Menschen
„Wir sind auf einem guten Weg“
8. September 2022 , Thomas Kirmaier
Rekord-Nationalspielerin, Bundesverdienstkreuz-Trägerin, Grande Dame des deutschen Golfsports: Marion Thannhäuser hat in ihrem Leben für viele Schlagzeilen gesorgt. Drei Jahrzehnte lang gehörte sie dem DGV-Präsidium an, führte als erste Präsidentin den Europäischen Golfverband und wurde als eine der ersten Frauen überhaupt in den Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews aufgenommen. Golf.de hat sich mit der 76-jährigen Rheinländerin, die in Hamburg lebt und Bayern liebt, über Frauen in Spitzenpositionen unterhalten.
Frau Thannhäuser, wo und wie war Ihre letzte Golfrunde?
Moment, das weiß ich genau. Es war während unseres Aufenthaltes in Bayern im GC Chieming. Allerdings waren es wegen der Hitze nur neun Löcher. Wie es war? Ich würde sagen gemischt.
Sie waren Nationalspielerin, gehörten viele Jahre dem DGV-Präsidium an, sind als eine der ersten Frauen in den R&A Golfclub of St. Andrews aufgenommen worden und waren Präsidentin der EGA. Wie schafft man das als Frau in einer Männerdomäne?
Ich bin ein Einzelkind, hatte also keine Brüder. Aber als neunjähriges Mädchen lernte ich das Golfspielen im Krefelder GC ausschließlich zusammen mit Jungs. Ich denke, da habe ich früh gelernt, mit Jungs umzugehen. Vielleicht hat mich das unbewusst auf das vorbereitet, was danach kam. Ich habe den Ball damals schon als Jugendliche weit geschlagen und wurde deswegen in der Jungen-Gruppe akzeptiert und respektiert. Vielleicht hat sich so mein Naturell dahingehend entwickelt, in einer Männerdomäne gut zurecht zu kommen und mich durchzusetzen.
Waren die Widerstände bzw. Bedenken gegenüber Frauen in hohen Ämtern damals größer als heute?
Das kann ich eigentlich gar nicht recht beantworten. Wissen Sie, gedrängelt habe ich mich in diese Ämter nie. Ich war eigentlich eher zurückhaltend, aber mir ist vieles auch in den Schoß gefallen. Ich wurde immer gefragt, was vielleicht auch daran lag, dass ich eine erfolgreiche Nationalspielerin und sehr interessiert an der Weiterentwicklung des Golfsports war. Natürlich gab es Situationen, in denen ich als Frau aufgefallen bin. Aber ob die Widerstände damals größer waren als heute? Es ist auch eine Frage, wie man selbst mit den Bedenken, Sorgen oder Kommentaren anderer umgeht. Da hat sich bei mir mit den Jahren auch Gelassenheit eingestellt.
An welche Situationen erinnern Sie sich? Wann und wo hat man Sie spüren lassen, dass Sie eine Frau sind?
1985 war ich Kapitänin der deutschen Herren-Nationalmannschaft. Alle anderen Nationen hatten männliche Kapitäne. Da waren nur Männer und eben ich – als Kapitänin. Das war schon ungewöhnlich. Als wir dann bei der Europameisterschaft auf internationaler Bühne antraten, haben vor allem die Briten ganz schön geschaut. Oder 2007 beim Masters in Augusta. Da wurden vor der Siegerehrung die Repräsentanten der Verbände vorgestellt. Ich war als einzige Frau und Präsidentin des Europäischen Golf-Verbandes und Vertreterin des Deutschen Golf Verbandes dort, und mein Mann saß hinter der Absperrung, als sein Nachbar ihm zuflüsterte: „Oh, women are dropping in“. Wir konnten sehr darüber schmunzeln.
Das heißt, Sie nahmen viele Widerstände einfach mit Humor? Warum gibt es aktuell so wenige Frauen in deutschen Clubpräsidien oder im Clubmanagement?
Ja, Humor und Toleranz gehören auch immer dazu. Auch Glück und davon hatte ich sehr viel. Was Frauen in den Präsidien oder im Management betrifft: Das hat wohl viele Gründe. Die Zeiten haben sich natürlich auch stark geändert. Viele Frauen haben vielleicht gar nicht mehr den Wunsch, das Interesse oder die Zeit dazu. Man muss ja auch sehen, dass eine Tätigkeit im Verband ein Ehrenamt ist. Ich hatte und habe den Vorteil, einen sehr großzügigen Mann zu haben, der meine Aktivitäten immer unterstützte. Und in der Kinderbetreuung trugen meine Eltern ihren Teil dazu bei. Da war das Thema Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt nicht so groß wie heute. Heute gibt es deutlich mehr berufstätige Frauen und eigentlich bessere Ausbildungsmöglichkeiten als damals im Golfsport. Warum sich in den Präsidien oder den Clubs bis dato nicht recht viel bewegt hat, weiß ich nicht. Da spielen wohl auch der Zeitfaktor und die mangelnde Wertschätzung für Frauen eine Rolle. Vielleicht würde es helfen, wenn manche Ehrenämter professionalisierter würden. Aber ich bin guter Dinge, dass sich da in nächster Zeit etwas bewegt.
