Menschen

Vom Weißen Haus zur Giftschlange


13. Dezember 2024 , Thomas Kirmaier


Ruling auf der Tour: Referee Christiane Stenger überprüft, ob Lexi Thompson korrekt droppt. © LETgolf
Ruling auf der Tour: Referee Christiane Stenger überprüft, ob Lexi Thompson korrekt droppt. © LETgolf

In der Saison 2024 ist sie bei 16 Turnieren der Ladies European Tour in zehn Ländern im Einsatz. Dazu Olympia, US Womens Open und Solheim Cup. Nahezu die Hälfte des Jahres ist Christiane Stenger nicht zu Hause. Dabei spielt sie gar nicht um Preisgeld.

Als Golf.de Christiane Stenger telefonisch erreicht, sitzt sie in ihrem Hotelzimmer in Marokko. Die Q-School zur Ladies European Tour steht an. Angenehme 20 Grad, Palmen und der Blick auf Pool und Mittelmeer. Trotzdem kann es die 30-Jährige kaum erwarten, dass es nach der Final Stage kurz vor Weihnachten wieder nach Hause geht. „Ich freue mich auf eine ruhige Zeit mit meiner Familie, meinen Freunden und unseren Hunden.“

Ruhig ist das Stichwort, denn im Leben der einzigen deutschen Rules Official auf internationalem Parkett ist in Sachen Reisen einiges los. „Die Saison 2024 war sehr spannend. Highlights gibt es einige. Es waren zum Beispiel meine ersten Olympischen Spiele als Official, aber auch der Solheim Cup auf amerikanischem Boden und die US Womens Open waren sehr besonders“, erzählt die Saarländerin, die Mitglied der PGA of Germany ist. Bleibt da vor oder nach den Turniertagen auch mal Zeit für Sightseeing oder eine Runde Golf?

„Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich dieses Jahr nur vier Runden gedreht habe. Ich spiele zwar immer noch sehr sehr gerne, aber wenn man ständig unterwegs ist, ist es auch mal schön, etwas anderes zu sehen, wenn man zu Hause ist.“ Nur verständlich, denn Golf spielt in Christiane Stengers (beruflichem) Leben die Hauptrolle. Wie kam es überhaupt dazu? „Ich habe schon im Alter von drei, vier Jahren mit Oma und Opa gespielt“, erzählt sie. Mit 16 half sie hin und wieder in ihrem Heimatclub beim Kinder- und Jugendtraining aus; die Leidenschaft für Golf wuchs. „Ich hatte dann das Glück, dass ich in meiner Ausbildung zum Fully Qualified Golf Professional Andy Duck als Dozent und Mentor hatte“, erzählt sie. Der gilt in Deutschland als Regelpapst und begeisterte seine Schülerin fürs Ruling.

Deutschlands einzige Turnierdirektorin in Liga eins: Christiane Stenger vor dem berühmten Opernhaus in Sydney und bei den Olympischen Spielen in Paris 2024.
Deutschlands einzige Turnierdirektorin in Liga eins: Christiane Stenger vor dem berühmten Opernhaus in Sydney und bei den Olympischen Spielen in Paris 2024. | © Privat


Und so hat sie sich inzwischen als zuverlässige und kompetente Herrin der Regeln auf der Ladies European Tour und bei internationalen Großevents einen Namen gemacht. Und sie liebt ihren Job: „Für mich gibt es nichts Besseres als aus dem Nichts ein Turnier aufzubauen, mit unseren Sponsoren und Promotern zusammenzuarbeiten. Es ist immer ein besonderes Gefühl, wenn nach so viel Vorbereitung der erste Schlag an Tee eins gemacht wird und man sieht, wie daraus ein erfolgreiches Event geworden ist. Ich arbeite total gerne mit all den unterschiedlichen Charakteren zusammen. Aber auch der direkte Kontakt zu den Spielern ist etwas, was mir sehr viel Spaß macht und ich fühle mich geehrt, dass ich die Möglichkeit habe, beruflich etwas zu machen, was mir so viel Spaß macht.“ Für sie ist es also nicht nur ein Beruf, sondern Berufung.

Natürlich pflegt man da auch Beziehungen zu Spielerinnen. Christiane Stenger legt aber Wert darauf, als Official immer neutral zu sein. Das sei Grundvoraussetzung für diesen Job. „Aber natürlich ist es schön, wenn man sich auch mal in der Muttersprache unterhalten kann, auch fernab von zu Hause. Und natürlich hat man in dem Zuge auch mal privatere Gespräche oder trinkt gemeinsam Kaffee“, erzählt sie. Der kometenhafte Aufstieg der Helen Briem ist ihr nicht entgangen. „Es freut mich sehr, dass Helen in ihrem ersten Jahr als Professional direkt so erfolgreich war. Trotzdem ist sie sehr bodenständig, das macht sie aus. Ich kannte Helen schon vor ihrer Zeit auf der LET, wir sind ja aus der gleichen Region und ihr Trainer war früher auch schon mein Coach, als ich noch aktiv gespielt habe.“

Natürlich gibt es bei so vielen Tagen auf und für die Tour auch hin und wieder kuriosere Regelfälle. „Ich hatte 2024 zum ersten Mal ein Ruling wegen Dangerous Animal Condition in Australien, also konkret wegen einer giftigen Schlange. Das ist definitiv in Erinnerung geblieben.“ Apropos Australien: In Sydney ging es für Christiane Stenger richtig hoch hinaus, denn sie fand Zeit für den berühmten Bridge Climb auf der Harbour Bridge, neben dem Opera House Wahrzeichen der Millionen-Metropole Down Under. In Washington schaffte sie es sogar bis vors Weiße Haus.

Das Jahr 2024 ist fast vorbei. Wie sehen Christiane Stengers Pläne für 2025 aus? „Das steht noch nicht endgültig fest. Im März geht es aber wieder nach Australien. Und für die Schweiz bin ich zum dritten Mal in Folge verantwortlich, da freue ich mich besonders drauf.“ Bis es soweit ist, stehen erst einmal ruhigere Tage zu Weihnachten und zum Jahreswechsel an. So kann sie die Akkus aufladen, um dann wieder voller Tatendrang auf Reisen zu gehen und neue Abenteuer zu erleben. Auf und neben den Golfplätzen dieser Welt - mit Palmen, Blick aufs Meer und kuriosen Regelfällen.