Kolumne
Drei Schläge für den guten Zweck
31. Januar 2023 , Christopher Tiess
Auf den folgenden Zeilen geht es um schöne Feiern mit Inhabern von Erotik-Hotlines und warum der Autor ein leidenschaftlicher Fan von Mulligans ist.
THE SOCIAL GOLFER
Liebe Leidensgemeinschaft,
heute mal wieder eine Anekdote: Einmal im Jahr organisiere ich ein Benefizturnier. Und wie es bei diesen Wettbewerben so üblich ist, versuchen auch wir immer wieder, unseren Teilnehmern auf möglichst sympathische Art und Weise Geld aus den Taschen zu ziehen und es dem guten Zweck zukommen zu lassen. Ich weiß nicht immer, wie unser Team dies anstellen soll. Ich weiß aber sehr wohl, wie wir es nicht machen möchten.
On a totally unrelated note: Mir ist es bis heute ein unfassbares Rätsel, wie Georg Kofler, Achim Hunold und Co. es in der Vergangenheit geschafft haben, bei ihren Charity-Turnieren Spendensummen im mittleren sechsstelligen Eurobereich zu erzielen, zumal diese Veranstaltungen mit Luxushotels, großen Ballsälen, Fackel illuminierten Pools an sich schon wirklich viel Geld verschlungen haben müssen. Egal, ob man großer Call-Center-Betreiber für Erwachsenenunterhaltung war oder ein kleiner Gutschein-Überbringer wie ich: Man fühlte sich irgendwie erhaben bei diesen Events. Und irgendwie auch voller Rätsel.
Nun denn, zurück zur Erde: Wir haben uns irgendwann dazu entschieden, unter anderem Mulligans zu verkaufen. Wir freuen uns über jeden Spenden-Euro, aber aus nachvollziehbaren Gründen haben wir die Maximalzahl der Extraschläge auf drei begrenzt. Im ersten Jahr gab es noch viele Spielerinnen und Spieler, denen die sportliche Puristik deutlich präsenter war als der Gedanke an eine gute Tat. Der Absatz stockte. Trotz Turnierausschreibung, Vorab-Newsletter, Internetseite, großer Tisch-Aufsteller und vierköpfigem Erklär-Team beim Check-In ist es uns nicht so richtig gelungen, den eigentlichen Sinn hinter den Mulligans zu erklären.
Und plötzlich stand mir sogar einer unserer Bruttosieg-Anwärter gegenüber und meinte sichtlich missgelaunt: „Extraschläge??? So einen Scheiß kannst Du nicht bringen!“ Hand aufs Herz – gerade bei einem Charity-Turnier treten wir an, um das Richtige zu tun. Unser Team weiß: Der Weg zu einer erfolgreichen Spendensumme ist beileibe nicht einfach – und das gilt gerade auch dann, wenn man ein Turnier jedes Jahr aufs Neue umsetzen und etablieren möchte. Niemand von uns will verbrannte Erde hinterlassen.
Dass die Mulligans dem sportlichen Wettbewerb eine besondere Note geben, ist uns allen bewusst. Deswegen kündigen wir sie überall an. Und wer bei einem Benefiz-Golfturnier eine Spendenaktion verdammt, braucht bessere Gründe als die puristische Sportlichkeit. Zumal wir einen Zweier-Scramble spielen - weit weg vom Zählspiel und weit weg von jeder Vorgabenwirksamkeit. Sie sehen also: Wir als Organisations-Team haben eine Meinung. Und die ist im Zweifel stets für die Spende. Dennoch versuchen wir zu reflektieren. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess eben. Damit waren wir aber nicht allein. Denn zur Halfway-Verpflegung stand ebenjener schlecht gelaunter Bruttosieg-Anwärter wieder vor mir und fragte nunmehr sichtlich geläutert, ob er noch die drei Extraschläge kaufen kann. Er hat verstanden. Und ich war sehr dankbar für sein Verständnis.
Inzwischen ist diese Anekdote einige Jahre alt und unser gesamtes Teilnehmerfeld kennt die Spenden-Mulligans und deren Bestimmung. Kaum einer, der sich jetzt noch ohne die drei Schläge für den guten Zweck auf den Platz wagt. Nicht einmal erklärt werden muss die Aktion heute. Also, auch wenn wir manchmal dafür kämpfen müssen: Das Gute hat es verdient zu siegen.
Mit sportlichem Gruß,
Ihr Christopher Tiess
Lebenserfahrungen, Reise-Anekdoten und immer wieder Geschichten aus dem Kuriositätenkabinett namens Golfsport: In seiner Kolumne „The Social Golfer“ spiegelt der Projektmanager, Journalist und Fotograf Christopher Tiess seine Eindrücke aus der Welt wider und schlägt dabei die Brücke zu gesellschaftlichen und sozialen Themen.
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