Natur
Wenn Herfords bunte Blumen blühen
18. April 2023 ,
Der Frühling ist da. Es grünt, die Natur erwacht – jedenfalls überall dort, wo der Mensch sie Natur sein lässt. Oder ihr hilft. Wie im Golfclub Herford in Ostwestfalen, der zum zweiten Mal mit „Flower-Power“ in die Saison startet.
Text: Michael Basche
So geht Club: Der Präsident sitzt als ehrenamtlicher Manager im Sekretariat. Zwei engagierte junge Mitglieder, Brüder mit Herz für Holz und Handwerk, haben einen Indoorgolf-Übungsraum gezimmert, in dem sich bei Lounge-Atmosphäre die Schlagfertigkeit am Simulator schärfen lässt. Der Senioren-Champion, gleichzeitig Vorstandsmitglied und über Siebzig, brachte Kompetenz aus dem Straßenbau ein, hat das Übungsareal aufgehübscht sowie Gräben für Be- und Entwässerung eingezogen. Sein Minibagger war von der Driving Range aus gut zu sehen, ein Kontrapunkt vor der seit 1985 denkmalgeschützten Lindemanns Mühle mit den ebenfalls historischen Nebenbauten, die dem GC Herford im ostwestfälischen Vlotho-Exter als Signet dient.
Wer auf der Range Bälle schlägt, sieht sofort, was den Golfer als Kulisse für sein Spiel erwartet: Die ebenso idyllische wie ondulierte Landschaft des Lippischen Berglands am Rand des Weserberglands, Wälder, Felder, Weiden. Und direkt neben der Abschlaghütte: die erste Blühwiese des Herforder Projekts „Flower-Power“. Ein großzügiges, noch krautiges Beet, das während der Blüte kunterbunt leuchtet. Die Flecken finden sich allerorten auf der Runde über den vom weltbekannten Architekten Donald Harradine in den 1980er Jahren konzipierten und 1987 fertiggestellten Neun-Löcher-Platz. Dank einer Erweiterung um vier zusätzliche, sogenannte duale Abschläge im Jahr 2014 gibt es nunmehr 13 Spielbahnen.
Acht Prozent der Gesamtfläche von 27,6 Hektar haben die Herforder in Lebensräume für Artenvielfalt verwandelt: „23.000 Quadratmeter, die nicht bloß grün sein sollten, sondern farbenfroh“, vermittelt Präsident Uwe König („Ich bin ästhetisch veranlagt“) die Grundidee. Beim Abzweig zur Anlage wollten sie beginnen. „Denn die Auffahrt ist die Visitenkarte“, so König. „Dann kam uns der Ökogedanke, um dem Ganzen einen tieferen Sinn zu geben.“
Heute ziert beidseitig eine Blumen- und Obstwiese das Entree. Gefolgt vom ersten Blühstreifen, der sich als Schmetterlings- und Bienensaum am Weg und an der alten Bruchsteinmauer entlang bis zum Clubhaus mit dem Sinnspruch „Altes erhalten, Neues gestalten“ in den alten Balken über dem Eingang zieht. Es geht bergauf und dann in eine leichte Kurve mit Parkbuchten bis auf den Vorplatz des Gebäudeensembles mit der Scheune von 1875, die zur Event-Location aufpoliert werden soll.
Dahinter entfaltet sich das Naturparadies Golfplatz, dessen Bahnen fünf, sechs, sieben ohnehin im Naturschutzgebiet Mittelbachtal liegen. Alles ist ein Sinnbild dessen, was der GC Herford bereits gestemmt und sich weiters vorgenommen hat. Das Projekt „Flower-Power“ war bereits ein Kraftakt zum Wohle der Ökologie. Und die Blühwiesen sind nur der Anfang: Streuobst- und Feuchtwiesen, Teiche, Trittsteinbiotope, Totholzstellen, Neuanpflanzungen von Stauden und fruchtragenden Sträuchern als „Naschgarten“, nicht zuletzt Insektenhotels, Vogel- und Fledermauskästen sowie Ansitzstangen für Greifvögel gehören ebenso zum Konzept. Die 40 Nistkästen waren umgehend belegt. Kurz: Der Golfplatz als Refugium für Flora und Fauna.