Fotoalbum Marion Thannhäuser
Sie haben mal in einem Interview gesagt, Sie könnten es nicht leiden, wenn etwas gar nicht oder zu langsam vorangeht.
Ja, das stimmt. Es gab nach mir ja den Versuch, eine Frau in den Vorstand des DGV aufzunehmen, der allerdings gescheitert ist. Ich bin nun aber sehr zuversichtlich, dass es bei den Wahlen im nächsten Jahr klappen wird. Kandidatinnen dafür gibt es auf jeden Fall.
Lassen Sie uns raten: Sie dürfen nicht sagen, welche Frauen Sie da im Auge haben?
Korrekt. Das würde eine mögliche Kandidatur möglicherweise gefährden. Und das will man doch nicht riskieren.
Welche Fähigkeiten muss eine Frau mitbringen, um es in ein Spitzenamt zu schaffen?
Da muss eine Frau ganz bestimmt mehr Eigenschaften auf sich vereinen als Männer. Es braucht zum einen natürlich die fachliche Kompetenz, das Wissen über Golf, Ehrgeiz, Teamfähigkeit, ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, in einer Männerdomäne zu bestehen. Ich bin zum Beispiel seit 2015 Mitglied im Royal & Ancient Golf Club in St. Andrews. Ich war damals eine von nur zwei Frauen vom europäischen Kontinent, die in eine absolute Männerwelt aufgenommen wurde. Natürlich bin ich hin und wieder belächelt, aber nicht beleidigt worden. Wenn man richtig damit umgeht, macht es selbstbewusster und stärker. Es hat noch nie geschadet, zurückzulächeln und fachlich kompetent dagegenzuhalten.
Es liegt also auch an den Frauen selbst, dass sie sich so etwas oft einfach nicht antun wollen?
Ja, vielleicht. Sicher gibt es Frauen, die die Kompetenz hätten, ein Amt stark auszufüllen, sich dann aber zurückziehen, wenn ihnen nicht die angemessene Wertschätzung entgegengebracht wird. Manche Kandidatinnen fühlen sich schnell nicht gut genug und lassen es eher sein. Auch eine Frage des Selbstbewusstseins und der persönlichen Lebenssituation.
Was muss passieren, damit es in Verbänden bzw. Clubs mehr Frauen in Führungspositionen gibt?
Ich denke, da kommt es sehr auf die Akzeptanz und Toleranz beider Seiten an. Die eine muss bereit dazu sein, zu lernen, geduldig und selbstbewusster zu sein, die andere bereit sein, lernen zu lassen. Da spielt wieder der Zeitfaktor rein. Heutzutage muss ja immer alles schnell gehen. Wenn sich Männer und Frauen mehr aufeinander zu bewegen, wird sich da etwas verändern. Und ich bin positiv gestimmt, dass sich in der nächsten Zeit etwas mehr tun wird als in den vergangenen Jahren. Wir sind auf einem guten Weg.
„Im Alter wird man gelassener“
Wird Damen-Golf schlicht immer noch zu wenig beachtet? Wo steht Deutschland da im europäischen Vergleich?
Nein, das würde ich nicht sagen. Gerade in den Clubs werden die Damen genauso beachtet wie die Männer. Wir haben im Hamburger GC inzwischen auch im siebenköpfigen Vorstand drei Damen mit eigener Ressort-Verantwortung, und der Frankfurter GC hat nun zum zweiten Mal eine Präsidentin. Ich weiß, dass wir im europäischen Vergleich sogar sehr viele Golf spielende Damen im Verhältnis zu den Männern haben. Also da tut sich schon etwas, und das ist gut so. Für die Frauen wie für die Männer.
Sie sind Rheinländerin, leben in Hamburg, verbringen aber ihre Urlaubszeit gerne in Bayern. Sie reisen gerne und viel?
Mein Mann kommt ursprünglich aus Traunstein, daher gibt es eine Verbindung zu Bayern und zur Region um den Chiemsee, wo wir auch geheiratet haben, ein Haus besitzen und gerne Urlaub machen. Zuletzt waren wir mehrere Wochen dort und haben das schöne Wetter genossen. Zwischendrin fahren wir nach Salzburg, besuchen die Oper oder Konzerte. Wie man seinen Lebensabend eben gestaltet. Anfang August haben wir unseren Sohn beim Final Four in der Pfalz besucht, der mit dem Hamburger GC zum wiederholten Mal Deutscher Mannschaftsmeister wurde und inzwischen Geschäftsführer des Europäischen Golf Verbandes ist.
Wie viele Runden Golf hat Marion Thannhäuser in der Saison 2022 bis jetzt gespielt?
Ach, definitiv zu wenige. Ich hatte vor langer Zeit einen schweren Skiunfall. 18-Loch-Runden waren es in diesem Jahr vielleicht fünf, meistens spielen wir nur neun Löcher. Es gibt aber auch eine Turnierserie in St. Andrews, an der ich sehr gerne teilnehme. So gut es geht, spiele ich da mit. Inzwischen zählt für mich beim Golf aber weniger das Ergebnis als vielmehr der olympische Gedanke. Mit dem Alter wird man halt doch entspannter und gelassener.
Vielen Dank für das Gespräch!