ist einzigartig und erwähnenswert. 

Ein Projekt, das es schon sehr lange gibt, ist die Partnerschaft zwischen dem Bielefelder GC und der Mamre Patmos Schule - das Projekt gibt es bereits seit 2001. Auch die inklusive Golf-AG des Universitäts-Golfclubs Paderborn mit Helmut Böhmer wurde bereits im Jahr 2003 gegründet. Und dann finde ich bei den Mainzer Erdmännchen bemerkenswert, dass sie inzwischen eine ganze Abordnung von Spielern bei den Deutschen Meisterschaften der Golfer mit Behinderung haben. Ich könnte noch so weitermachen. Zum Nachlesen findet Ihr eine komplette Übersicht hier...

Wenn eine Golfanlage inklusive Projekte umsetzen will, was würdest Du ihr empfehlen? Was bietet sich als erster Schritt an?
Wir haben alle Infos im DGV-Serviceportal in der Rubrik „Golf&Vielfalt“ zusammengetragen. Für Initiativen, die sich gerade erst gründen wollen, haben wir zum Beispiel einen umfangreichen Leitfaden zusammengetragen. Er ist auf unserem DGV-Serviceportal zu finden.

Welche Benefits erwarten Golfanlagen, die sich dem Thema Inklusion öffnen?
Zunächst einmal finde ich es wichtig, dass wir den Begriff „Benefit“ wirklich so weit wie möglich fassen. Dann werden nämlich in unseren Köpfen schnell ganz andere Bandbreiten denkbar. Ich glaube, unsere Gesellschaft kann deutlich mehr, als sie in der Vergangenheit gezeigt hat. In diesem Sinne: Besuchen Sie eine speziell inklusiv ausgerichtete Sportveranstaltung und sammeln Sie Ihre ganz persönlichen Eindrücke. Sie werden sofort verstehen, was ich meine.