Walter Röhrl
„Beim Golf erlebst du immer wieder etwas Neues“
23. Oktober 2022 , Thomas Kirmaier
Er ist eine Legende im internationalen Motorsport, Deutschlands immer noch bekanntester Autofahrer und arbeitet heute als Berater und Botschafter. Walter Röhrl freut sich hin und wieder auch auf eine Runde Golf. Ein Portrait.
Brummende Motoren, matschige Straßen und der Geruch von Benzin – so war die Welt des Walter Röhrl. Der Mann ist Deutschlands bekanntester Autofahrer, der im Rallye-Sport alles erreicht hat, was man erreichen kann. Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden um den heute 75-Jährigen, der mit Frau Monika in Sankt Englmar im Bayerischen Wald lebt. Und manchmal sucht er die Ruhe auf dem Golfplatz. Wobei: Ruhe hat ein Perfektionist wie er eigentlich selten.
Zum Motorsport kam Walter Röhrl wie die Jungfrau zum Kinde. „Ich bin nie im Kart gesessen oder habe in der Jugend irgendwelche Rennen gefahren.“ Die Hobbys des 1,96 Meter großen Regensburgers waren eher Skifahren und Rudern. Irgendwann überredete ihn sein Skifahrer-Freund Herbert Marecek dazu, es doch einmal am Steuer auszuprobieren, weil der das Talent seines Kumpels erkannte. „Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe mir damals bei den ersten Rennen gedacht, warum die alle so langsam fahren.“
Walter Röhrl brachte etwas mit, was man nicht lernen kann, eine Gabe, von der er selber nicht genau weiß, woher sie kommt: das Gefühl für die Geschwindigkeit. „Ich hatte schon immer ein fotografisches Gedächtnis. Wenn mir mein Beifahrer die Strecke gesagt hat, konnte ich mir das super merken und wusste an den Stellen beim zweiten Mal immer, wo welcher Baum steht oder wie ich die Kurve zu nehmen habe.“ Und dann war da noch seine eiserne Disziplin: „Ich war als junger Mann nie in einer Disco oder in der Kneipe. Ich hatte einen fast schon unbändigen Willen und habe dem Erfolg alles untergeordnet.“
Und doch waren die Diskussionen zu Hause mit seinen Eltern immer wieder anstrengend. Die waren von der Karriere ihres Sohnes so gar nicht begeistert. Was wohl auch daran lag, dass sein Bruder bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Aber Walter Röhrl wollte der Beste der Welt werden, die Rallye Monte Carlo gewinnen. Niki Lauda nannte den Mann aus Regensburg einmal „Genie auf Rädern“. Dabei war es weniger die Geschwindigkeit, die ihn in ihren Bann zog. „Es war mehr der Perfektionismus. Und um zu zeigen, dass nicht das Auto entscheidend ist, sondern der Mensch, wollte ich in Monte Carlo auch mit einer anderen Marke siegen.“ Tat er. Röhrl gewann die Veranstaltung, die im Motorsport so etwas ist wie Augusta im Golf oder Wimbledon im Tennis, 1980 mit einem Fiat, 1982 im Opel, 1983 im Lancia und 1984 mit einem Audi. Ein Kunststück, das bis heute einmalig ist.
Walter Röhrl prägte die Szene, die seinerzeit von den Skandinaviern beherrscht wurde, wie kein anderer. Er schuf einen neuen Fahrstil. „Die Schweden und die Finnen standen in den Kurven gerne so quer. Mir war klar, dass das Auto gerade fahren muss. Das ist wie beim Skifahren. Wenn du den Ski quer stellst, verlierst du Speed.“ Nur: Man musste bei voller Geschwindigkeit auch die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Und genau das beherrschte keiner so wie „der Lange“ aus der Oberpfalz. Zusammen mit seinem Beifahrer Christian Geistdörfer bildete er ein unschlagbares Team und gewann alles, was es zu gewinnen gab.
Irgendwann war dann aber doch Schluss mit der aktiven Karriere. Bis 1992 war er als Testfahrer für Audi engagiert, wechselte dann aber zu Porsche. „Und da bin ich heute noch, komme vor allem in den Sommermonaten viel herum und bin immer noch gerne auf Rennstrecken unterwegs – allerdings nur noch als Ausbilder oder Repräsentant.“ Zu Hause in Sankt Englmar im Bayerischen Wald stehen acht Porsche-Modelle in seiner stattlichen Garage. Walter Röhrl macht keinen Hehl daraus, dass er wenig von E-Mobilität hält. „Ich bin der festen Überzeugung, dass E-Autos nicht die einzige Lösung sind.“ Zuletzt fuhr er privat gerne 911er GTS, inzwischen ist er umgestiegen auf einen Cayenne. Ein paar PS müssen es schon sein, „sonst schlafen mir unterm Fahren ja die Füße ein“, sagt Röhrl, der inzwischen mehrere Bücher geschrieben hat.
Und wie kam der Mann, der dem Erfolg im Auto alles unterordnete und sich zum Besten der Welt lenkte, überhaupt zum Golf? Zeit dafür dürfte doch eigentlich gar nicht gewesen sein. 1984 nahm ihn Finnlands Rallye-Legende Hannu Mikkola in Neuseeland mit auf den Golfplatz. „Ich habe da seine Tasche getragen und war begeistert, weil ich vier Stunden lang nicht einmal ans Rallye-Fahren gedacht habe“, erzählt er. Zurück in Deutschland besorgte er sich eine Tasche mit dem nötigen Equipment und machte sich auf in den Fürstlichen Thiergarten der Familie Thurn und Taxis, wo der G&LC Regensburg beheimatet ist.
„Golf hat mich aber immer auch irgendwie fertig gemacht. Ich habe es nie geschafft, mit der Demut auf den Golfplatz zu gehen, die es für diesen Sport eigentlich braucht“, erzählt Walter Röhrl. Bis heute sei das ein Problem, sagt er. Zusammen mit seiner Frau Monika will er jetzt aber wieder angreifen und es irgendwie hinbekommen, die Zeit auf dem Platz zu genießen und nicht ständig nach Perfektion zu streben. Den Satz „Du musst doch niemandem mehr etwas beweisen“ hört er von Freunden immer wieder. „Das Faszinierende ist ja, dass jeder Golfplatz anders ist. Wenn du Tennis spielst, ist jeder Platz irgendwie gleich, aber beim Golf erlebst du immer wieder etwas Neues.“
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