Martin Kaymer

„Die DP World Tour hat ihre Identität verloren“


18. Mai 2023 , Thomas Fischbacher


Wird die DP World Tour wohl verlassen: Martin Kaymer
Wird die DP World Tour wohl verlassen: Martin Kaymer | © Ian Maule/Getty Images

Martin Kaymer spricht mit Golf.de exklusiv über seine Strafe auf der DP World Tour, die nicht nur positive Entwicklung der LIV Golf League und über eine anstehende emotionale Entscheidung.

Golf.de: Herr Kaymer, nach Ihrer Handgelenks-Operation und der monatelangen Pause haben Sie vor einigen Wochen wieder in der LIV Golf League abgeschlagen. Wie haben sich die ersten Turniere nach der langen Pause angefühlt?

Kaymer: Bis auf zwei drei wilde Schläge, die immer mal wieder zu einem Doppelbogey geführt haben, war es in Ordnung. Mir war klar, dass so etwas passieren kann, deshalb war es etwas leichter zu verarbeiten. Einerseits ist es schön, wieder dabei zu sein, andererseits muss ich noch aufpassen, dass ich das Handgelenk nicht überreize. Es war in Ordnung, wie ich gespielt habe. Gerade mit den Hölzern wirken schon enorme Kräfte, da muss sich mein Handgelenk langsam daran gewöhnen. Ich würde gerne mehr Zeit für Training investieren, aber das geht aktuell nicht. Ich muss geduldig bleiben, die Ärzte sprechen von zehn bis zwölf Monaten, bis sich alles wieder ganz normal anfühlt. 

Deshalb auch die Absage für die PGA Championship?

Ich habe sieben bis acht Monate nicht trainiert und daher hätte ich auch keine Chance gehabt, dort etwas zu erreichen. Es ist nicht mein Anspruch, dorthin zu fahren und dann mit etwas Glück den Cut zu schaffen. Ich fühle mich einfach nicht gut genug vorbereitet – weder von der Qualität des Spiels, noch vom Zustand meines Handgelenks. Ich möchte nicht riskieren, jetzt drei Wochen in Folge zu spielen, um dann wieder einen Monat gar nichts machen zu können.

Wie sieht es für die US Open aus?

Aktuell plane ich, in Los Angeles dabei zu sein und hoffe natürlich, dass ich davor noch ein paar Wochen intensiver trainieren kann, als es aktuell möglich ist.

Kaymer über sein Strafmaß 

Dazwischen stand noch ein Start bei der Porsche European Open im Raum – doch die DP World Tour hat Sie wegen Ihres Wechsels zu LIV Golf League gesperrt. Wie konkret sieht das Strafmaß aus?

Ich habe für das vergangene Jahr 450.000 Euro Strafe bekommen und jetzt eine Sperre von vier Wochen ab der Porsche European Open. Die Strafen, die ich bekommen habe, beziehen sich auf 2022. In diesem Jahr hat sich bestimmt schon wieder ein stolzer Betrag aufgebaut, der dann kommendes Jahr fällig wird. Die Sperre fällt leider genau in den Zeitraum, in dem ich bei zwei Turnieren in der Heimat antreten wollte - finde ich schon bitter und sehr willkürlich. Überhaupt weiß niemand so genau, nach welchem Prinzip die Sanktionen verteilt werden. Lee Westwood hat beispielsweise ganz andere Strafen bekommen als ich. 

Sie sprachen davon, dass die Strafen willkürlich verteilt worden seien – aber können Sie nachvollziehen, dass es Sanktionen geben musste?

Ja, das kann ich verstehen und es wurde ja auch von einem Gericht bestätigt. Ich weiß, dass man in Wentworth selbst ein wenig überrascht war, Recht bekommen zu haben, was vielleicht auch die etwas chaotische Vorgehensweise mit den Strafen erklärt. 

Waren die beiden Heimturniere in Hamburg und München fest eingeplant?

