Eisen
Blade oder Cavity Back?
16. November 2022 , Marcel Czack
Von kaum einem Golfschläger geht ein so großer ästhetischer Reiz aus wie von Blades. Doch sollten Sie sich wirklich solch kompakte Schmiedeeisen ins Bag stecken? Wir wägen das Für und Wider ab.
Wenn ein Blade genau im Sweetspot getroffen wird, ist der butterweiche Treffmoment kaum wahrzunehmen. Noch während der Ball in Richtung Ziel segelt verspürt man ein wohlig weiches Gefühl in den Händen; es ist himmlisch! Blades haben jedoch auch eine dunkle Seite. Wird der Ball nur ein klein wenig außermittig getroffen, kribbelt es in den Fingerspitzen und der Ball fliegt unberechenbar beziehungsweise unter erheblichem Schlaglängenverlust.
Blades sind quasi die klassische Ur-Form von Eisen. Moderne Blades – auch Muscle Backs genannt - kommen der damaligen Bauart von bis in die 1970er Jahre ausschließlich gebräuchlichen Eisen am nächsten. Die einteiligen, meist aus weicherem Karbonstahl geschmiedeten Schlägerköpfe weisen im Vergleich der verschiedenen Eisenkategorien die schwächsten Lofts auf und bieten nahezu keine spielunterstützenden Technologien.
Ab den 1970er-Jahren wurde das Eisen-Angebot um die Bauform des Cavity Back erweitert. Diese meist gegossenen – zunächst ebenfalls einteiligen Köpfe – zeichneten sich durch ihre leichtere Spielbarkeit aufgrund von Perimeter-Gewichtung aus. Dadurch, dass sich bei ihnen mehr Masse an den Rändern des Kopfs befindet, ist ihr Trägheitsmoment (MOI) höher, die Schlagfläche dünner, der Sweetspot größer und so werden Fehler weniger hart bestraft.
Woher rührt der Zauber?
Blades faszinieren Golfer nicht zuletzt aufgrund der in ihnen steckenden Handwerkskunst. Das schlanke Profil der geschmiedeten Köpfe mit dünner Topline, scharfen Kanten und klaren Linien verleiht ihnen ein elegantes, edles Erscheinungsbild. Sie sind auch wegen ihres herausragenden Schlaggefühls und der guten Rückmeldung beliebt. Außerdem bieten sie sehr guten Golfern die Möglichkeit, den Ballflug zu manipulieren.
Einige Golfer betrachten Blades einfach als funktionale Sportgeräte, mit denen sie ihre spielerischen Ziele am besten erreichen können. Manche halten sie dagegen für ein Gütesiegel mit Signalwirkung an sich selbst und Andere; und zwar dafür, dass sie gute Golfer sind. Nicht zuletzt aufgrund dieser zweifelhaften Verlockung landen Blades auch immer wieder in den Taschen von Golfern, die besser eine andere Wahl hätten treffen sollen. Denn Größe und Konstruktion bedingen, dass Blades nur eine geringe Fehlertoleranz für außermittige Treffer bieten. Ein sportlich erfolgreiches Spiel ist daher den Golfern vorbehalten, die auf hohem Niveau spielen und regelmäßig den Sweet Spot treffen.
„Ich kenne keinen seriösen Schläger-Fitter in der Branche, der einem Spieler mit einem Handicap über 10 ein Blade empfehlen würde. Eine Fülle von Untersuchungen auf einer Vielzahl von Plattformen hat bewiesen, dass sich die Fähigkeit, den Ball an der gleichen Stelle der Schlagfläche zu treffen, mit abnehmendem Können drastisch reduziert.“ – Tim Briand, Vizepräsident vom Fitting-Unternehmen True Spec Golf
Was für Blades spricht
Das große Plus an Blades ist ihre vielseitige Einsetzbarkeit. Für sehr gute Spieler lässt sich der Ball mit einem Blade ausgesprochen gut kontrollieren. Länge, Höhe und Kurve des Ballflugs können verlässlicher beeinflusst werden als mit größeren, breiteren Eisenköpfen. Aus demselben Grund, aus dem Blades schwieriger zu treffen sind, ist ihr Gebrauch für diejenigen von Vorteil, die den Ball shapen wollen – und können. Sogenannte „Shotmaker“ führen im Grunde genommen absichtlich „schlechte“ Schläge aus, indem sie den Ball abseits des Sweetspots treffen und damit die Variabilität des Schlägerblatts nutzen, etwa um dem Ball die gewünschte Flugkurve zu verleihen. Das erfordert allerdings hohe schwungtechnische Fähigkeiten wie auch eine ausreichend hohe Schlägerkopfgeschwindigkeit.
Was für Cavity Backs spricht
Cavity-Back-Eisen bieten konstruktionell herbeigeführte Eigenschaften, welche die Fehlerverzeihung steigern sowie Schlaglängen und -höhen maximieren. Sie helfen dadurch Golfern dabei, konstanter zu spielen, Meter zu machen und häufiger ihr Ziel zu treffen. Anders als es bei Blades der Fall ist, finden sich Cavity Backs kategorieübergreifend wieder. Solche, die in die Players-Kategorie fallen, sind für viele Golfer kaum einfacher zu spielen als Muscle Backs; zeichnen sich diese doch ebenfalls durch die Kompaktheit ihrer Köpfe und nur wenige spielunterstützende Merkmale aus.
