Kommentar

Musik beim Golf? Bitte nicht!


29. Juni 2023 , Felix Grewe


Einer, der den Beat braucht: Bryson DeChambeau ist im Training häufig mit Kopfhörern unterwegs.
Einer, der den Beat braucht: Bryson DeChambeau ist im Training häufig mit Kopfhörern unterwegs. | © Getty Images/Keyur Khamar/PGA TOUR

Immer mehr Golfer tauchen mit Kopfhörern auf Driving Ranges und manchmal auch auf Plätzen auf – nicht nur Profis. Unser Autor hat dazu eine klare Meinung.

Eines vorweg: Ich liebe Musik. Auch und vor allem beim Sport. Ohne meine Lieblingssongs auf den Ohren wäre ich beim Laufen oder in der Muckibude (dort sieht man mich inzwischen viel zu selten...) nur halb so leistungsfähig wie mit dem passenden Soundtrack. Er motiviert mich und katapultiert mich in eine Welt, in der sich innere Grenzen leichter verschieben lassen. Musik kann wie legales Doping wirken. Wenn der Rhythmus stimmt und die Bässe wummern, laufe ich wie beflügelt. Wenn nicht, wird die Alsterrunde hier in Hamburg zur reinsten Quälerei. Die einzige Ausnahme beim Joggen mache ich im Sommerurlaub an der Nordsee, wenn ich früh morgens bei Ebbe am Watt laufen gehe und dabei Austernfischer, Säbelschnäbler und Möwen bei ihrem Frühstück beobachte. Eine Szenerie des Friedens, in der Musik so unangemessen wäre wie Handy-Gebimmel auf einer Beerdigung. 

Die Golfanlage – eine Oase der Ruhe

Nun zum Golf, da geht es mir nämlich ähnlich wie am Wattenmeer. Musik hat dort für mich nichts zu suchen – und zwar auch nicht auf der Range. Die Golfanlage ist für mich eine Oase der Ruhe und Entspannung. Die Geräusche von Mähmaschinen beim Greenkeeping stören mich nicht, im Gegenteil. Dieses ländliche Flair ist wunderbar. Wann immer ich Bälle schlage, möchte ich die Atmosphäre um mich herum aufsaugen – dafür muss ich sie mit allen Sinnen wahrnehmen können. Auf der Runde will ich der Natur lauschen und mich an jenen Momenten erfreuen, an denen ich außer der Tierwelt um mich herum nichts hören muss. Momente, die wir im Alltag kaum mehr erleben und die deshalb so kostbar und gleichzeitig unverzichtbar für die mentale und körperliche Gesundheit sind.

Warum Stille so wichtig ist

Stille reduziert die Produktion von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, das ist wissenschaftlich erwiesen. Ebenso unstrittig sind viele andere positive Auswirkungen: Herzschlag, Atemfrequenz und Blutdruck können gesenkt und viele stressbedingte Erkrankungen so gelindert oder gar präventiv verhindert werden. Auch das Gehirn kann in Phasen der Stille besser regenerieren. In der Region des Hippocampus, das ist jener Bereich, der für das Gedächtnis und die Lernfähigkeit zuständig ist, können nur dann neue Zellen wachsen, wenn wir uns regelmäßig erholen. 

Fakt ist: Unser modernes und von digitalen Einflüssen geprägtes Leben fordert am Tag nahezu ständig unsere Aufmerksamkeit – und mindert bei vielen Menschen die Schlafqualität. Das erschöpft mit der Zeit den Geist. Risiken und hässliche Seiten der sozialen Netzwerke beispielsweise sind längst keine Geheimnisse mehr. Die Wissenschaft weiß, dass zu viel Erreichbarkeit, zu viel Instagram, Facebook & Co. auf Dauer zu einer messbar schlechteren Leistung des Gehirns führen. Die Fähigkeit zur Konzentration nimmt ab, die Aufmerksamkeitsspannen werden kürzer, bis sie irgendwann dem Flügelschlag eines Schmetterlings gleichen. Die einzige Chance: der Dauerbeschallung entfliehen, um den mentalen Akku wieder aufzuladen. Dafür braucht es regelmäßige und bewusste Pausen. Phasen der Stille. Ohne Smartphone, ohne Tablet – und ohne Musik! Gibt es dafür einen besseren Ort als den Golfplatz?  

Den Klang des Treffpunkts hören

Noch ein Grund, warum Musik beim Golf für mich ein No Go ist: Ich möchte beim Bälle schlagen den Sound hören, auch und erst recht dann, wenn ich die Kugel nicht sauber treffe (was oft genug passiert). Das Geräusch verrät mir eine Menge über Timing und Technik. Dazu kommt: Dem Klang des Balls im Treffpunkt zu lauschen, bringt mich in einen konzentrierten Zustand. Wenn ich darauf achte, Schlag für Schlag die feinen Unterschiede in der Klangfarbe wahrzunehmen, bin ich fokussiert und denke weniger nach – ganz ohne jedes Gedudel.

Was bei Profis anders ist als bei Amateuren

Den Aufschrei der Musik-Junkies kann ich trotzdem schon hören: Die Stars der Touren machen es doch schließlich vor, werden sie rufen. Ständig sieht man Profis mit Stöpseln im Ohr – beim Training auf der Range und sogar auf der Proberunde. Sie kapseln sich so von der Außenwelt ab, blenden Störgeräusche (im wahrsten Sinne des Wortes...) aus und erreichen im Idealfall so schneller den mentalen Tunnel, die Voraussetzung für Bestleistungen. Alles richtig, alles wichtig. Der entscheidende Punkt jedoch ist: Anders als für die meisten Normalos, gehören tägliche Ruhephasen bei Profis zum Alltag. Sie gönnen sich gezielte Auszeiten, um neue Energie zu tanken. Ein Hochleistungssportler ordnet alles dem Erfolg unter. Ein Rädchen greift ins andere, nichts wird dem Zufall überlassen. Deshalb meditieren immer mehr Pros, viele arbeiten mit Sportpsychologen und Mentalcoaches zusammen, üben sich in Achtsamkeit und trainieren die Konzentrationsfähigkeit. Für Amateure gilt das längst nicht immer. Vor dem ersten Abschlag beim Monatsbecher mag die Lieblings-Playlist motivieren, vielleicht auch beruhigen. Aber bitte nicht als Dauerlösung! Stille kann doch gerade auf dem Golfplatz die viel bessere Musik sein...