60.000 Euro will sich der Club dieses für ein vergleichsweise kleines Gemeinwesen in Nordrhein-Westfalen einzigartige Projekt kosten lassen. 18.000 Euro wurden für den ersten Blühwiesen-Schritt generiert. Durch ein Crowdfunding in Zusammenarbeit mit der Volksbank Herford-Mindener Land eG, die auf jede Spende ab 25 Euro zehn Euro draufgelegt hat. Den Löwenanteil haben die 370 Mitglieder gestemmt, davon snd 250 Vollzahler. Das ist gleichermaßen nicht selbstverständlich, zeigt vielmehr die Substanz der Club-Kultur in Herford. „Für viele war Crowdfunding Neuland“, erzählt König, der in der Finanzbranche tätig ist. „Umso mehr haben wir uns über die Summe gefreut, das war wirklich beachtlich.“
Fördermittel waren natürlich ebenfalls ein Thema. Indes: „Ein Club wie unserer wartet nicht, bis von oben ein Impuls kommt“, stellt der Präsident klar. „Hier heißt es: Komm, wir machen das. Exakt so versuchen wir tagtäglich unser Ding zu managen.“ Clubmitglied Egon Zurheide, der schon als Ideengeber beteiligt war, fungiert als passionierter Projektleiter. Mit Franke Sloothaak, dem zweifachen Mannschafts-Olympiasieger (1988, 1996) und mehrfachen Weltmeister im Springreiten sowie ebenfalls Herford-Golfer, wurde überdies ein prominenter Schirmherr gefunden.
Dann freilich fing die Arbeit erst an. Zurheide schmunzelt. „Blühwiese klingt simpel, doch mit Boden aufkratzen und zwei Tüten Samen drüberstreuen ist es ja nicht getan“, sagt er. „Das ist eine Wissenschaft für sich. Die Vorbereitung der Flächen, die Aussaat mit zwei Gramm pro Quadratmeter – so was muss man fachgerecht säen können.“ Hinzu kommen die Kollisionspunkte: „Der Umweltgedanke soll eine Rolle spielen, darf allerdings nicht vom Spaß am Golf abhalten“, verdeutlicht Zurheide. „Das war echt herausfordernd für uns“ ergänzt König.
Jetzt kommt die Biologische Station Ravensberg und ihr „Praktischer Naturschutz im Kreis Herford“ ins Spiel. Dort hat man die Idee ausdrücklich begrüßt und weiß ohnehin zu schätzen, „wenn das Naturschutzgebiet Mittelbachtal quasi weitere Flächen für den Naturschutz gewinnt“, so Stationsleiter Klaus Nottmeyer. „Der Kreis ist sehr zersiedelt, es gibt viele kleine Schutzzonen, deswegen ist es wichtig solche Bereiche wie im Golfclub Herford zu schaffen.“
Ravensberg hat die Projektierung erstellt, in enger Abstimmung mit den Greenkeepern des Clubs geeignete Areale ausgewiesen, das spezielle Saatgut definiert – eine hochwertige Mischung aus 16 Grassorten und über 50 Blumen- und Kräuterarten –, den Pflegeplan erstellt. Darüber hinaus entsandte der Deutsche Golf Verband (DGV) seine Umweltberaterin Beate Licht (Düsseldorf) mit ihrer Expertise und jeder Menge Anregungen. Schließlich lieh der Bauer von nebenan dem Club die passende Saatmaschine. Mit derart rat- und tatkräftiger Unterstützung machten die Herforder sich ans Werk.
„Anfangs sah alles aus, als wollten wir Salat züchten. Aber wir konnten tatsächlich feststellen, dass die Biodiversität förmlich explodiert ist“, resümiert Uwe König. Besonders stolz ist er auf die beiden großen Areale am sechsten Abschlag. „Vorher war da nur Gras, hinterher war Leben.“ Was im ersten Jahr wie gerupft wirkte, ist mittlerweile „dicht zugewachsen“.
Die Blühwiesen sind als Spielverbotszonen ausgewiesen und werden regelmäßig vom Präsidenten und vom Projektleiter inspiziert. Einer der Herforder Greenkeeper kümmert sich außerdem in seiner Freizeit gesondert um die Blühwiesen und die Pflege der Außengestaltung – klar, gegen Honorar. „Alles, was schön sein soll, braucht Beachtung und Pflege“, weiß König. „Wenn du Erfolg haben willst, musst du dich halt reinhängen und den Dingen Aufmerksamkeit schenken. Dann wird’s auch gut.“
Also warten sie nun auf die Entfaltung der Blütenpracht. Wenn Herfords bunte Blumen blühen, „wenn wir draußen was vorweisen können“ (König), dann will der Club sein „Flower-Power“-Projekt präsentieren. Beispielsweise dem Golfverband Nordrhein-Westfalen. Was in Bayern mit dem „Blühpakt“ oder in Baden-Württemberg mit „Lebensraum Golf – Wir fördern Artenvielfalt“ bereits erfolgreich ist, sollte sich in NRW ebenfalls anschieben lassen. „Das Thema Artenschutz und Biodiversität ist überall präsent. Golfplätze halten Naturraum vor, entsiegeln, renaturieren und und und. Unsere Flower-Power soll nach innen und nach außen wirken“, betont der Präsident. „Wir hier beim Golfclub Herford wollen Modell sein für andere.“
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