Ja – für beide Turniere habe ich Verträge abgeschlossen und wollte die deutschen Turniere immer spielen. Es ist sehr sehr schade. Als ich mit LIV Golf verhandelt habe, habe ich mir bestätigen lassen, dass ich in Hamburg und München dabei sein kann. Einerseits fordert die Tour, dass man als dekorierter Spieler in der Heimat dabei ist, andererseits wird mir das jetzt durch die Sperre verbaut. Ich habe das Gefühl, jedes Recht zu haben, dabei zu sein und denke auch, dass mich die Zuschauer gerne hätten spielen sehen. Das verstehe ich so nicht ganz. Der Zeitpunkt ist schon kurios.

Emotionale Entscheidung steht an

Gab es Kontakt zu den Ausrichtern der deutschen Turniere und haben Sie das Gefühl, dass man um Ihren Start gekämpft hat?

Es gab Kontakt. BMW ist da aufgrund des Sponsorship mit der DP World Tour in einer schwierigen Situation. Von den Ausrichtern der Porsche European Open bin ich enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, dass sich einige Verantwortliche, die etwas hätten bewegen können und wollten, dass Paul (Casey, Porsche-Markenbotschafter) und ich hätten mitspielen können, versteckt haben. Da hat leider niemand klare Kante gezeigt und offen kommuniziert. Andererseits habe ich auch gehört, dass sich Porsche möglicherweise ohnehin zurückziehen möchte. Ich habe den vorläufigen Turnierkalender der DP World Tour für 2024 gesehen – und habe das Turnier nicht gefunden.

Das wären keine guten Nachrichten. 

Ich finde es auch sehr schade, weil wir hart darum gekämpft haben, ein zweites Turnier in Deutschland zu etablieren. Ich hätte auch gerne meinen Beitrag dazu geleistet, auch im vergangenen Jahr, als ich leider absagen musste. Es ist schon sehr schade. Immerhin gibt es in diesem Jahr einige deutsche Spieler, die gerade richtig gut drauf sind und erfolgreich waren. Das freut mich.

Kann es für Sie auf der DP World Tour unter diesen Umständen überhaupt weitergehen? Oder bleibt nur die Kündigung der Mitgliedschaft?

Ich befürchte, dass ich eine Entscheidung treffen muss, die ich eigentlich nicht treffen möchte. Emotional ist es für mich wirklich schwierig, da ich an dieser Tour hänge. Das macht mich schon traurig. 

Das klingt nach Abschied…

Rein logisch gesehen, muss ich die Mitgliedschaft wohl abgeben, da ich ja nicht ewig Strafen bezahlen kann und dazu noch gesperrt bin. Demnächst steht noch ein Gespräch mit Keith Pelley an, da werde ich ihm meine Sicht der Dinge schildern und mir seine Standpunkte anhören. 

DP World Tour nur noch eine Zubringer-Tour?

Wie sehen Sie die Entwicklung der DP World Tour in der jüngeren Vergangenheit? Stimmen Sie zu, wenn Lee Westwood sagt, sie sei nur noch eine Zubringer-Tour?

Seit der Allianz mit der PGA Tour ist die Identität verloren gegangen. Jedes Gespräch, dass die DP World Tour führt, müssen sie sich aus den USA absegnen lassen. Für mich ist das keine individuelle Tour mehr. Das, was sie ausgemacht hat, die Werte, die nationalen Meisterschaften, die tollen Plätze, ist verloren gegangen. Auch weil man sich immer wieder das ‘Ok’ vom großen Chef aus Amerika holen muss. Und ja, es ist eine Zubringer-Tour. Das ist ja offensichtlich. Die besten zehn Spieler verabschieden sich über den großen Teich, das Produkt wird immer schlechter, weil die Spieler abwandern. Das Interesse der Sponsoren lässt nach. Was soll das sonst sein? Die Felder werden immer schlechter und es gibt kaum mehr Weltranglistenpunkte. Man kann sich ja kaum mehr für ein großes Turnier oder gar ein Major qualifizieren. 