Technologisch hat sich in der Konstruktion von Cavity Backs vor allem die Nutzung von Gewichtseinsätzen aus dem sehr dichten, schweren Metall Wolfram durchgesetzt, das zur Optimierung von Schwerpunktzentren und Trägheitsmomenten beiträgt. Bei größeren Cavity-Back-Eisen aus dem Game-Improvement-Bereich kommen oft dünne, längensteigernde Schlagflächen-Einsätze aus hartem Stahl und dämpfende Materialien für ein besseres Gefühl hinzu. Die Länge des Schlägerblatts, Stärke der Schlagflächenlofts, die Dicke von Sohle und Topline sowie die Ausprägung des Offsets variieren stark zwischen den zielgruppenspezifisch entwickelten Serien.
Blick auf die Tour
Aufschlussreich ist auch ein Blick aufs Profigolf. Aus den aktuellen Top Ten der Herrenweltrangliste (Stand 29.11. 2022) spielen mit Rory McIlroy, Scottie Scheffler und Justin Thomas nur drei Spieler mit Blades. McIlroy als einer von nur noch sehr wenigen Pros mit einem kompletten Blade-Satz vom Eisen 3 bis zu den Wedges, Scheffler und Thomas ab dem Eisen 5. Alle anderen setzen auf Cavity-Backs, wenn auch auf kompakt gehaltene Tour-Modelle.
„Ich kann nicht mit einem Blade spielen. Es ist zu schwierig, und ich bin ein Profigolfer. Ich glaube, ein Blade fliegt kürzer. Außermittig getroffene Schläge sind nicht so gut wie mit Cavity-Backs. Ich sehe keinen Grund, warum man ein Blade spielen sollte. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe mit Anfang 20 mit Blades gespielt, vielleicht ein Jahr lang, als ich dumm war. Aber jetzt bin ich weiser und spiele ein Cavity-Back.“ – Kevin Na, fünffacher SIeger auf der PGA Tour
Combo-Set als Mittelweg
Wie wäre es mit einem goldenen Mittelweg? In den letzten Jahren hat sich unter Spitzengolfern der Trend verstärkt, kurze Eisen (wo Kontrolle unerlässlich ist) mit Blade-Profil und lange Eisen (bei denen Fehlerverzeihung und Weite eine größere Rolle spielen) im Cavity-Back-Design zu spielen. Solche gemischten Sätze können dabei helfen, das Beste aus beiden Welten zu finden.
Seien Sie jedoch vorsichtig, denn auch bei gemischten Eisensätzen besteht eine Gefahr. Da Cavity-Back-Eisen auf Fehlerverzeihung und distanzsteigernde Eigenschaften ausgelegt sind, ist es möglich, dass Eisen mit identischen Lofts der beiden Kategorien unterschiedlich weit fliegen. Das bedeutet, dass das Loft-Gapping im gesamten Satz schwierig werden kann, wenn Sie Blades und Cavity Backs in Ihrem Setup kombinieren.
Um dieses Problem auszugleichen, greifen Schlägerbauer darauf zurück, die Eisen auf einen bestimmten Loft zu biegen. Denken Sie jedoch daran, dass das Biegen der Eisen den Bounce und die Spielbarkeit des jeweiligen Eisens beeinträchtigen kann. Deshalb ist es am besten, entweder einen professionellen Fitter zu konsultieren oder ein Modell von einem Hersteller zu wählen, der genau aus diesem Grund passende Combo-Sets aus Blades und Cavity Backs entwirft; auf dem aktuellen Markt gibt es eine Vielzahl von Optionen.
Alternativen in Blade-Optik
Zu beachten ist auch, dass auf dem modernen Markt die Grenzen zwischen Blade- und Cavity-Back-Konstruktionen verwischt sind. Zahlreiche Unternehmen haben Eisen entwickelt, die wie – etwas breitere – Blades aussehen (Bsp. TaylorMade P770/P790), aber aufgrund ihrer Hohlkörperkonstruktion (Inner Cavity) und dem mehrteiligen Aufbau die Fehlerverzeihung von Cavity Backs bieten. Diese Zwischenkategorie ist eine gute Anlaufstelle, wenn Sie Blade-Eisen in Betracht ziehen, aber befürchten, dass sie nicht fehlerverzeihend genug sind.
Seien Sie ehrlich zu sich selbst
Der ideale Golfspieler, der praktisch jeden Schlag verlässlich beherrscht, hochtalentiert, physisch stark und technisch perfekt ausgebildet ist und außerdem täglich trainiert, holt mit Blades vielleicht das Beste aus seinem Spiel heraus. Tiger Woods und Rory McIlroy haben beide immer auf Blades gesetzt und es ist schwer vorstellbar, dass die Karrieren dieser absoluten Ausnahmesportler ohne Blades noch erfolgreicher verlaufen wären. Doch wer ist schon so gut wie Tiger oder Rory!
Etwas größere Schlägerkopf-Profile und mehrteilige Konstruktionen können ein wenig die Kontrolle oder die Workability beeinträchtigen, aber für die meisten Golfer ist das in Relation zu den zweifelsfrei bestehenden Vorteilen irrelevant. Sogar sehr gute Golfer profitieren von moderat ausgeprägten spielunterstützenden Eigenschaften in ihren Eisen; das wissen auch die Profis.
Für Golfer, mit mittlerem oder hohem Handicap stellt sich die Frage, ob sie mit Blades oder Cavity Backs spielen sollten, nicht. Es gibt keine Game-Improvement-Blades; aber Game-Improvement ist die grobe Kategorie, die es in diesem Vorgabenbereich zu beachten gilt. Gehören Sie zu dieser Gruppe – wie der Großteil aller Golfer – sind sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besser mit größeren, auf die Steigerung von Fehlerverzeihung und Längengewinne ausgelegten Eisen bedient; mögen diese ein sichtbares Cavity oder einen inneren Hohlraum aufweisen.
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