Auf der Range
Drei Übungen: Training ohne Richtig und Falsch
6. April 2023 , Felix Grewe
Normalerweise erklären einem Golflehrer, was man zu tun und was zu unterlassen hat, um sein Spiel zu verbessern. Es geht aber auch anders – mit Übungen, die vor allem die Wahrnehmung schulen.
Stellen Sie sich vor, Ihr Golflehrer würde Ihnen ab sofort nie wieder sagen, was falsch ist an Ihrem Schwung. Sie würden ihn weiter dafür bezahlen, dass er mit Ihnen auf die Driving Range oder aufs Übungsgrün geht, aber Sie bekämen dort von ihm keine Hinweise mehr darauf, welche technischen Mäkel er in Ihren Bewegungen erkennt und was Sie anders machen müssten, um weiter, präziser oder konstanter zu schlagen. Wahrscheinlich würden Sie zunächst mit Empörung reagieren. Schließlich buchen Sie den Unterricht, um immer wieder aufs Neue korrigiert zu werden und Anweisungen zu erhalten, die Ihnen helfen sollen, besser zu spielen, richtig?
Mit Aufmerksamkeitsübungen den Schwung verbessern
„Genau dieses Verfahren, an das wir uns gewöhnt haben, betrügt uns um die Nutzung unseres Lernpotenzials. Es verführt uns zu unbewusstem Misstrauen uns selbst gegenüber“, schreibt der renommierte Coach Timothy Gallwey in seinem Klassiker „Inner Game Golf“. Gallwey, der seinen Ansatz vom Inner Game ursprünglich auf dem Tennisplatz entdeckte und später in diverse Sportarten und sogar in die Arbeitswelt untertrug, schwört seit Jahrzehnten auf eine Alternative zum klassischen Techniktraining mit Richtig-und-Falsch-Schubladen – sogenannte Aufmerksamkeitsübungen. Dabei sollen Golferinnen und Golfer aus der eigenen Erfahrung lernen, während sie ihre Gedanken auf einen bestimmten Fokus lenken. Beispiel: Statt des Hinweises, die Schlagfläche sei im Treffmoment zu sehr geöffnet und müsse senkrechter stehen, könnte ein Golflehrer dazu auffordern, zu fühlen, ob das Schlägerblatt im Treffmoment geöffnet, senkrecht oder geschlossen ist (siehe unten).
Aus Erfahrung lernen
„Aufmerksamkeitsübungen unterscheiden sich radikal von Handlungsanweisungen. Sie verändern in aller Regel auch den Gemütszustand“, erklärt Gallwey. „Sie erzeugen eine Art Lernen, das frei ist von Zweifel, Frust und Entmutigung. Sie führen zum Wiederentdecken des natürlichen Lernvorgangs, der organisch und schnell vonstatten geht. Am wichtigsten ist es allerdings, dass sie den Glauben des Schülers an seine Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen, verstärkt; es ist allein die Aufgabe des Lehrers, ihm bei der Konzentration auf die wesentlichen Elemente seiner Erfahrung zu helfen.“ Seine wichtigste These: Nur wenn der Geist ruhig ist, ist der Körper in der Lage, sein Potenzial zu nutzen. Heißt übersetzt: Je mehr wir denken, desto größer die Gefahr des Verkrampfens – so steigt die Anfälligkeit für Fehler. Die Folge: Ein Teil des spielerischen Potenzials bleibt ungenutzt.
Weniger beurteilen, mehr wahrnehmen
Gallweys wichtigstes Credo ist dieses: Je weniger wir urteilen und bewerten, desto fokussierter die Aufmerksamkeit und desto tiefer die Konzentration. Technische Verbesserungen, so der Amerikaner, der als einer der Ur-Väter des modernen Coachings gilt, würden die Selbstbeurteilung des Spielers weiter anregen. Er gibt sich in der Folge besonders große Mühe, die Tipps umzusetzen und neben einem verbesserten Schlag auch das Lob des Golflehrers zu kassieren – der inneren Lockerheit sei dies nicht zuträglich.
Die folgenden drei Übungen erklärt Gallwey in „Inner Game Golf“ ausführlich. Sie kommen ohne technische Anweisungen aus und sollen die Aufmerksamkeit des Spielers erhöhen. Sie können jede der Übungen sowohl ohne als auch mit Golflehrer ausprobieren.
1) Da-Da-Da-Da
Wie kann es gelingen, weniger über den eigenen Schwung zu grübeln? Probieren Sie es einmal mit der Übung „Da-Da-Da-Da“. Sie funktioniert so: Sagen Sie „Da“ im Moment Ihrer Schwungeinleitung, „Da“ auf dem höchsten Punkt des Rückschwungs, „Da“ im Treffmoment und schließlich „Da“ bei Vollendung des Schwungs. Dieser Viertakt soll Ihr Gefühl für Rhythmus und Tempo verbessern, zudem üben Sie das Wahrnehmen Ihres Schlägerkopfes. Vor allem aber soll das „Da-Da-Da-Da“ Sie von sämtlichen Gedanken ablenken, die Ihnen sonst beim Schwingen im Kopf herumgeistern. Gallwey: „Die Übung wird Ihre Konzentration wahrscheinlich verstärken. Ihr Schwung wird freier und die Resultate werden besser“, schreibt er in seinem Buch, relativiert jedoch: „Glauben Sie nicht, dass Sie damit die Zauberformel gefunden haben und der Ball immer nach Wunsch fliegen wird. Denken Sie daran: Nicht die Wörter sorgen für den Erfolg, sondern Ihre stärkere Konzentration.“
2) Summen im Schwung
Summen Sie beim Schlagen. Das mag erst einmal seltsam klingen, aber es soll einen ähnlichen Effekt erzielen, wie die Übung „Da-Da-Da-Da“. Denn: Sie sollen auf Ihr eigenes Summen achten, genau hinhören und herausfinden, wie sich Ihre Tonlage bei den verschiedenen Schlägen verändert. Der Effekt: Sie konzentrieren sich wieder einen bestimmten Fokus (in diesem Fall den Sound Ihres Summens) und lenken Sie so von allem ab, was Ihren Schwung sonst stören könnte. Der Clou: Ihr Summen kann verraten, wie entspannt oder angespannt Sie schwingen. Manchmal mögen Sie annehmen, dass Sie locker schlagen. Der Klang Ihres Summens kann das bestätigen oder widerlegen. Finden Sie heraus, wie sich Ihr Schlag verändert, wenn Sie gleichmäßig und vollkommen entspannt summen...
3) Fühlen des Schlägerblattes
Versuchen Sie zu fühlen, ob Ihr Schlägerblatt im Treffmoment offen, geschlossen oder senkrecht ist. Wichtig: Beobachten Sie lediglich – denken Sie nicht daran, was Ihrer Ansicht nach richtig oder falsch ist. Die Übung schärft Ihre Wahrnehmung. Sie konzentrieren sich wieder ganz auf eine Sache und haben weniger Zeit, um an der korrekten Ausführung des Schlags zu zweifeln. Der wertende Verstand ist beschäftigt, Anweisungen und Kritik bekommen weniger Raum.
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