Muss nach seiner Handgelenksoperation langsam machen: Martin Kaymer.
Muss nach seiner Handgelenksoperation langsam machen: Martin Kaymer. | © golfsupport.nl/Emanuel


Stichwort Weltranglistenpunkte – die gibt es in der LIV Golf League momentan gar nicht zu holen. Wie sehen sie die Entwicklung Ihrer aktuellen spielerischen Heimat?

Auch bei LIV läuft nicht alles optimal, gar keine Frage. Natürlich haben wir alle gehofft, dass wir zu einem früheren Zeitpunkt Weltranglistenpunkte bekommen. Auch, wie es mit den Team-Franchise weitergeht, ist unklar und sorgt für Unruhe. Ich weiß aktuell nicht, ob ich überhaupt ein Sponsorship verkaufen kann. Meine Team-Mitglieder stehen nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt unter Vertrag. Ich weiß heute nicht, was ich dann tun muss, um frische Spieler ins Team holen zu können. Aber immerhin wird offen kommuniziert, der Plan steht, die Plätze sind super, das Konstrukt ist langfristig gesichert und ich stehe nach wie vor hinter dem Konzept.

LIV Golf League mindestens bis Ende 2025

Wie sieht die Zukunft aus? Wie lange stehen Sie bei der LIV Golf League unter Vertrag?

Ich bin mindestens noch bis Ende 2025 dabei. Danach gäbe es die Möglichkeit, mich über Top 24 die Rangliste wieder für das nächste Jahr zu qualifizieren. Oder die Tour stuft mich als Mehrwert ein und verlängert das Engagement. Danach wäre es für mich auch wieder eine Option, auf der DP World Tour abzuschlagen. Je nachdem, wie sich alles entwickelt. Es wäre dann aber eher ein schönes Auslaufen der Karriere als jetzt der Anspruch, dass da großartiges Golf auf mich wartet. Aber es kann sehr viel passieren.

Können Sie jene Kritiker verstehen, die sagen, Sie seien mit Ihrem Wechsel dem Ruf des Geldes gefolgt und auch wegen der saudi-arabischen Finanzierung hinter LIV Golf moralisch den Finger heben?

Das ist eine sehr lange und schwierige Debatte. Was die scheinbare Geldgier betrifft: Wieso sollte ich mir in den Vertrag schreiben lassen, dass ich die deutschen Turniere der DP World Tour mitspielen darf, auch wenn parallel ein – deutlich besser dotiertes – LIV-Turnier stattfindet. Das macht doch keinen Sinn. Ich habe lange Zeit gesagt, dass ich mich auf der PGA Tour nicht sehe und die Entwicklung der DP World Tour kritisch einschätze. Außerdem bin ich vom Konzept von LIV Golf mit dem Team-Gedanken absolut überzeugt. 

Und die moralische Kritik?

Diese Diskussion kann und sollte geführt werden, führt aber zu keinem richtigen Ende. Zuletzt war ja auch Frau Baerbock dort zu Besuch. Das heißt aber nicht, dass Sie deren Werte unterstützt. Das hat damit nichts zu tun. Genauso ist es bei mir. Andere Touren werden auch vom Staat oder Unternehmen aus Saudi-Arabien, China und Co. unterstützt. Da kommt mir die Kritik manchmal etwas engstirnig und einseitig vor. Es ist in Ordnung, dass nach meiner Entscheidung Gegenwind kommt. Aber wenn man einmal über den Tellerrand hinausblickt und genauer hinschaut, macht dieses Einseitige nicht immer Sinn. Nochmal: die Diskussion ist wichtig und richtig. Wir alle sind uns allerdings auch nicht immer darüber im Klaren, was in der Welt abgeht und das am Ende jeder nur für sich selbst eine Entscheidung treffen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!