Menschen
Sie ist Captain der Handicap-Stars
16. Juni 2023 , Thomas Kirmaier
Kerstin Schulz ist Inklusionsbeauftragte des Golfparks München Aschheim und erste Teilnehmerin einer C-Trainerausbildung des DGV mit körperlicher Einschränkung. Golf hat ihr nach schwieriger Zeit geholfen, neue Motivation zu finden.
Es gibt so Situationen im Leben, die meisterst du am besten einfach nur mit Leichtigkeit und Humor. Kerstin Schulz erinnert sich an so einen Moment, ein Erlebnis, das sie immer wieder gerne erzählt. Passiert ist ihr das in einem Discounter, als sie in ihrem Rollstuhl sitzend von einem Mann mit Einkaufswagen angerumpelt und beschimpft wurde, warum sie im Weg stehe. „Ich habe dann gesehen, dass er das letzte Päckchen Golfbälle im Wagen hatte und ihn gefragt, für wen die sind“, erzählt Kerstin Schulz. Und als ihr „Widersacher“ erklärte, dass die Bälle für seinen Sohn seien, gab sie ihm den Tipp, das doch zu unterlassen, da es Golfbälle für Linkshänder seien. Die Bälle kaufte dann sie – und der unwissende Shopping-Rumpler erntetet zu Hause ganz bestimmt den Spott.
Aber warum saß Kerstin Schulz damals eigentlich im Rollstuhl? Sie hatte Mitte der 1990er Jahre eine Kreuzband-OP, bei sich eine Infektion ins Gelenk biss. Jahrelang kämpften Mediziner um ihr linkes Bein, bis es schließlich doch amputiert werden musste. „In Salamitaktik“, sagt sie. Also immer ein Stück mehr, bis ihr schließlich auch die Hüfte herausgenommen werden musste. Eine schwierige Zeit, aber Kerstin Schulz kämpfte sich ins Leben zurück. Ohne Bein, dafür mit Prothese, mit Golf und mit einer Menge Mut und Humor. „Ein Kollege hat mir damals dazu geraten, das Training bei den Handicap Stars in Aschheim anzuschauen.“ Die Gruppe wird von Pro Elizabeth Höh gecoacht und bietet Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen die Chance, über den Golfsport soziale Kontakte zu knüpfen und Reha-Sport zu betreiben.
Dass dabei durchaus beachtliche Resultate herauskommen können, beweist Paul Kögler, der Team Deutschland bei den Special Olympic World Games (17. bis 25. Juni in Berlin) vertreten wird. Dann wird Kerstin Schulz zur Aschheimer Delegation gehören, denn sie hat sich als Volunteer für die Spiele gemeldet. Und das mit gutem Grund, denn sie hat nicht nur Freude und Freunde bei den Stars gefunden, sondern auch neue Motivation. Inzwischen ist sie neue Inklusionsbeauftragte im Golfpark München Aschheim und aktuell erste Teilnehmerin einer C-Trainerausbildung im DGV mit körperlicher Einschränkung. Schulz erarbeitet in Kooperation mit der Golfanlage und der Kommune ein neues Konzept aus, um Menschen mit Einschränkungen besser in der Region zu fördern und zu inkludieren.
Inklusion im GP München Aschheim
„Uns ist das Thema Golf & Vielfalt, das vom DGV unterstützt und gefördert wird, besonders wichtig. Wir hatten im vergangenen Jahr eine Gruppe aus den Augustinum-Werkstätten Unterschleißheim auf der Anlage.“ Und die Resonanz sei großartig; 2023 werden es drei Gruppen mit Menschen in besonderen Lebenssituationen sein. Heißt: Über Golf finden die geistig und körperlich Behinderten eine Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, ihren Körper neu zu erleben und Erfolgserlebnisse zu feiern.
Was ihr an Golf so gut gefällt? „Du bist selbst für das verantwortlich, was auf dem Platz passiert“, sagt Schulz. Und für sich findet sie immer wieder neue technische und taktische Möglichkeiten. Klar ist sie mit ihrer Prothese nicht mehr so beweglich wie auf zwei Beinen, aber sie habe ein neues Schaftsystem für sich entdeckt und festgestellt, dass sie die Statik oder die Drehung beim Schwung mit Arbeit der Ferse und des Vorfußes besser kontrollieren könne. Komische Blicke von Beobachtern auf der Range oder dem Platz? „Ja, die gibt es, aber ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass man mit den Leuten reden und ihnen alles erklären kann, damit sie es verstehen“, sagt sie. Dazu braucht es Mut und Kommunikationsstärke – auf beiden Seiten.
Und irgendwie liegt es auch an der direkten, ehrlichen und lebensbejahenden Art, mit der Kerstin Schulz das Leben meistert und die Herzen erobert. Sie hat schon so viel gesehen und erlebt – auch beruflich. Die gelernte Technikerin mit Fachrichtung Chemie schulte um auf Maschinenbau und verdient aktuell im Personalmanagement ihre Brötchen. Mit Menschen umgehen? Das kann sie. Und wenn ihr mal jemand schräg kommt so wie damals im Discounter? „Es findet sich immer eine Lösung“, sagt sie.
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